Bewegung – gesunde körperliche Aktivität

Benefiz durch Bewegung.

Eine Stunde Mix an moderater Bewegung jeden Tag ergibt auf fünfzig Jahre hochgerechnet vier Jahre zusätzliche Lebenszeit. Allerdings hat man dann zwei Jahre mit Sport verbracht. Aber auch dies ist keine “verlorene” Zeit!

Und: Wer im Haus in oberen Geschossen wohnt, lebt statistisch länger als die Bewohner im Erdgeschoss. Warum denn dies? Wer oben wohnt, benutzt öfter auch mal die Treppe statt den Aufzug – falls es überhaupt einen Lift gibt. Und dieser alltäglich Mix körperlicher Betätigungen ist gesund.

Die körperliche Fitness ist beim gesund Altwerden das Allerwichtigste

Die Lebenserwartung ist stark gestiegen. Auch mit chronischen Erkrankungen oder Bewegungsbehinderungen wird man heute über 80 Jahre alt. Wie kann man noch älter werden? Forscher untersuchten 195 Personen, die im Durchschnitt 82,3 Jahre alt waren, um Unterschiede zwischen Menschen, die 95 Jahre oder älter werden, und jenen, die dieses Alter nicht erreichen, zu finden. Entscheidend sind nicht Herzkrankheiten, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Diabetes, Demenz, Parkinson, Krebs, Depression, Multimorbidität oder Polypharmazie, sondern die körperliche Fitness. Ein Test, der Balance, Koordination und Laufgeschwindigkeit prüfte, erfasste diese. Auch ohne Kausalitätsbeweis motivieren diese Daten, körperlich aktiv zu bleiben, wenn man den 100. Geburtstag feiern möchte.
(J Am Geriat Soc. 2024, doi.org/10.1111/jgs.18941.)

Zuerst gute Nachrichten für die, welche nicht gerne “Sport” machen.

Sie bewegen sich gerne. Aber Fitnessstudios können Sie nicht ausstehen, vom Joggen kriegen Sie Knieprobleme und Fahrradfahren in der Grossstadt macht Sie so nervös, dass es nicht gesund sein kann…
Es gibt nun eine neue Studie, die Sie freuen wird. Diese zeigt, dass ausgedehnte Sportsessions für die Gesundheit nicht nötig sind.
Nicht die Dauer oder Intensität einer Aktivität ist entscheidend, sondern die Häufigkeit – und der Mix! Und… nicht mehr als sieben Stunden täglich rumsitzen!
Die Studie, um die es hier geht, ist nicht irgendeine. Denn als man sich in den USA daran machte, die offiziellen Bewegungsempfehlungen auf den neuesten Stand zu bringen, stellte man fest, dass es fast keine neueren, grossen Studien gab, die zuverlässig zeigen konnten, wie viel Bewegung gesund war und das Leben verlängerte. Also riefen einige der Wissenschaftler eine entsprechende Studie ins Leben und werteten dafür Daten von fast 5000 Frauen und Männern aus. Das Ergebnis: Dreimal am Tag zehn Minuten (auch moderate) Bewegung oder fünfzehnmal zwei Minuten sind wahrscheinlich genauso gut wie 30-minütige Einheiten!
Wichtig: Es geht hier um Gesundheit, nicht um Ausdauer. Wenn Sie ihre Ausdauer entwickeln wollen, helfen Ihnen die zehnminütigen Sportschübe wenig. Und: Es handelte sich um eine epidemiologische Studie, das heisst, es wurde kein direkter kausaler Zusammenhang zwischen Bewegung und längerem Leben festgestellt. Sie war auch kurzfristig angelegt. Trotzdem werden die Bewegungsempfehlungen in den USA entsprechend angepasst werden.
Und… leistungsbetonte Ausdauer ist nicht gesund!
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Oder noch kürzer?!
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HIIT (high intensity interval training): einmal pro Stunde 20 Sekunden Sprint auf der Stelle…

Ganz so wenig Mühe kostet es doch nicht, was Wissenschaftler im Fachblatt Medicine and Science in Sports and Exercise vorstellen. Das Team der University of Texas in Austin testete Freiwillige, die auf einem feststehenden Ergometer mit Schwungrad vier Sekunden lang alles gaben. Nach einer Pause von 45 Sekunden ging es erneut für vier Sekunden in die Vollen, insgesamt fünfmal. Stündlich wiederholten die Probanden die Belastung über acht Stunden hinweg, also die Länge eines Arbeitstages.
In der Sportmedizin galt lange die Auffassung, dass Ausdauer optimal trainiert, wer dreimal pro Woche 50 Minuten joggt, radelt, schwimmt oder rudert. Mit regelmässig 150 Minuten wöchentlich könne, so die Annahme, das Leben um mehrere Jahre verlängert werden. In jüngster Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass intensive Belastungen von über 6 Stunden pro Woche überhaupt nicht gesund ist und dass 75 Minuten pro Woche (in vielen kleinen Einheiten)  ähnlich nützlich sind.
Ich finde das super – wenig bringt schon Einiges. Einmal pro Stunde 20 Sekunden wären im Alltag aber leichter umzusetzen und genauso sinnvoll. Statt des Trainingsrades könne ein Sprint auf der Stelle oder ein schneller «Hampelmann» ähnliches leisten – oder draussen in der Natur mal kurz einen Anstieg schneller rauflaufen.
Die Studie hält wichtige Anregungen bereit: Kurz das sesshafte Leben unterbrechen und ein paarmal täglich ausser Atem kommen, stimuliert genussvoll Muskeln, Leber und Kreislauf. Würde man die Menschen auf zehn Minuten intensive Betätigung am Tag bringen, wäre die Rate der Herzkreislaufkrankheiten halbiert – enttäuscht aber leider gegen die Hypertonie.
(Studien hier & hier & hier (Hypertonie))

Aber bedenken Sie auch Folgendes:

Somatisches, Funktionelles und Zirkeltraining

Auf dem Fitnessmarkt gewinnen Trends wie dieses „Somatische Training“ (welch unsinniger Name – Gegensatz von psychischen Training?), funktionelles Training oder Zirkeltraining zunehmend an Beliebtheit. Diese Trainings umfassen lebensnahe, mehrgelenkige Übungen, oft mit dem eigenen Körpergewicht. Zirkeltraining verzichtet weitgehend auf Pausen und kombiniert Kraft- mit Ausdauertraining. Klingt grossartig, oder? Nicht so eintönig wie monotones Maschinentraining!

Doch diese modischen Trainingsmethoden haben eine Schattenseite: Sie spiegeln die radikal nutzenorientierte, atemlose 24/7-Multioptionsgesellschaft wider, in der man nie zur Ruhe kommt und ständig Multitasking betreibt. Obwohl sie als „kreativer“ gelten als das Training an Maschinen, fehlt ihnen für echte Kreativität eines: die Kultur der Pause, wie sie im klassischen Bodybuilding üblich ist. Die paar Minuten Erholung zwischen schweren Sätzen, in denen man ziellos durchs Studio schlendert und Gedanken schweifen lässt – solche scheinbar verschwenderischen Leerlaufphasen und ineffizienten Unbestimmtheitsmomente fehlen der Nonstop-Gesellschaft.
(Idee aus Konsumkritik von Jörg Scheller in Psychologie Heute, 10/2023)

Auch nicht tägliche Bewegung senkt die Mortalität

Eine 2022 veröffentlichte grosse Kohortenstudie aus der USA zeigt deutlich, dass Menschen, die nur ein- oder zweimal pro Woche sich sportlich bewegen (sog. “Weekend Warriors” – aber bitte dann nicht auch noch leistungsbetont selbstoptimiert!) gesundheitlich gleich gut dastehen, wie solche, die dies täglich tun:
pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35788615/

Ausdauersport?

Wir sind ja meist überzeugt, dass Ausdauersport gesund ist und er unser kardiovaskuläres Risiko reduziert. Eine belgische Forschergruppe belehrt uns nun eines Besseren (Studie).
Sie verglichen das Ausmass der Koronarsklerose von 191 lebenslangen Ausdauersportlern mit 191 Späteinsteiger-Ausdauersportlern (Beginn nach dem 30. Lebensjahr) sowie mit 176 gesunden Nicht-Athleten, die in ihrem Leben keinen Ausdauersport betrieben hatten. In allen drei Gruppen handelte es sich nur um Männer mit einem medianen Alter von 55 Jahren. Keiner der Probanden war Raucher, keiner war übergewichtig und bei keinem war eine koronare Herzkrankheit bekannt. Die Koronarsklerose wurde mittels Computertomographie quantifiziert: Anzahl und Lokalisation von Plaques, Verkalkungs-Score und -Häufigkeit sowie Stenosegrad der Koronarien. Überraschend fand sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung, das heisst je länger der Ausdauersport betrieben wurde, desto wahrscheinlicher fand sich eine relevante Koronarsklerose. Die Parameter, die für eine ischämische Herzkrankheit prädestinieren, waren bei den lebenslangen Ausdauersportlern am höchsten: Anzahl Plaques, proximale Plaques, signifikante Stenosen und gemischte Plaque-Verkalkungen. Bei den Nicht-Sportlern waren sie am geringsten, die Späteinsteiger lagen meist dazwischen.

Stopp Ausdauersport?! Ist dies die anatomisch-pathologische Erklärung des Sport-Paradoxes «plötzlicher Herztod bei Athleten»? Die Autorenschaft schlägt vor, die Studie zeitlich noch auszudehnen, um auch entscheidende kardiovaskuläre Ereignisse zu erfassen.

Hatte Winston Churchill doch recht? Auf die Frage eines Reporters, warum er trotz Whisky und Zigarrenrauchen so alt geworden sei, soll er geantwortet haben: «No sports!». Er starb im Alter von 91 Jahren. Was er aber verschweigt: Er hatte immer Hunde und ging mit ihnen im Grünen spazieren. Dies war wohl Match-entscheidend!

Im Rhythmus gesunden – “3in3”, mässig und regelmässig – genussvoll, im Grünen!

In vielen medizinischen Studien hat man entdeckt, dass erst eine gewisse Dauer an moderater Bewegung – „rhythmisch“ – die Voraussetzung für Prophylaxe und Heilung bei Krankheiten schafft: dies zur Abwehrstärkung und Immunmodulation, gegen chronische Entzündungen (auch Neuroinflammation) und Autoimmunstörungen (M.Crohn), selbst gegen Krebs (Prostata) und auch zum Abnehmen (oder beim Metabolisches Syndrom).

Die Gesamtdauer beträgt etwa 3 Stunden oder mehr pro Woche mässige Bewegung und regelmässig auf 2-3 Portionen verteilt – oder eben viel häufiger. Deshalb nenne ich die daraus folgende Regel „3in3“ oder besser den „3in3-Rhythmus“, will heissen: (mindestens) 3 Stunden Bewegung pro Woche in 3 Portionen: also 3×1 Stunde – oder 6×30 Minuten, etc.. – und es sollte nicht intensiver und langdauernder Sport sein, sondern die Bewegung kann (für die Gesundheit und nicht unbedingt für die Ausdauer) kurz und moderat, jedoch dann täglich und häufig sein!

Entscheidend ist der Rhythmus von Unruhe und Ruhe oder Bewegung, von Spannung und Entspannung, von Selbstkontrolle und Genuss, von Kontakt und Rückzug – von Arbeit und Freizeit. Der Philosoph Byung-Chul Han nennt dies „Lücken“ im Leben (Interview, Das Magazin: 39/2014): „Glück heisst ursprünglich „Gelücke“. Es hat mit Lücken zu tun. Vielleicht ist die Lücke sogar wesentlich für das Leben…“ – und weiter: „Kommunikation ohne Lücke ist Lärm. Wir ertragen heute keine Lücke, keine Stille mehr.“ Jede Lücke wird sofort mit dem Zücken des Smartphones gefüllt. Man verträgt keine Lange-Weile mehr (siehe meinen früheren Blogbeitrag darüber: http://walserblog.ch/2012/10/27/langeweile-alles-andere-als-langweilig/).

Nur wenn wir im Tages-, Wochen- und Jahresverlauf jene Erholungspausen einhalten, die uns biologisch vorgeschrieben sind, kann unser Organismus seine Funktionen – wie beim Resetting eines Computers – immer wieder synchronisieren und Abweichungen vom Sollzustand (auch zum Beispiel krebsartiges Ausflippen von Organzellen mit Abwehrvorgängen des Immunsystems) ausgleichen. Ignorieren wir diese Bedürfnisse, werden die Abweichungen immer grösser – und damit verliert auch der Organismus immer mehr die Fähigkeit, von selbst in seine Ordnung zurückzufinden.

Unsere vorgegebenen biologischen Rhythmen scheinen übrigens 90 Minuten lang zu sein (wie nachts die 90 Minuten auseinander liegenden Tiefschlafphasen): 70 Minuten Aktivität, dann 20 Minuten Ruhe und Erholung. Mein Vorschlag: Alle 60 Minuten tagsüber 10 Minuten Rückzug und Pause. So stellen Sie ihren inneren Rhythmus wieder von der Hamsterrad- zurück in die heilsame Ruhe-Frequenz und stärken so unter vielem anderen auch unser Immunsystem.

Bewegung in Rhythmen lassen besser denken

Schon in den antiken Wandelhallen, dann in der Kreuzgängen der Klöster, auch Schüler, die im Gehen Vokabeln büffeln, Schauspieler, die beim Rollenlernen herumlaufen – alle sie wussten es, was nun in den Neurowissenschaften benannt werden kann, dass im Gehen gewisse Hirnregionen (vor allem der Hippocampus) besser arbeiten können.
Der Rhythmus, vor allem regelmässige von mittlerer Geschwindigkeit sind gut zum Lernen geeignet. Regelmässige, langsame für Meditation und tranceartige Zustände.
Man kann sogar behaupten, dass das abstrakte Denken nur eine verfeinerte Nutzung der praktischen Funktionen unseres Gehirns ist, die darin besteht, den Körper in angemessener Art und Weise zu bewegen. Deshalb ist die Affinität des Denkens zur Bewegung und des Gehens vorhanden.
(Mehr darüber hier >>>)

Wie beginne ich: mit Willenskraft? Nein: mit Gewohnheiten!

Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.

Entscheidend ist der passende Mix

Eine Metastudie der Columbia University an über 130’000 Menschen von 2021 ergab: Ein tägliches Training von 30 Minuten reduziert die Gefahr von Frühsterblichkeit um bis zu 80 Prozent – aber nur bei jenen Menschen, die weniger als sieben Stunden pro Tag sitzen. Bei Erwachsenen, die das aber mehr als 11 Stunden täglich tun, ist ein solches Training so gesehen wirkungslos. Wer zu lange sitzt, macht also die lebensverlängernde Wirkung der halbstündigen Schinderei im Fitnesscenter quasi zunichte.
Entscheidend ist der passende Mix.
Auch Menschen, die nur wenige Minuten bei mittlerer oder hoher Intensität trainieren, können das Risiko von Frühsterblichkeit senken – vorausgesetzt, sie bewegen sich sonst mindestens sechs Stunden lang. Zum Beispiel Eltern mit kleinen Kindern, die es aus zeitlichen Gründen nicht schaffen, 30 Minuten in einem Fitnessstudio ihre Muskeln und ihr Herz zu stählern. Nichtsdestotrotz könnten sie ein gesundes Bewegungsprofil pflegen, indem sie in ihrem Alltag körperlich oft aktiv sind, zum Beispiel öfters einmal die Treppe nehmen anstatt den Lift, Strecken gehen anstatt zu fahren.
( Chastin S., McGregor D. et al: Joint association between accelerometry-measured daily combination of time spent in physical activity, sedentary behaviour and sleep and all-cause mortality; British Journal of Sports Medicine, May 2021)

Sitzen ist das neue Rauchen

Der Vergleich bleibt im Gedächtnis und trifft teilweise zu: Amerikanische Forscher analysierten über ein Dutzend Studien zum Sitzen. Sie entdeckten, dass Menschen, die mehr als acht Stunden täglich sitzen und sich nicht bewegen, ein Sterblichkeitsrisiko aufweisen, das dem von Rauchern ähnelt.
Doch Rauchen und Sitzen unterscheiden sich grundlegend. Rauchen ist eine Sucht, die 20 bis 30 Prozent der Erwachsenen betrifft. Sitzen hingegen betrifft uns alle von klein auf: in der Schule, im Bus, bei der Arbeit. Sitzen prägt unsere Sozialisation. Während wir mit dem Rauchen aufhören können, ist es kaum möglich, nie wieder zu sitzen. Allerdings ist nicht jede Minute im Sitzen schädlich.
Nach acht Stunden Sitzen pro Tag steigt das Krankheitsrisiko, wenn wir uns nicht bewegen. Viele Studien belegen dies. Wer stundenlang ununterbrochen sitzt, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes.
Auch unser Gehirn profitiert von Bewegung. Beim Gehen oder in Bewegung denken wir oft klarer. Telefonate oder Besprechungen lassen sich gut bei einem Spaziergang an der frischen Luft führen.
Selbst im Sitzen lohnt es sich, in Bewegung zu bleiben. Ändern Sie laufend Ihre Sitzhaltung. Mal ein Bein überschlagen, die Knie anziehen oder im Schneidersitz sitzen – all das hilft, nicht steif zu werden.

Schrittzähler – Fitnesstracker

Zuerst mal sollte eine Sportuhr und Schrittzähler  kein Instrument zur weiteren Selbstoptimierung, sprich Selbstkasteiung sein und damit auch ein  “neoliberalen Handgelenk-Stasi”, der uns kontrolliert und beherrscht. Nein, im besten Fall können sie uns aber vor Selbsttäuschungen befreien!

Wie viele Schritte braucht es denn für ein gesünderes Leben?
Es ist eine Zahl, die Forscherinnen und Forscher mehr umtreibt als andere: die Anzahl Schritte, die es braucht, um bis ins hohe Alter gesund zu sein. Hoch im Kurs ist dabei die 10’000, vor über 50 Jahren zu Werbezwecken erfunden und bis heute ein Renner. Doch ist sie tatsächlich das Mass aller Dinge? Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist in einer jüngst publizierten gross angelegten Studie nicht nur dieser Frage nachgegangen. Sie hat daneben erforscht, welche Rolle die Schrittfrequenz spielt. Genauer: ob sich die positive Wirkung der Bewegung verstärkt, wenn man zügiger marschiert.

Für die Studie trugen gegen 80’000 Erwachsene zwischen 40 und 80 Jahren während sieben Tagen ununterbrochen einen Fitnesstracker am Handgelenk. Dieser zählte nicht nur ihre Schritte, sondern registrierte auch deren Kadenz – also wie viele Schritte es pro Minute jeweils waren.

Bereits 2000 Schritte zeigen eine Wirkung:
Im Anschluss an die Beobachtungswoche mit Fitnesstracker dokumentierten die Forscherinnen das Befinden der Teilnehmenden während sieben Jahren. 2813 Probanden erkrankten und 1325 starben in dieser Zeitspanne an Krebs, 10’245 erlitten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und 664 Personen erlagen diesen. Anhand des grossen Datensatzes stellten die Wissenschaftler fest, dass sich nicht erst bei 10’000 Schritten eine positive Wirkung auf die Gesundheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigte.
Denn: Deren Risiko, vorzeitig zu sterben, Herz-Kreislauf-Probleme zu bekommen oder an Krebs zu erkranken, sank pro 2000 Schritte täglich um rund 10 Prozent. Sprich, wer 4000 Schritte täglich geht, senkt es um 20 Prozent, bei 6000 Schritten sind es 30 Prozent und so weiter. Laut Studienautorinnen geht diese Rechnung auf bis zu einer Anzahl von 10’000 Schritten. Darüber hinaus konnten sie die zusätzliche Wirkung nicht belegen.

Gegen Demenz lässt sich mit Spaziergängen ebenfalls wirkungsvoll vorgehen – und bei dieser Prävention muss die 10’000er-Marke nicht geknackt werden. Um das Risiko einer Demenz um die Hälfte zu reduzieren, reichen offenbar 9000 Schritte. Doch auch wer weniger unterwegs ist, beugt in dieser Hinsicht vor. Gemäss Studie sinkt die Gefahr einer Demenzerkrankung bereits bei 4000 Schritten um 25 Prozent.

Zügige sind gesundheitlich im Vorteil:
Allerdings sind Schritte nicht gleich Schritte. Die gross angelegte Studie zeigt, dass auch das Tempo eine präventive Rolle spielt. Dazu haben die Forscherinnen untersucht, wie hoch die maximale Schrittfrequenz der Probandinnen innert einer halben Stunde pro Tag jeweils war. Und stellten fest: Teilnehmerinnen, die schnell – pro Minute 80 bis 100 Schritte – unterwegs waren, erfreuten sich einer besseren Gesundheit. Im Vergleich zu langsamen Geherinnen senkten die Zügigen das Risiko eines vorzeitigen Todes um 35 Prozent, jenes einer Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankung um 25 Prozent und jenes, an Demenz zu erkranken, um 30 Prozent.

Laut Studienautoren geht es im Grundsatz darum, schneller zu marschieren als das Wohlfühltempo, das sich die Menschen mit der Zeit angewöhnt haben – und so den Puls nach und nach in die Höhe zu treiben. Denn schon 30 Minuten zügiges Gehen pro Tag hat einen positiveren Effekt. Diese halbe Stunde reduziert das Risiko einer Herz-, einer Krebs-, aber auch einer Demenzerkrankung stärker, als wenn man genau dieselbe Schrittzahl in gemächlicherem Tempo zurücklegt.

Die gute Nachricht für Faulpelze ist dabei, dass es offenbar nicht nötig ist, die empfohlene halbe Stunde am Stück zu gehen, damit sich diese Wirkung entfaltet. Gemäss Studie können es auch mehrere kürzere Intervalle sein, die über den Tag hinweg verteilt werden. Ob joggen statt gehen das Risiko einer Erkrankung noch zusätzlich senkt, vermochten die Wissenschaftlerinnen nicht zu eruieren. Doch eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 2013 legt nahe, dass es für den Herz-Kreislauf kaum eine Rolle spielt, ob eine Person eine bestimmte Strecke joggend oder zügig marschierend zurückgelegt – mit ein Grund ist, dass der Geher dafür länger braucht als der Läufer.
Auch Forscherinnen und Forscher der Harvard Medical School in den USA haben sich mit der allheilbringenden Schrittzahl befasst. Sie haben für eine Studie aus dem Jahr 2019 rund 17’000 ältere Frauen mit Schrittzählern ausgerüstet. Nach etwas mehr als vier Jahren zeigte sich: Der positive gesundheitliche Effekt setzte bei rund 3000 Schritten pro Tag ein. Bei 4400 Schritten täglich halbierte sich das Risiko der Probandinnen, früh zu sterben.

Zuviel des Guten: Sport- oder Bewegungssucht

Wer zu exzessiv und zwanghaft Sport treibt und dabei Verletzungen und Krankheiten ignoriert und seine Sozialkontakte schleifen lässt, der leidet an einer sogenannten Sport- oder Bewegungssucht. Sie haben keine sportlichen Ziele, sie trainieren um des Trainings willen. Dabei spielt es keine Rolle, wie viele Stunden jemand pro Woche trainiert. Sonst müsste man die meisten Spitzensportler als sportsüchtig klassifizieren. Das sind diese aber (meist) nicht. Sobald sich im Training ein Muskel hart anfühlt, hört ein Spitzensportler  sofort auf. Und es ist auch kein grosses Problem, wenn sie an einem Tag mal nicht trainieren können.

Der Begriff Sport- oder Bewegungssucht ist zwar schon fast 50 Jahre alt, doch erst in den letzten Jahren ist exzessives Sporttreiben mit all seinen negativen Konsequenzen in den Fokus der Sportwissenschaft gerückt. Mittlerweile gibt es viele Studien und Fallberichte, die darauf hindeuten, dass Sportsucht in mehreren Punkten anderen Verhaltenssüchten ähnelt, etwa der Spielsucht, Kaufsucht oder Internetsucht.

So konnten in einer Metastudie zum Thema «Exzessives Sporttreiben» gezeigt werden, dass von neun identifizierten Kriterien einer Spielsucht sieben ein Pendant bei einer Sportsucht haben. Dazu zählen unter anderem:

  • Trainingsumfang steigt mit   der Zeit.
  • Entzugssymptome, wenn   Trainings ausfallen.
  • Gedanken kreisen ständig   um den Sport.
  • Sport als Mittel, um mit   negativen Stimmungen und  Stresssituationen umzugehen.
  • Job, Partnerschaft und  soziale Kontakte leiden unter  dem exzessiven Sport.

Trotz dieser Parallelen zur Spielsucht: Offiziell anerkannt ist die Diagnose Sportsucht (noch) nicht. Weder im internationalen Handbuch der statistischen Klassifikation von Krankheiten (ICD-11) noch im Diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen (DSM-5) wird «Sport- oder Bewegungssucht» aufgeführt. Von den Verhaltenssüchten gilt bislang einzig die Spielsucht als offizielle Diagnose.

Übertraining ist die Bezeichnung für die physiologischen Vorgänge, Sportsucht das Wort für die psychologische Seite des gleichen Phänomens.

Der Zusammenhang zwischen Essstörungen und Sportsucht ist mittlerweile gut belegt, wobei Essstörungen in der Regel zur Sportsucht führen. Der Umkehrschluss gilt aber nicht. Bei weitem nicht jede oder jeder Sportsüchtige habe auch Ernährungsprobleme.

Es wird heute auch vermutet, dass exzessives Sporttreiben eine Reaktion auf chronischen Stress oder bedrückende Situationen sein kann. Von verschiedenen anderen Suchterkrankungen weiss man, dass diese oft mit Depressionen, Angststörungen oder psychotischen Erkrankungen einhergehen. Genau dies könnte auch bei der Sportsucht der Fall sein.

Bewegung auf dieser Website

Eines meiner Kernthema in Arbeit auch als Sportarzt und Rolfer und auf dieser Website dr-walser.ch ist die Bewegungs- und Haltungsverbesserung.
Zusammengefasst habe ich auf folgenden Seiten darüber bereits geschrieben:

Hier habe ich noch weitere Arten von Bewegung aus gesundheitlichem Winkel erforscht. Im Zentrum steht für mich meist eine gesunde Haltung und ein ökologisches, also gelenk- und gewebeschonendes Bewegungsmuster:

Dann auch die Auswirkung von Bewegung zur Prophylaxe oder Therapie weiterer Krankheiten:

Und Auswirkung direkt auf Körpersymptome:

Hier finden Sie noch meinen speziellen Blog über Rolfing, Haltung, Bewegung mit Themen wie “Richtiges Stehen am Stehpult”, Probleme einer gespannten Extensorenschlinge, Kniegelenke schonen, HIIT – Ausdauer optimal trainieren, Wanderstöcke, flacher Bauch, Rucksack tragen,…

Letzte Aktualisierung durch Thomas Walser:
01. September 2024

Rolfing – Strukturelle Integration

Lass deinen Körper nicht zum Gefängnis werden.
Erobere deinen Raum und deine Möglichkeiten zurück!

Man kann nicht über den Körper hinausgehen, bevor man ihn nicht befreit hat (Ida Rolf).

„It’s not how deep you go,
it’s how you go deep“ (Ida Rolf)

Die Schüler kommen zum Lehrer und fragen ungeduldig, wann er Ihnen beibringt, wie die Revolution funktioniert.
Der Lehrer: “Wie sitzt ihr?!”

Kurzes Merkblatt übers Rolfing >>> rolfing-merkblatt

 Was ist das?

“Rolfing” wird nach seiner Begründerin IDA P.ROLF benannt. Sie arbeitete als Biochemikerin am Rockefeller-Institut der Columbia University.

Die Rolfing-Methode will dem Menschen helfen, im Gleichgewicht mit sich selbst und seiner Umgebung zu leben.
Der “Rolfer”/ die “Rolferin” versucht, das Verhältnis des ganzen Organismus zur Schwerkraft besser zu gestalten und setzt sich als Ziel, den aus der Form geratenen Körper wieder “ins Lot” zu bringen, um eine bessere Grundlage für die Gesamtpersönlichkeit zu schaffen. Wir lernen, unseren Körper als Ausdruck unserer Person zu erleben.
Rolfing ist eine “Strukturelle Integration” – mit Betonung auf “Integration”.

Der Rolfer bearbeitet das Bindegewebe, das den Körper umhüllt: Muskelhüllen, Faszien, Sehnen, Bänder, Knochenhaut, Organhüllen und Membranen – die Zeltschnüre des Körpers, wenn man Muskeln als Zeltplanen und Knochen als Zeltstangen betrachtet. Faszien sind zähe Häute aus Bindegewebe, die Knochen, Muskeln und Organe umschliessen und verbinden. Dieses dreidimensionale Netz verleiht dem Körper Zusammenhalt und Form und bestimmt seine Grundstruktur. Faszien tragen zur nötigen Spannung für aufrechtes Stehen und Gehen bei und entlasten so die Muskulatur.

Tensegrity – Konzept der kinetischen Ketten und myofaszialen Verbindungen

“Tensegrity” bezeichnet ein Bauprinzip der Architektur, das von Richard Buckminster Fuller in den 1960ern begründet wurde. Der Begriff steht für “tensional integrity”. Die Balance von Kompression und Zugspannung wird genutzt, um Strukturen zu bauen. Dies führt dazu, dass sie gleichzeitig leichter und stärker sind. Ein Beispiel für diese Bauweise ist die Kurilpa Bridge in Brisbane, Australien.

Tensegrity-Strukturen kombinieren Flexibilität, Widerstandsfähigkeit und Kraft mit einem Minimum an Energie- und Materialaufwand. Das menschliche muskuloskelettale Netzwerk kann als Paradebeispiel einer “Bio-Tensegrity”- Architektur betrachtet werden. Die körperliche Stabilität beruht nicht auf der Stärke von einzelnen Sehnen und Muskeln, sondern darauf, dass Kräfte durch das körperliche Netzwerk weitergeleitet und verteilt werden.

Copyright Robert Schleip, München

Physiologischerweise wird eine Spannungserhöhung in einer Muskel- Sehneneinheit an die Kette weitergeleitet – unter der Voraussetzung, dass die koordinative und neuronale Steuerung dies ermöglichen und die Weiterleitung nicht durch ungünstige Statik oder myofasziale Dysbalancen behindert wird. Funktioniert dieses Prinzip nicht, kommt es zur lokalen Überlastung.
Häufig findet man dann die grössten Auswirkungen einer Störung in diesem Zugspanungs-Netzwerk diagonal gegenüber (als Beispiel stört eine Blinddarmnarbe im rechten Unterbauch am stärksten im linken Schulter-Bindegewebsbereich).

Fernsehmitschnitt (MDR, 11.11.2010 – Hauptsache gesund) zum Thema Faszien und Rolfing mit faszinierenden Detailaufnahmen aus dem Inneren des Bindegewebes.

Faszinierende Faszien in einer ARTE-Doku: https://youtu.be/-f_Z6qxbhDo

aus DIE ZEIT, Nr. 45/2021

Schwerkraft

Eine besondere Rolle kommt der Schwerkraft zu, unter deren Einfluss wir uns ständig befinden. Faszien verkürzen und verhärten sich unter diesen Einflüssen. Da das Fasziennetz aus einem zusammenhängenden System von Bindegewebehüllen besteht, werden Fehlspannungen von einem Teil des Körpers zu einem anderen übertragen und beeinträchtigen so die Statik des ganzen Körpers. Der Körper gerät aus dem Gleichgewicht, was einen erhöhten  Kraftaufwand für aufrechte Haltung und Bewegung zur Folge hat. Dies führt wiederum oft zu Verspannungen, Ermüdung, vorzeitigen Abnutzungserscheinungen und Schmerzen.
Ida Rolfs grundlegende Erkenntnis war, dass sich das Spannungsmuster der Faszien durch eine ganz bestimmte Form der manuellen Behandlung dauerhaft verändern lässt.
Dabei werden mit präzisem und sensiblem Druck verklebte Bindegewebsschichten gelöst, Verkürzungen im Gewebe gedehnt und verhärtete Stellen geschmeidig gemacht. Im Mittelpunkt steht dabei nicht die Behandlung von Symptomen, sondern die Verbesserung der Statik des gesamten Körpers, maximale Aufrichtung und ökonomische Bewegungsformen (speziell zum Gehen/Laufen).
(Siehe dazu auch das Tonic Function Model von Hubert Godard: hubertgodard.pdf)

Rolfing ist ein wunderbares Konzept zur Gesundheitsförderung. Es konzentriert sich auf die Nutzung von Ressourcen, sodass Symptome wie Schmerzen oder Skoliose in den Hintergrund treten. Stattdessen rücken freie, ökonomische Bewegungen und Haltungen im Alltag in den Vordergrund. Dabei verschwinden die genannten Symptome oft nebenbei und sekundär.

Alltag als Übung

Bewusstseinsschaffung für diese neuen Haltungen und Bewegungen ist ein grosser Teil dieser Körpertherapie. Ökonomie der Bewegung ist das Ziel, Bewegungsintelligenz wird gefördert (>>>hier am Beispiel des Laufens erklärt).

Die Mitarbeit und Verantwortung des Klienten ist absolut gefordert.

Was können Sie im Rolfing gewinnen?

Bewusstheit im Alltag: die alltäglichen Bewegungen und Haltungen stehen bei mir im Zentrum (Stehen, Gehen, Sitzen, Liegen). Die Bewegungsintelligenz kann enorm wachsen.
Andere Kräfte neben der heute so allgegenwärtigen Muskelkraft (sprich Bodybuilding, Kraftraum, Fitness…) kennen lernen und gezielt einsetzen: Schwerkraft und Stützkraft der Erde (Gewicht und Gegenkraft) und die elastische Spannkraft des Bindegewebes, der gedehnten Faszien. Diese Kräfte sind “kostenlos”. Die Bewegung wird dadurch katzenhafter und mit mehr Schwung und Sanftheit federnder und entspannter (siehe dazu auch meine Seite zum Joggen und den Nature-Beitrag zur Galoppbewegung des Pferdes), ökonomischer und intelligenter. Die Bewegungsqualität kommt vom im Westen üblichen anpackenden, fixierten und eingeschränkten “To-do” zum “Not-to-do”, will heissen: Bewegung, die wie von selbst entsteht, mit Nachlassen der aktiven Spannung, geschmeidig.

“Meditative” Konzentration auf Gewicht spüren, auf Entspannung zu Beginn der Bewegung (anstatt die üblicherweise muskuläre Kontraktion), auf Dehnung, Verlängerung der Mittellinie, des körperlichen Innenraums (anstatt Verkürzung), also um passive Spannung (im Gegensatz zur aktiven Spannung, die verkürzt und staucht), auf Verbesserung des Gleichgewichts (des Gestütztwerdens, des Offenwerdens der Sinnesorgane Auge, Innenohr und Füsse).

Ein Gefühl für Gleichgewicht bekommen, d.h. vor allem in welcher Richtung mein Gewicht fällt, die Schwerkraft auf meinen Körper wirkt.
Dazu Folgendes: Ich höre in meinen Rolfingsitzungen immer wieder, dass es so  mühsam sei, „immer“ an die neuen Haltungen zu denken…
Ökonomische Alltagsbewegung und –haltungen sind ähnlich einer Meditation: Zuerst beginnt man achtsam bei beiden mit dem Einnehmen der neuen Haltung. Dieser bewusste Übergang braucht einen eigenen Raum und auch etwas Zeit. Nachher kann man nur noch die Früchte ernten und alles wird leichter. Die Bewegung geht wie von selbst, also ökonomisch weiter – und die Sitzposition zum Meditieren wird leicht und ruhig. Man kommt in seinen Flow.

Mit der Zeit (und nach einigen Rolfingsitzungen) fängt Ihr Körper an, gegen unökonomische Bewegungen und Haltungen zu rebellieren. Er fordert von selbst, d.h. durch Empfinden eines neuen, leichteren Körpergefühls, diese neu gelernten, ökonomischen, leichten, schwingenden, federnden, katzenartigen Bewegungen und Haltungen.
Weiterlesen >>> Übergänge-Zwischenräume

Bewegung aus Entspannung und von Innen

Sie lernen im Rolfing eine Bewegung, die durch Muskelentspannung ausgelöst  wird und nicht durch Muskelkontraktion. Dies ist eine katzenartige, geschmeidige Bewegung, die häufig durch unser Eigengewicht, die Schwerkraft startet.
Sie beginnt mit Entspannung.
Dies ergibt eine (Geh-) Bewegung aus den inneren, achsennahen  Muskeln mit ihrem Bindegewebe. Dies ist unser “Core” oder Kern. Er besteht aus dem dadurch aktivierten und lang gebliebenen Psoasmuskel (Schwingen der Beine hinten weit in den Bauch hinein von den Rippen her) und auch aus dem beim Joggen stets aktiven tiefsten Bauchmuskel Transversus abdominis und den kleinen direkt an der Wirbelsäule gelegenen Multifidi-Muskeln.
Die oberflächlichen Muskeln bleiben dabei entspannt. Diese oberflächlichen Haltemuskeln würden bei Aktivierung viel mehr zu Verspannungen und Verkürzungen neigen. Dies würde dann zu einer Kompression unseres Innenraums führen.
Sie erleben dabei das Gefühl, Ihr Körper laufe von selbst.

Zum “Tao und Zen” in der Strukturellen Integration und zum Komplementären von Yoga, Tai Chi, etc. siehe mein Blogbeitrag strukturelleintegration.info/2017/05/19/yoga-und-rolfing/

Stabilität durch Länge und aus dem Bindegewebe!

…und nicht aus Muskelkräftigung:
Die Stabilität und gleichzeitig Beweglichkeit unseres Körpers wächst mit der Länge des Gewebes und nicht mit der Stärke der Muskeln (was zur Verkürzung und Steifigkeit führen kann): Sie entsteht also besser aus der elastischen Spannkraft der “Bindegewebshülle” (Lesen Sie dazu meinen Blogbeitrag über das “Body Stocking”!).

Video über Rolfingarbeit (Astrid Widmer)

Was es nicht ist!

Rolfing ist kein esoterischer Gemischtwarenladen, kein Drive-in-Satori, kein Instant-Yoga, wo man nur hinzuliegen hat, durchgeknetet wird und als neuer Mensch rausgeht. Es ist nicht die Methode, die DIE Veränderung in Ihrem Leben bewirkt (wie viele erwarten). Rolfing ist keine Psychotherapie.

Körperarbeit im allgemeinen oder hier das Rolfing allein führt noch nicht zu Deinem “Wahren Selbst”. Sie kann aber sehr fruchtbar sein, wenn bereits die Voraussetzungen dazu vorhanden sind, aber körperlich-strukturelle Einschränkungen, wie Verpanzerung, Unflexibilität, Ungleichgewicht behindern.
Vor allem nützt sie kaum etwas bei der Selbstfindung, um einen persönlichen Mangel, eine Leere und das Fehlen einer Essenz im Leben zu beheben oder zu verdecken.
Dasselbe kann man über “Energiebefreiung” durch Rolfing sagen: Wenn man “Buddha-Natur” erreichen will, ist dies etwas viel Substantielleres und Tieferes als Energie (Chi, Prana, Kundalini, Shakti, Libido, Orgon…). Doch müssen all diese Energien erfahren und befreit sein, wenn jemand in der Lage sein soll, in den Bereich der “Essenz” zu gelangen. Dazu hilft auch wiederum das Rolfing.

Kurzum: Rolfing ist eine klar strukturell ausgerichtete Körpertherapie, was natürlich nie ausschliesst, dass nicht psychische, psychosoziale, energetische und Selbstfindungs-Dinge Raum haben und auch geschehen…

psychosomatische Aspekte

Wie steht’s? Wie geht’s?
Man fühlt sich belastet.
Jemand ist ein schlaffer Sack.
Man ist aufrichtig.
Man hat keinen Halt mehr.
Man steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden…
Man ist präsent.
Man ist blockiert oder in Bewegung.
Ich gehe dorthin, wo es mich (vom eigenen Körpergewicht) hin zieht.


(Copyright beim Cartoonisten/Illustrator)

Leichtigkeit und Gleichgewicht ergibt Inneren Frieden!


(Copyright beim Cartoonisten/Illustrator)

Lesen Sie mehr über den “Inneren Frieden” in meinem Blog:
walserblog.ch/2015/10/01/frieden/

Ist das nicht diese furchtbar brutale Körpertherapie?!

Ida Rolf war eine Visionärin, was die Rolle des Bindegewebes (des Fasziennetzes) im menschlichen Körper anbelangt. Sie bezog die Form des Körpers auf das Feld, in dem er sich befindet und dem er unterworfen ist: auf die Schwerkraft. Diese Ida Rolf war keine gute Pädagogin oder positiver ausgedrückt: ein sehr pragmatisch arbeitendes Genie (siehe auch ihr sehr unsystematisches Buch “Rolfing – strukturelle Integration”, Hugendubel) und konnte ihren direkten Schülern nicht deutlich weitergeben, was sie da tat. Diese Rolfer der 1.Generation kopierten deshalb ihren sehr kräftigen Arbeitsstil (man nannte sie auch “Miss elbow”!) ohne genau zu wissen, warum sie das taten.
So wurde dieses frühe Rolfing häufig zur “Widerstandsarbeit” und der Rolfer zum brutalen “Widerstandsbrecher”.
Heute ist auch der theoretische Hintergrund nachgearbeitet: Man “weiss, was man tut” und mit dem Widerstand wird sehr sorgfältig umgesprungen, d.h. auch viel sanfter gearbeitet!

“Haltung” hat nichts mit “Halten” zu tun!

Die Bewegung entsteht bei der “Tonic Function” (Hubert Godard) und bei der “Normal Function” (Hans Flury) – der Idealbewegung des Rolfings – aus den intrinsischen Tiefenmuskeln und ihres Bindegewebes (des sog. “Core” oder Kerns), was auch andere Konzepte als zentrales Element ihrer Methode betrachten (Spiraldynamik, Pilates, Feldenkrais, Alexander…).

Die Stabilisierung des Körpers geschieht durch Aktivierung dieser Kernstrukturen (Einschub für Mehrdenker: Mein Kollege und Scharfdenker Hans Flury würde hier sofort Einwände anbringen: Für ihn existiert in der Normal Function keine Stabilität, alles fliesst und das macht Angst und damit muss der Mensch leben lernen. Alle “gemachte” Stabilität ist unökonomisch, verkürzt, staucht…). Dr.med. Hans Flury orientiert sich konsequent an den Eckpfeilern der Strukturellen Integration nach Ida Rolf: die strukturelle Betrachtung des menschlichen Körpers, die Rolle der Schwerkraft und die Plastizität des Bindegewebes. Hubert Godard, der als ehemaliger Tänzer einen breiten Erfahrungshintergrund unterschiedlichster Bewegungsschulen (u.a. Alexander-Technik, Feldenkrais) besitzt, erweiterte die strukturelle Sicht- und Arbeitsweise des Rolf-Movement um neurologische, sozial-psychologische und künstlerische Gesichtspunkte. Er ist Professor für die Erforschung der menschlichen Bewegung an der Universität VII in Paris. Godard eröffnet unserem ursprünglich recht “statischen” Konzept ganz neue Dimensionen, indem er die Bedeutung der Koordination und der sensorischen Orientierung in die Behandlung des Fasziensystems mit einbezieht.

Normal Function (Flury) Tonic Function (Godard)
Physische Struktur Sensorische Struktur
Elastizität des Bindegewebes Tonische Funktion der Muskulatur
Physikalische Gesetze von Schwerkraft und Stützkraft Hirn-Nerven-Physiologie

(Tabelle aus Hans Georg Brecklinghaus, Atem Bewegung,
Handbuch für Strukturelle Integration, Freiburg 2007
)

Beide Ansätze ergänzen sich sehr gut und können je nach Situation und Klientel sehr spezifisch angewendet und kombiniert werden.

 Eine häufige Haltung in der 1. Welt

Die Abbildung des Mädchens zeigt deutlich die Problembereiche vor der 1.Sitzung: Das Gewicht (oder Lot) fällt insgesamt eher hinter der Mittellinie runter. Die Beine sind überstreckt, das Becken oben nach vorne gekippt. Die Bauchwand drängt vor. Der Brustkorb sackt zusammen und ist insgesamt nach hinten gekippt. Die Vorderseite des Körpers ist kürzer als die Hinterseite. Der Kopf muss mit einer starken Verschiebung nach vorne ausgleichen. Die Atmung ist dadurch sowohl im unteren Rücken, wie auch im oberen Brustkorb eingeschränkt.
Hier gleich eine Bemerkung aus der Praxis: Diese Betrachtungen am stehenden Körper sind mit Vorsicht zu geniessen. Ein wahres Bild einer Grundstruktur eines Menschen sieht man nur in Bewegung, v.a. im Gehen (Unterscheidung von Haltung (muskulär, schnell wechselnd) und Struktur (bindegewebig, nur langsam wechselbar: z.B. durch Rolfing eben…)).

Die Abbildung des Mädchens nach zehn Rolfing-Sitzungen zeigt die Veränderungen im Sinne einer integrierten Struktur. Sie sind in den Umrisszeichnungen durch die eingetragenen Achsen der grossen Körperblöcke verdeutlicht.
Im Idealfall verändert sich die Struktur in einer Serie von zehn Sitzungen hin zu horizontalen Körperebenen. Man würde aber die Integration erst in den (Alltags-)Bewegungen sehen, die geschmeidiger und katzenartig  v.a. mit elastischer Spannung des Bindegewebes und mit der Schwerkraft/Gewicht und nur minimal mit aktiver Muskelkraft ausgeübt werden können.

In der Regel besteht eine Behandlung im Rolfing aus einer Folge von etwa zehn aufeinander aufbauenden Sitzungen.
Die Körperstruktur ist nach einer solchen Serie besser geordnet. Aufrechte Haltung und Bewegung fallen leichter, der Brustkorb kann sich weiter dehnen und erlaubt eine freiere, tiefere Atmung. Fehlbelastungen von Gelenken und belastende Spannungsmuster im Gewebe sind verringert. Oft hat dies die Verminderung oder das Verschwinden von Schmerzen zur Folge. Patienten berichten meist von einem Gefühl der Leichtigkeit und des allgemeinen Wohlbefindens.
Dieses gute Körpergefühl kann sich auch auf die Psyche übertragen. Eine aufrechte und entspannte Haltung wirkt sich oft positiv auf das Selbstbewusstsein aus. “Mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen” gibt vielen Menschen ein Gefühl von Sicherheit und Ausgeglichenheit.

Besser  joggen

Wie läuft’s denn so?!
Gehen Sie Ihrem Jogging-Stil auf den Grund und optimieren Sie Ihr Training Schritt für Schritt. Für optimale Gelenkschonung und begeisternde Lauf-Effizienz gebe ich auch persönliche Tipps während eines Rolfingprozesses.

Empfehlen kann ich auch die Rolferin Astrid Widmer in Zürich, die das Joggen nach derselben “afrikanischen” Methode lernt: www.rolfingpraxis.ch!

>>> Mehr zur Haltung bei anderen Sportarten und -übungen: www.dr-walser.ch/haltung_im_sport/!

Faszien und Rückenschmerzen

Tatsächlich stehen die Faszien im Verdacht, chronische Schmerzen zu verursachen. Der Grund: Versteift sich das Bindegewebe, drückt es offenbar auf darin liegende Nerven und löst so mitunter qualvolle Pein aus. Kreuzschmerzen etwa sind vermutlich in vielen Fällen nicht auf abgenutzte Bandscheiben zurückzuführen, sondern auf eine versteifte Lendenfaszie.

Wie “trainiere” ich die Faszien am effektivsten?

Vor allem federnde und schwingende Bewegungen halten Faszien elastisch. Dazu braucht es keine eigentlichen “Übungen” – die Alltagsbewegung und -haltung sollte federnd und schwingend sein. Im Rolfing lernen Sie auch dies. Geduld ist dabei wichtig: Ein Effekt setzt erst nach mehreren Monaten ein.

Faszien und Nervensystem

Es hat sich gezeigt, dass während der Manipulation des Bindegewebes das (autonome) Nervensystem hochaktiv ist. Robert Schleip hat dies in einer spannenden Übersichtsarbeit zusammengefasst und verweist dabei auf die Präsenz von Mechanorezeptoren im Fasziensystem (v.a auf die interstitiellen Rezeptoren), aber auch auf neu entdeckte fasziale glatte Muskelzellen. Dies könnte die vom Behandler erlebte Faszienplastizität stimmig erklären. Es deutet auch auf einen engen Zusammenhang zwischen Faszien und Vegetativum hin. Faszien als Aussenstellen des autonomen Nervensystems. Jede Manipulation der Faszien ist vor diesem Hintergrund auch eine Einwirkung auf das Vegetativum und jede Veränderung des autonomen Nervensystems kann eine unmittelbare wie langfristige Veränderung im Faszientonus bewirken (www.somatics.de/Osteop_Mediz/Faszien.htm).
Literatur zum Verhältnis von Rolfing zur viszeralen Osteopathie: Peter Schwind, Faszien- und Membrantechnik, 2003, Urban & Fischer, München (www.muenchnergruppe.de).

Sehr lesenswert auch der Artikel von Hans Flury in Osteopathische Medizin (und Interview mit Peter Schwind).

Faszientraining

Neuerdings nennen viele Rolfer ihr Wirken auch “Faszientraining”.
Hier drei Beispiele:

  1. Robert Schleip: “Faszien Fitness”, Riva
  2. und hier auf meiner Website ein PDF-Dokument als Selbstanleitung: www.dr-walser.ch/faszientraining.pdf .
    Dazu nur soviel: Das Wichtigste im Rolfing sollte die Integration unseres Körpers sein – und diese wird durch diese Faszienübungen kaum verbessert. Für meine Ansicht der Dinge sind die Übungen auch zu wenig präzis erklärt, auf was es exakt ankommt, will man wirklich die Faszien in erster Linie trainieren (und nicht vor allem die Muskeln).
  3. Das “Falten gegen die Wand” von Hans Flury, eine fast schon optimale Übung zum “Faszientraining”: www.dr-walser.ch/falten_gegen_eine_wand.pdf .
    Eine weitere wunderbare alltäglich begleitende Übung kann der “Flight of the Eagle” sein: Anleitung.

Bewegung aus dem Fasziennetz

Einschub: Raubtiere, Katzen bewegen sich vor allem aus dem Bindegewebe!

Zum Beispiel lassen Katzen sich beim Springen zuerst in das elastische Netz (oder die Feder) ihres Bindegewebes fallen und lassen sich dann spielend, leicht hinauskatapultieren.

Schwung im Galopp durch Katapult-Muskeln

Amüsantes aus Nature 421, 35-36 (2003):
Als Alan Wilson vom Royal Veterinary College in Hatfield vor drei Jahren mit seinen Studenten die Leistung von Pferdemuskeln berechnete, kam die Gruppe zu einem überraschenden Schluss: Bewegen sich Pferde nur mit Muskelkontraktion, scheint ihr Bewegungsapparat für einen Galopp mit einer Geschwindigkeit von über 40 Kilometern pro Stunde zu schwach. Daher suchten die Forscher nach einem weiteren Antriebsmechanismus – und wurden fündig. Pferde können demnach ihre Muskeln und Sehnen wie Gummibänder spannen Anmerkung Thomas Walser: Dies impliziert das alte Knochen/Muskel-Modell des Körpers – Falls Wilson Ida Rolf kennen würde, dächte er vielleicht auch an die elastische Spannkraft des Bindegewebes, des Fasziennetzes!), die gespeicherte Energie schlagartig entladen und diese “Katapulte” zur Beschleunigung einsetzen.
Für die Untersuchungen liessen die Wissenschafter Pferde auf Kraftmessplatten, die präzise den Druck der Hufe auf den Untergrund messen, traben und filmten die Tiere beim Galopp auf einem Laufband. Aus den so gewonnenen Daten berechneten sie den Bewegungsablauf für ein Vorderbein. Dabei bezogen sie die Winkel aller Gelenke, die Kräfte, die auf Muskeln und Sehnen einwirkten, sowie die Beschleunigung der verschiedenen Teile des Beins in die Rechnung ein. Als die Forscher die Bewegung anschliessend in einem Computer simulierten, entdeckten sie den Katapult-Mechanismus: Während der Vorderhuf des Pferdes aufgesetzt ist und sich der Oberkörper im Schwung über diesen hinweg nach vorne schiebt, werden die Muskeln und Sehnen gedehnt. Die dabei gespeicherte Energie wirft das Bein anschliessend katapultartig nach vorne und macht es damit bereit für den nächsten Schritt. Nur so könnten Pferde die schnelle Schrittfolge bei einem Galopp durchhalten, erklärt Wilson. Die Katapult-Muskeln, die einen hohen Anteil an langfaserigem Kollageneiweiss enthalten, das sich gut dehnen lässt, produzieren laut den Berechnungen der Forscher rund hundertmal mehr Leistung als ein nur über Muskelkontraktionen funktionierender Bewegungsapparat. Auch bei Kamelen und Straussen vermutet das Team einen ähnlichen Mechanismus. Schliesslich hätten alle grossen und langbeinigen Tiere das Problem, dass grosse Muskeln langsamer und weniger effizient sind als kleine, erklärt Wilson.
Selbst der Mensch könnte seine Muskeln und Sehnen als Gummibänder gebrauchen, vermutet er. Auf ihren Kraftmessplatten und Laufbändern schreiten und rennen deshalb – ausser Pferden, Straussen und Kamelen – auch Versuchspersonen. Haben also Katapulte den Weltrekordhalter Tim Montgomery in 9,78 Sekunden über die 100-Meter- Distanz geschleudert? In einigen Jahren sollte die Antwort hierauf bekannt sein, hofft Wilson im Artikel von Nature… Würde er Rolfing kennen, hätte er die Antwort bereits heute zur Hand!

Und dann dasselbe beim Menschen im Jahr 2008:
“Auf den Spuren der Rumpfmuskeln” erschien im Schweiz.Med.Forum: www.dr-walser.ch/rumpfmuskeln.pdf .
Was mir dabei ins Auge gestochen ist:
“Dabei zeigt sich, dass die Rumpfmuskulatur beim Patienten mit chronischen Rückenschmerzen tendenziell früher aktiviert wird – und nicht verspätet!”
Und dann den Schluss daraus: “Übungen zur Stabilisierung der Wirbelsäule (gemeint ist das Auftrainieren der Mm. obliquus ext., obl.int. und des transversus abdominis – Zitat: “Bei Bewegungen des Rumpfes werden diese Muskeln vorsorglich aktiviert, um der Wirbelsäule zusätzlichen halt zu geben.”) stellen bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen indessen nach wie vor eine sinnvolle therapeutische Intervention dar.”
Man könnte diese Resultate aber auch ganz anders interpretieren. Im Rolfing unterscheidet man ein allgemeines Prinzip der optimalen Bewegung und auch Haltung, eine allgemeine Bedingung wäre besser, und eine kleine Zahl spezieller Bedingungen (die nicht ganz immer eingehalten werden können). Die allgemeine: Jede Bewegung wird durch selektive Reduktion von aktiver Spannung ausgelöst. Allgemein und physikalisch korrekt: Jede Zustandsänderung (Beschleunigen, Bremsen, Richtungsänderung) des Körpers oder eines beliebig kleinen Teils des Körpers wird durch eine Nettokraft bewirkt, die bei selektiver Reduktion von aktiver Spannung in Erscheinung tritt. Diese Nettokraft ist immer die Schwerkraft oder die elastische Kraft gedehnter Faszien oder beides.
Beim optimalen Stehen geben in einer leichten Faltung die gedehnten Faszienschlingen so dem Körper den Halt wie gespannte Gummibänder – und nicht die Rumpfmuskeln (siehe genauer zusammengefasst hier: www.dr-walser.ch/oekonomie_der_bewegung.pdf).

Manchmal muss man die allgemein gültige Ansicht verlassen und das Ganze mit mehr Distanz betrachten. Es geht dabei aber ein Bruch auf (nach Bachelard: siehe dazu mein Gespräch mit dem Hans Flury: www.dr-walser.ch/hansflury/!), der für uns Wissen-schafter schwer zu ertragen ist.

Weitere Körperarbeit als Ergänzung

Man kann überspitzt sagen, dass wir durch dieses Intrinsisch-Werden der Bewegung, durch die Aktivierung der Kernstrukturen und durch die Verbesserung des Gleichgewichtes in der “Normal Function” des Rolfings  “kostenfrei” auch die spiralige Verschraubung der Körperstruktur erreichen, die im Konzept der Spiraldynamik angestrebt wird.
Sie ist eine wunderbare Ergänzung zum Rolfingprozess: Stabilität und Flexibilität kann dadurch noch zunehmen.
Umgekehrt profitiert die Spiraldynamik durchs Rolfing in besserem Gleichgewicht und in der Verlagerung auf die intrinsische Bewegung.

Dies kann man auch über sehr gut angeleitetes Pilates, Feldenkrais und die Alexandertechnik behaupten.

Die hoch besungene “Stärkung” dieser Rumpfstabilisatoren (Tiefenmuskeln) erreicht man übrigens frank und frei mit gut ausgeführtem Joggen – oder auch mit Wandern/Gehen/Flanieren oder (fischähnlich gutem) Crawlen!

Yoga, Tai Chi, … als Ergänzung

Dazu Lesen Sie mehr in meinem Blogbeitrag strukturelleintegration.info/2017/05/19/yoga-und-rolfing/.

Myofasziale Triggerpunkttherapie als Ergänzung

Seit den grundlegenden Arbeiten von Travell und Simons (“Myofascial Pain and Dysfunction”, Williams & Wilkins, Baltimore, 1983/92) existiert ein neues Paradigma der Schmerzmedizin: Viele Bewegungsapparat-Schmerzen haben ihren Ursprung in der Muskulatur. Durch Überlastung oder Überdehnung können in einem Muskel Zonen unbeweglicher Zellen entstehen, die schlecht durchblutet und daher schmerzhaft werden. Diese erkrankten Muskelstellen lassen sich tasten:
Hartspannstränge mit empfindlichen Stellen (sog. Triggerpoints). Dort lässt sich ein Schmerz provozieren, der oft in andere Körperregionen ausstrahlen kann (sog. Referred pain). Durch geeigneten manuellen Druck und Dehnung dieser Triggerpunkte, zusammen mit Faszientechnik, passiver und aktiver Dehnung des ganzen Muskels lässt sich der Schmerz und zusammenhängende vegetative und neurologische Symptome auch nach langer Zeit wieder beseitigen.
Damit können häufig auch unklare Schmerzzustände (wie chronische Kopfschmerzen, Zustände nach Schleudertrauma, chronische Prostatitis und andere Beckenschmerzen (auch Dysmenorrhoe), Gesichtsschmerzen (auch Kieferschmerzen oder Glossitis), Karpaltunnelsyndrom,
Tennis- oder Golfer-Ellbogen, chronische Achillessehnenschmerzen, etc. gelöst werden. Es ist aber sehr wichtig, dass man durch diese lokale Therapie die Gesamtintegration des Körpers nicht stört, d.h. es erfordert auch eine Kombination von lokaler Arbeit mit der strukturellen Integration (Rolfing!). Diese Technik, die neben dem Bindegewebe (im Rolfing) auch den Muskel einbezieht und damit ergänzend wirkt, habe ich im IMTT gelernt (www.imtt.ch).

Beispiel einer Schmerzausstrahlung (hier aus Triggerpunkten der Scalenimuskel):

Evidenz / Forschung:

    • Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz, Embodiment und in Biorobotik (v.a. durch das Team von Prof.Dr. Rolf Pfeifer, Universität Zürich, Dep. of Informatics: www.ifi.unizh.ch/ailab/ – sehr spannend sein Buch “How the Body Shapes the Way We Think, a New View of Intelligence”) ergaben sehr ökonomische und menschliche Bewegungen von einfachsten Robotern mit den Rolfing-Prinzipien der Bewegung. Im Gegensatz dazu laufen die kompliziert Hirn-gesteuerten Roboter, z.B. von Sony, völlig unnatürlich und mit enormen Energieverbrauch.
    • Rückenschmerzen und keine Ende?
      Führt das Wuchten des Kühlschranks beim Umzug zwangsläufig zu Rückenschmerzen? Ist Bettruhe bei Beschwerden im Kreuz wirklich die beste Therapie? Und sind Röntgenaufnahmen und bildgebende Verfahren die Ultima ratio aller Diagnostik? Maurits W. van Tulder vom Vrije University Medical Centre in Amsterdam ist daran gelegen, einige verbreitete Mythen und Halbwahrheiten zu korrigieren, die sich um Rückenschmerzen ranken (M.W. van Tulder, Schwerpunkt: Rückenschmerz: Die Behandlung von Rückenschmerzen Mythen und Fakten, Der Schmerz 6/2001).
      Er berichtet, dass nur sehr wenige der herkömmlichen Therapieansätze wirklich halten, was sie versprechen. So konnte nachgewiesen werden, dass Bettruhe, Physiotherapie (Krankengymnastik) und Übungstherapie bei akuten Schmerzen wirkungslos bleiben. Dies gilt übrigens auch für Akupunktur. Bei chronischen Verläufen ist eine Intervention mit Antidepressiva und Akupunktur ebenfalls unwirksam.
      Also Schmerzen und kein Ende? Als gesichert gilt, dass die Behandlung akuter Rückenschmerzen mit entzündungshemmenden und entspannungsfördernden Medikamenten den Krankheitsverlauf verkürzen und chronische Verläufe verhindern hilft. Trotz aller Beschwerden sollte auf Bewegung nicht verzichtet werden – vor allem bei chronischen Schmerzen sollte der Behandlungsschwerpunkt auf aktiven Übungen liegen. Auch verhaltenstherapeutische Anwendungen und gemischte Behandlungsprogramme (Chirotherapie/manuelle Eingriffe, wie Rolfing oder Triggerpunkttherapien in Kombination mit Rückenschulung/Haltungs- und Bewegungsverbessernde Massnahmen (wie ich dies z.B. in meine Rolfingsitzungen integriere) erwiesen sich als zielführend.
    • Laufen oder joggen fördert die menschliche Evolution – Forscher überprüften, welche charakteristischen Merkmale das Laufen ermöglicht hatten. Dazu gehörte die Entwicklung von langen, federartig arbeitenden Sehnen ( > Bindegewebsfaszien als Ausläufer ), die besonders Energie sparend sind. Muskeln sorgen dann für die Stabilisierung des Körpers beim Laufen (D.M.Bramble, D.E.Liebrman, Endurance running and the evolution of Homo; Nature 432,345-352, 18 Nov 2004).
    • Integrative Programme gegen chronische Rückenschmerzen, die Arbeitsplatzinterventionen (Ergonomie, Alltagshaltungen), kognitive Elemente und direkte Arbeit am Patienten beinhalten, sind viel effektiver als die Arbeit am Patienten allein: siehe hier: wonca-bmj-340.htm
      Auch bei Nackenschmerzen nachgewiesen: Bei hartnäckigen Nackenschmerzen sollte man nicht gleich zu Schmerzmitteln greifen. Besser sind Übungen, die man bis zu achtmal täglich macht. Auch Wirbelsäulen- Manipulation durch eine Fachperson, etwa einen Physiotherapeuten, half besser als Medikamente.
      Das zeigt eine Studie der Northwestern Health Sciences University in Bloomington (USA) mit fast 300 Teilnehmern (Annals of Internal Medicine, 2012 Jan 3;156(1 Pt 1):1-10).
    • Evid Based Complementary Altern Med. 2014 Jul 2. pii: 2156587214540466: Gait Changes Following Myofascial Structural Integration (Rolfing) observed in children with Cerebral Palsy. Hansen AB et al.
      Abstract: Children with spastic cerebral palsy experience difficulty with ambulante ation. Structural changes in muscle and fascia may play a role in abnormal gait. Myofascial structural integration (Rolfing) is a manual therapy that manipulates muscle and soft tissues to loosen fascia layers, reposition muscles, and facilitate alignment. This study aimed to document gait characteristics of 2 children with cerebral palsy and (2) effects of myofascial structural integration on their gait. Children received 3 months of weekly therapy sessions by an experienced practitioner. Gait parameters were recorded at baseline and after treatment using an electronic walkway. Children with cerebral palsy demonstrated abnormal velocity and cadence, decreased step length and single support times, and increased double support time. After treatment, both children demonstrated improvement for 3 months in cadence and double support time. The objective gait analyses demonstrated temporary improvements after myofascial structural integration in children with spastic cerebral palsy. © The Author(s)
    • Front Pediatr. 2015 Sep 10;3:74. doi: 10.3389/fped.2015.00074. eCollection 2015. Myofascial Structural Integration Therapy on Gross Motor Function and Gait of Young Children with Spastic Cerebral Palsy: A Randomized Controlled . Loi EC et al.
      Abstract: Though the cause of motor abnormalities incerebral palsy is injury to the brain, structural changes in muscle and fascia may add to stiffness and reduced function. This study examined whether myofascial structural integration therapy, a complementary treatment that manipulates muscle and fascia, would improve gross motor function and gait in children <4 years with cerebral palsy. Participants (N = 29) were enrolled in a randomized controlled trial (NCT01815814) or Open Label Extension. The main outcome was the Gross Motor Function Measure-66 assessed at 3-month intervals. Gait (n = 8) was assessed using the GAITRite(®) electronic walkway. Parents completed a survey at study conclusion. Comparing Treatment (n = 15) and Waitlist-Control groups (n = 9), we found a significant main effect of time but no effect of group or time × group interaction. The pooled sample (n = 27) showed a main effect of time, but no significantly greater change after treatment than between other assessments. Foot length on the affected side increased significantly after treatment, likely indicating improvement in the children’s ability to approach a heel strike. Parent surveys indicated satisfaction and improvements in the children’s quality of movement. MSI did not increase the rate of motor skill development, but was associated with improvement in gait quality.
      PMID: 26442234 [PubMed]
    • J Phys Ther Sci. 2017 Jun;29(6):1010-1013. doi: 10.1589/jpts.29.1010. Epub 2017 Jun 7.
      Influence of structural integration and fascial fitness on body image and the perception of back pain. Baur H et al.
      Department Sport Science, University Innsbruck, Austria.

      Abstract: [Purpose] The aim of this study was to examine the influence of Structural Integration and Fascial Fitness, a new form of physical exercise, on body image and the perception of back pain. [Subjects and Methods] In total, 33 participants with non-specific back pain were split into two groups and performed three sessions of Structural Integration or Fascial Fitness within a 3-week period. Before and after the interventions, perception of back pain and body image were evaluated using standardized questionnaires. [Results] Structural Integration significantly decreased non-specified back pain and improved both “negative body image” and “vital body dynamics”. Fascial Fitness led to a significant improvement on the “negative body image” subscale. Benefits of Structural Integration did not significantly vary in magnitude from those for fascial fitness. [Conclusion] Both Structural Integration and Fascial Fitness can lead to a more positive body image after only three sessions. Moreover, the therapeutic technique of Structural Integration can reduce back pain.
      PMCID: PMC5468186 Free PMC Article
    • Wilczyński J, Habik Tatarowska N, Mierzwa Molenda M. Deficits of Sensory Integration and Balance as Well as Scoliotic Changes in Young Schoolgirls. Sensors (Basel). 2023 Jan 19;23(3):1172. doi: 10.3390/s23031172. PMID: 36772216; PMCID: PMC9919114.
      Abstract:
      The aim of this study was to assess the relationship between sensory integration and balance deficits as well as scoliotic changes in young schoolgirls. The study comprised 54 girls aged 11 years with scoliotic changes. The Clinical Test of Sensory Integration and Balance of the Biodex Balance System platform were used to analyze the deficits in sensory integration and balance. Scoliotic changes were assessed using the Diers Formetric III 4D optoelectronic method. In the present study, there was a significant relationship between sensory integration and balance deficits as well as spine curvature angle (°) (p = 0.01), vertebral surface rotation (°) (p = 0.03), pelvic tilt (°) (p = 0.02), and lateral deviation (mm) (p = 0.04). The integration of the sensory systems has a positive effect on the structure of the intended and controlled movement as well as body posture and the development of the spine. In the treatment of scoliotic changes, one should also consider exercises that improve sensory integration as well as position and balance reactions.
      https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9919114/
    • J Clin Med. 2022 Oct 5;11(19):5878. doi: 10.3390/jcm11195878.
      Influence of Rolfing Structural Integration on Active Range of Motion: A Retrospective Cohort Study, Andreas Brandl et al.

      Abstract:

      Background: Recent work has investigated significant force transmission between the components of myofascial chains. Misalignments in the body due to fascial thickening and shortening can therefore lead to complex compensatory patterns. For the treatment of such nonlinear cause-effect pathology, comprehensive neuromusculoskeletal therapy such as the Rolf Method of Structural Integration (SI) could be targeted.
      Methods: A total of 727 subjects were retrospectively screened from the medical records of an SI practice over a 23-year period. A total of 383 subjects who had completed 10 basic SI sessions met eligibility criteria and were assessed for active range of motion (AROM) of the shoulder and hip before and after SI treatment.
      Results: Shoulder flexion, external and internal rotation, and hip flexion improved significantly (all p &lt; 0.0001) after 10 SI sessions. Left shoulder flexion and external rotation of both shoulders increased more in men than in women (p &lt; 0.0001) but were not affected by age.
      Conclusions: An SI intervention could produce multiple changes in the components of myofascial chains that could help maintain upright posture in humans and reduce inadequate compensatory patterns. SI may also affect differently the outcome of some AROM parameters in women and men.


    • www.rolfing.ch/faszienforschung/

 Weitere Links

26minütiges Video von Mathias Avigdor, Rolfer in der Westschweiz  – u.a. auch Interview mit Hubert Godard: rolfing: 26 minütige Präsentation auf Deutsch

Schweizerisches Rolf-Institut: www.rolfing.ch
Europäisches Rolf-Institut: www.rolfing.org
Internationales Rolf Institute in Boulder: www.rolf.org

Einige Punkte der strukturellen Bewegungslehre (Normal Function von Flury) und das Tonic Function Model von Hubert Godard.

Die Laufhaltung als Beispiel einer ökonomischen Bewegung.

Zur Haltung bei anderen Sportarten und Körperübungen lesen Sie hier mehr: www.dr-walser.ch/haltung_im_sport/!

Und hier ein Gespräch mit Hans Flury über Theorie und Praxis des Rolfings.

Und hier noch von Wolf Wagner (auf englisch) eine Einführung der wichtigsten Fragen, die die Theorie der “Strukturellen Integration” absteckt!

Und auf meiner Website über das Gleichgewicht und über den Rundrücken – und in meinem Blog u.A. über das Tao und Zen im Rolfing oder über den “schönen flachen Bauch”.
Zur Achtsamkeit im Alltag (in der alltäglichen Bewegung und Haltung).

Video über meine Rolfingkollegin Astrid Widmer bei der Arbeit

Literatur:

Ein sehr gutes Übungsbuch der “Normal Function”, d.h. ökonomischen Alltagsbewegung: Die neue Leichtigkeit des Körpers, Dr.med.H.Flury, Rolfer und Arzt (PDF hier).

Hubert Ritter: “Rolfing – Strukturelle Integration”,
München 2012, ISBN: 978-3-9812781-1-8

Faszien als sensorisches und emotionales Organ – Faszien als Sinnesorgan von Robert Schleip, Katja Bartsch

Sammlungen von Rolfing-spezifischen Arbeiten im Internet:
rolf.org/
pedroprado.com.br/
resourcesinmovement.com/articles-archive/

Veröffentlicht am 26.06.2017 von Dr.med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
19. April 2024

Wie gesund lebe ich?

Eine Anleitung zur Überprüfung des Gesundheitsverhaltens

Der Dalai Lama wurde gefragt, was ihn am meisten überrascht: “Der Mensch, denn er opfert seine Gesundheit, um Geld zu machen. Dann opfert er sein Geld, um seine Gesundheit wiederzuerlangen. Und dann ist er so ängstlich wegen der Zukunft, dass er die Gegenwart nicht geniesst. Das Resultat ist, dass er nicht in der Gegenwart lebt. Er lebt, als würde er nie sterben. Dann stirbt er und hat nie wirklich gelebt.”

Verwandte Seiten: Salutogenese, Kohärenzgefühl, Das Leben wieder geniessen, Krebsheilung, Art of Aging (Wie kann ich gesund alt werden!), Entspannung/Meditation, Guter Sex/Gute Beziehung, Lebendigsein!
Fragen, die zu Dir führen! Und noch mehr Fragen!

Bereits in der hippokratischen Medizin der Antike glaubte man, dass jeder Mensch auf seine Weise krank wird. Damals war man überzeugt, dass Gesundheit stark mit der Lebensweise zusammenhängt.
Man nahm an, dass der Mensch gesund bleibt, wenn er ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhen und Arbeiten, Schlafen und Wachen, sowie einen ausgeglichenen Gefühlshaushalt wahrt. Es ging um ein Gleichgewicht, das der Körper stets neu herstellen muss. Schon in der Antike erkannte man den Zusammenhang zwischen Körper und Seele, zwischen Krankheit und psychosozialem Umfeld.
Wir sollten Gesundheit als Grundbefähigung und innere Bewältigungsfähigkeit sehen. Gesundheit bedeutet dynamische Anpassung und Transformation, die es Menschen ermöglicht, auch unter widrigen Umständen lebenswichtige Ziele zu erreichen.
Gesundheit also als Resilienz? Ich sehe das weniger statisch. Gesundheit ist nicht die Fähigkeit, zu einem ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Der Mensch entwickelt sich immer weiter, er muss sich verändern. Gesundheit ist kein Zustand, sondern eine Ressource, die sich unter Belastungen zeigt. Es geht um Entwicklungs- und Bewältigungspotenzial.
Betrachten wir die Trauer. Man kann nicht sagen: „Ich habe einen Verlust erlebt, jetzt muss ich Trauerarbeit leisten, und dann geht es mir wieder wie vorher. “ Es wird nie mehr wie vorher sein! Die Trauer verändert den Menschen, seine Lebensziele, sein Bewusstsein, sein Verhältnis zur Welt. Der Mensch entwickelt sich ständig weiter. Nur wenn der Trauernde seine Fähigkeit zur Entwicklung verliert, indem er sich zurückzieht und handlungsunfähig wird, verliert er seine Anpassungsfähigkeit und gerät in einen krankhaften Zustand.

Ein Mensch kann also gesund sein, selbst wenn er nicht mehr wie früher funktioniert – solange er einen Umgang damit findet. Wenn wir Gesundheit fördern wollen, müssen wir die Menschen befähigen, mit den Schwankungen des Lebens zurechtzukommen und erfolgreich mit der Welt zu interagieren. Jeder Mensch hat grundsätzlich das Potenzial dazu.

Lebe massvoll, lustvoll, natürlich und mit viel Bewegung!

Eine Untersuchung der Harvard Medical School, eine der längsten (60 Jahre Beobachtung) und umfassendsten Forschungen zur menschlichen Entwicklung, zeigt:
Wir können zu grossen Teilen selbst bestimmen, ob wir gesund bleiben und wie wir altern!
Was unterscheidet denn Menschen, die im Alter von 60 bis 80 zufrieden und gesund sind (Happy-Well) von den traurigen Kranken (Sad-Sick)
George E. Vaillant et. al. (Aging Well. Little, Brown & Company, Boston 2002, ISBN 0-316-98936-3).

Sieben Faktoren sind wichtig:
Tabakabstinenz (“wahrscheinlich der wichtigste Faktor!”),
gesundes Gewicht / gesunde Ernährung,
wenig Alkohol,
regelmässige Bewegung,
solide Liebesbeziehung
,
erwachsener Umgang mit emotionalen Konflikten und Stress,
lange und gute Ausbildung
(sich ein Leben lang wundern!),
nicht aber Geld/Vermögen
und auch nicht die Gene!

Aus dem eben Gesagten kann man schliessen, dass Gewissenhaftigkeit (Selbstkontrolle, Pflichtbewusstsein…) eine der wichtigsten Faktoren zur Erlangung von Gesundheit ist. Neben dem, dass gewissenhafte Menschen weniger rauchen und Alkohol trinken und massvoller essen, gelingt es ihnen, sich bessere Lebensbedingungen zu erarbeiten. Wer schon in der Kindheit selbst-diszipliniert zu Werke geht, bekommt eher gute Noten, schafft eher eine anspruchsvolle Ausbildung und wohnt in einer gesünderen Umgebung.
Die Selbstkontrolle und – damit zusammenhängend – “Alles mit Mass!” ist also der wahre Glücklich-Macher. Selbstkontrolle macht Kinder im späteren Leben stark. Leute mit viel Selbstkontrolle führen im Schnitt bessere und längere Beziehungen als Menschen, die sich weniger im Griff haben. Sie werden mehr gemocht und anerkannt. Sie sind weniger gestresst, fühlen sich weniger schuldig, können sich besser an neue Situationen anpassen und sind weniger beratungsresistent. Sie begehen auch weniger Verbrechen. Sie überwinden sogar Vorurteile besser. Und, nach all dem, nicht überraschend: Sie leben länger.(Roy Baumeister: Die Macht der Disziplin. Campusverlag, 2012)

Alles schön und gut: Aber eine Überdosis Disziplin ist nicht mehr gesund!

Siehe dazu auch mein Blogbeitrag über Cortisol bei zu starker Disziplin!
Wichtig ist der Wechsel von Spannung und Entspannung, von Kontakt und Rückzug, von Selbstkontrolle und Genuss! Eine eigentliche Rhythmisierung unseres Lebens. Es gibt also auch die Rückseite der Medaille durch eigentliche “Selbstknechtung”, was in Stress, Depression und Burnout enden kann. Deutungshilfe bietet der deutsche Philosoph Byung-Chul Han. Laut Han hat sich der Westen von einer Kontroll- in eine Leistungsgesellschaft umorganisiert (siehe dazu den spannenden Bericht aus dem Tages-Anzeiger).

Dazu passt, dass grosse Studien bei Ausdauersportarten zeigen, dass ein Wechsel von kurzen, sehr intensiven Trainingseinheiten und längeren langsame, ja bedächtige Einheiten für die Gesundheit optimal ist. >>> strukturelleintegration.info/2017/06/02/ausdauer/).
Zudem ist für die Gesundheit – und wir sprechen hier nicht über die Ausdauer – die Häufigkeit der Bewegung wichtiger als die Intensität oder die Dauer! „Mässig, regelmässig“ ist also die Devise.

Zudem wird immer mehr klar, dass Selbstkontrolle und Disziplin beim Gesundheitsverhalten zu eng gesehen wurden. In vielen Studien zeigte sich, dass Selbstkontrollierte zwar mehr Sport treiben, gesünder essen, sich weniger von der Arbeit abhalten lassen und bessere Leistungen erzielen – aber nur, sofern sie feste Gewohnheiten haben! Sie essen fast täglich zur gleichen Zeit, treiben Sport zu festen Zeiten und gehen fast täglich immer zur gleichen Zeit schlafen. Leute mit hoher Selbstkontrolle strukturieren ihr Leben so, dass sie gar nicht erst in Not kommen, sie anwenden zu müssen.

Willenskraft? Selbstkontrolle? Nein: Gewohnheiten!

Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft und unsere Selbstkontrolle. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.

Kurzum: Unerwünschtes Verhalten zu unterdrücken, nützt mal wieder sehr wenig. Und: Was man nicht gerne macht, sollte man automatisieren!

Zur Selbstoptimierung noch mehr hier unten!

Gesund zu leben, zahlt sich aus

Eine gesunde Lebensweise senkt das Risiko für chronische Krankheiten noch deutlicher als bislang vermutet:

Wer noch nie geraucht hat, viel Obst, Gemüse und dafür wenig Fleisch isst, kein massives Übergewicht hat und sich pro Woche mehr als drei Stunden bewegt, reduziert im Vergleich zu Menschen mit gegenteiligem Verhalten sein Erkrankungsrisiko um 80 Prozent. (Langzeitstudie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung mit mehr als 25’000 Teilnehmern, 2009).
Im Einzelnen sinken bei einer derart bewussten Lebensweise das Diabetes-Risiko um 93 Prozent und die Gefahr eines Herzinfarkts um 81 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu erleiden, vermindert sich immer noch um die Hälfte und das Krebsrisiko um 36 Prozent.
Wer einen BMI unter 30 aufweist, vermindert allein dadurch sein Risiko für chronische Krankheiten um mehr als die Hälfte. Wer darüber hinaus auch in seinem Leben noch nie geraucht hat, senkt die Gefahr, chronisch zu erkranken, sogar um 70 Prozent. Aber auch Raucher und Ex-Raucher können ihr Risiko durch eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und ein normales Körpergewicht um bis zu 70 Prozent senken.

Eigene Einschätzung Ihres Gesundheitsverhaltens

Sie finden hier eine Sammlung von Aspekten, die Sie anregt, über Ihr Verhalten und Ihre Lebensführung nachzudenken.

Gefühle und Gedanken | Kreativität | Entspannung/Schlaf | Erholung im Urlaub | körperliche Aktivität | körperliche Fürsorge | Ernährung | Produktivität/Arbeit | Wohnen | Beziehung | Umweltbewusstsein | soziales Interesse | Lebenszufriedenheit | speziell für Männer | speziell für Lehrer/Betriebsleiter/Politikerspeziell für Kinder

1. Wahrnehmen und Ausdrücken von Gefühlen und Gedanken

  • Zuerst einmal ist mir klar, dass meine Gedanken meine Gefühle beeinflussen und somit massgeblich mein Verhalten, wenn ich es zulasse.
  • Gedanken sind erst einmal nur Gedanken und keine Fakten! Nicht was wir denken ist das Problem, sondern wie wir unsere Gedanken beurteilen.
  • Kann ich wahrnehmen, welche Gedanken und Gefühle mir gut tun – und kann ich dann bewusst wählen, diese zuzulassen.
  • Was ist meine Strategie, wenn ich mich schlecht fühle?
  • Meist ist mir bewusst, was ich gerade fühle und empfinde.
  • Wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin, kann ich dies ausdrücken.
  • Ich fühle mich frei, anderen meine Gefühle mitzuteilen.
  • Für mich ist es in Ordnung, sowohl heiter und fröhlich als auch ängstlich, traurig und ärgerlich zu sein.
  • Ich kann anderen verständlich machen, was ich empfinde.
  • Es beunruhigt mich nicht, wenn ich manchmal auch heftige Gefühle habe.
  • Ich freue mich über Zuwendung, Anerkennung und Lob von anderen.
  • Wenn ich traurig bin, gestatte ich es mir, zu weinen.
  • Ich nehme es wahr, wenn andere bedrückt sind.
  • Meine Ansichten und Interessen kann ich auch Menschen gegenüber vertreten, die sehr sicher auftreten.
  • Ich kann Sexualität und Intimität geniessen.
  • Ich kann freundlich zu Mitmenschen sein – auch geben/schenken ohne eine Gegenleistung zu erwarten, einfach so (zu Kindness hier weiterlesen).
  • Wenn ich Hilfe brauche, suche ich sie bei Freunden oder Fachleuten.
  • Für mich haben Gefühle eine Bedeutung, auch wenn sie mich manchmal daran hindern, die Dinge “nüchtern” zu betrachten.
  • Wenn ich ärgerlich oder zornig bin, fresse ich das nicht in mich hinein, sondern drücke meine Gefühle aus. Dies kann auch bedeuten, dass ich in mich gehe und erkenne, aus welchen Glaubenssätzen und Kernüberzeugungen diese Gefühle kommen.
  • Ich weiche Auseinandersetzungen nicht “um des Friedens willen” aus.
  • Ich kann mich in schwierigen Lebenssituationen nachsichtig behandeln.

2. Kreativität und Ausdrucksfähigkeit

  • Ich habe Freude daran, mich durch Kunst, Tanz, Musik, Theaterspielen, usw. auszudrücken.
  • Ich habe Freude daran, täglich einige Zeit ohne Planung oder Strukturierung zu verbringen. Auch das mobile Internet ist dann nicht verfügbar (Smartphones, Tablets…)!
  • Ich habe oft Ideen und Einfälle, die aus mir selber kommen, in denen ich nichts nachahme.
  • Es macht mir Spass, mich manchmal mit ungewöhnlichen Ideen zu beschäftigen und sie mit anderen auszutauschen.
  • Ich interessiere mich für meine Träume und für das, was sie mir sagen.

3. Entspannung, Schlaf

  • Ich fühle mich selten müde oder ausgelaugt (ausser nach einer anstrengenden Arbeit – und vor dem Bettgehen).
  • Ich schlafe nachts leicht ein (in 10 bis 15 Minuten).
  • Ich bekomme meist genug Schlaf, d.h. morgens steh ich gut auf und bin vormittags nicht müde.
  • Wenn ich aufgeweckt werde, fällt es mir meistens leicht, wieder einzuschlafen.
    Es gibt Zeiten, in denen ich gerne allein sein mag.
  • Wenn es keine Möglichkeit gibt, Probleme sofort zu lösen, kann ich sie auch ruhen lassen.
  • Mindestens 15 bis 20 Minuten täglich meditiere ich oder versuche, mich zu zentrieren.
  • Ich verwöhne mich (ohne mich dafür schuldig zu fühlen), zum Beispiel durch Massagen, Nichtstun.
  • In meinem Alltag pflege ich ein Gleichgewicht zwischen Kontakt und Rückzug. Dabei meint Rückzug: Entspannung, Nichts-Tun und keine Füll-Aktivitäten, wie Blick in mein Smartphone,…
  • Hierzu: Beherrsche ich das Internet (v.a. Social Medias) oder beherrscht es mich? Weiterlesen zu Digital-Detox… und wie fehlende Achtsamkeit unsere Gedächtnisleistung schmälert.
  • Damit zusammenhängend, arbeite ich auch nur 30 bis 40 Stunden pro Woche und benötige deshalb weniger Geld für Konsum und Luxus (Mehr dazu hier in diesem Blog!).
  • Im Winter schlafe ich etwas mehr und im Sommer weniger – und richte meinen Arbeitstag demgemäss ein: Mehr hier: www.dr-walser.ch/saisongerecht-leben/

Mehr zu Entspannungsmethoden/Meditation hier >>> www.dr-walser.ch/entspannung/

4. Erholung im Urlaub

  • Ehe ich eine Auszeit oder einen Urlaub plane, frage ich mich, wovon ich mich erhole. Grundsätzlich gilt: Kontrasterfahrungen sind wichtig! Wenn Du ständig in der Öffentlichkeit stehen und mit vielen wechselnden Menschen in Kontakt bist, brauchst Du Zeiten, in denen Du dich von der Welt zurückziehen und mal allein sein kannst. Wer in einem sozialen Beruf tätig ist, ständig für andere da ist, steht nach Möglichkeit in Urlaubszeiten selbst im Mittelpunkt und lässt sich “bedienen”. Wer ständig freundlich zu Kunden sein muss, sucht seine Erholung wohl besser nicht in Gruppen.
    Fernreisen mit Zeitverschiebung bringen Anregung. Erholung bieten sie schon allein deshalb wenig, weil der Körper einige Tage benötigt, um sich an die Zeitverschiebung zu gewöhnen. Ich plane dafür genügend Zeit ein.
  • Ich mache mehrere, gut übers Jahr verteilte Urlaubstage, da sie sinnvoller sind als der grosse mehrwöchige Urlaub am Stück.
  • Ich habe nicht zu grosse Erwartungen an den Urlaub. Es ist mir bewusst, dass der Erholungseffekt nach den Ferien nicht lange anhält. Spätestens nach vier Wochen ist er verschwunden.
  • Es ist mir auch bewusst, dass “faul sein” erlaubt ist. Die Balance zwischen Entspannung und Bewegung ist wichtig. Durch sportliche Betätigung werden Spannungen abgebaut und man erlebt sich als kompetent. Dies ist eine gute Voraussetzung für die Regeneration. Nicht nur im Urlaub die Joggingschuhe anziehen oder den Tennisschläger schwingen. Die beste Erholung garantiert die regelmässige, in den Alltag integrierte Bewegung.
  • Ich kann im Urlaub schnell von der Arbeit abschalten und die Arbeit gedanklich hinter mich lassen. Ich kann Abstand gewinnen und mich innerlich freimachen.
  • Ich mache im Urlaub auch Mastery-Erfahrungen, also körperliche oder intellektuelle Herausforderungen, wie einen Berg besteigen, eine Fremdsprache lernen oder einen See durchschwimmen.
  • Ich kann in meiner Freizeit frei wählen, wann und wie ich etwas mache, das mir Freude bereitet.

Mehr zu Entspannungsmethoden hier >>> www.dr-walser.ch/entspannung/

5. Körperliche Aktivität

  • Ich habe in den letzten zwei Jahren sportlich etwas Neues gelernt oder begonnen.
  • Ich steige häufig Treppen, statt den Lift zu benutzen.
  • Meine täglichen Aktivitäten schliessen mittlere Anstrengungen ein (z.B. Betreuung kleiner Kinder, Arbeiten im Haushalt, Gartenpflege, Fusswege während der Arbeit…).
  • Meine täglichen Aktivitäten enthalten zeitweise auch schwere körperliche Arbeiten (z.B. Transport, Tragen schwerer Objekte, landwirtschaftliche Arbeit …).
  • Ich gehe täglich mindestens zwei Kilometer zu Fuss. Dies ist auch in kleineren Etappen mehrmals täglich möglich.
  • Mindestens dreimal pro Woche laufe ich 20 Minuten in mässiger und mittlerer Belastung (mehr).
  • Mindestens einmal pro Woche mache ich 15 bis 20 Minuten lang Yoga (oder andere Dehn-, Streck- oder Entspannungsübungen).
  • Ich mache fast täglich etwas Gymnastik.
  • Ich dusche regelmässig, erst warm, dann kurz kalt.
  • Ich gehe ein- oder zweimal im Monat in die Sauna.
  • Häufig geniesse ich sexuelle Aktivitäten mit mir oder anderen.

6. Körperliche Fürsorge

  • Ich rauche nicht! (= die wohl wichtigste Gesundheitsmassnahme überhaupt!)
  • Ich reinige meine Zähne regelmässig (mindestens zweimal pro Tag und einmal länger und mit (Interdentalbürstchen).
  • Ich sorge dafür, dass ich mich so wenig wie möglich Abgase, chemische Dämpfe und Lärm aussetze.
  • Ich nehme Änderungen in meinem körperlichen, seelischen und geistigen Befinden bewusst wahr und suche fachliche Hilfe bei auffälligen Änderungen.
  • Ich nehme sehr selten Medikamente oder Drogen. Ich trinke auch nicht jeden Tag Alkohol.
  • Ich sorge dafür, dass ich regelmässig ausreichend Schlaf bekomme.
  • Ich mag die Berührung durch andere.
  • Ich mag andere Menschen berühren, wenn ich das Bedürfnis dazu habe.
  • Ich “trainiere” mein Gehirn (und für “Gehirnjogging” genügt nicht das Lösen von Kreuzworträtsel oder Sudoka!)  mit Musizieren, Tanzen, Meditieren, Lernen von Fremdsprachen, Beschäftigung mit philosophischen Themen, Umgang mit Kindern!
  • Ich probiere täglich draussen etwas “Sonne zu tanken” (siehe hier über den “Segen der Sonne”)

7. Ernährung

  • Der grösste Teil meiner Nahrung ist pflanzlichen Ursprungs: Obst, Gemüse, Salate, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Nüsse (davon 1 Handvoll pro Tag) und Früchte (etwa 2 Handvoll Obst täglich).
  • Rohe, ungekochte Nahrung ist nicht die Ausnahme, sondern fester Bestandteil meiner Ernährung.
  • Fleisch esse ich höchstens ein- bis zweimal die Woche und achte auf Weidefleisch.
  • Ich vermeide soweit wie möglich tierische Fette und ersetze sie durch pflanzliche (hochwertige Öle sind Oliven-, Lein- und Rapsöl).
  • Ich esse selten raffinierte Nahrung und achte auf Esswaren im vollwertigen Naturzustand.
  • Ich bevorzuge Nahrung ohne chemische Zusätze und achte beim Einkaufen auf die Kennzeichnung von Zusätzen. Als Regel kann gelten, dass ich Esswaren einkaufe, die auch meine Urgrossmutter als Essen erkannt hätte.
  • Ich trinke mindestens 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit täglich.
  • Ich trinke weniger als sechs Tassen Kaffee pro Tag.
  • Mein Alkoholkonsum ist niedrig (nicht mehr als ein halber Liter Bier oder ein viertel Liter Wein pro Tag). – mit vielen alkoholfreien Tagen.
  • Mein Appetit ist gut (weder zu gering noch zu gross).
  • Mein Körpergewicht ist normal (“normal”, was ist das?!).
  • Ich nehme mir Zeit und Ruhe für meine Mahlzeiten und kaue jeden Bissen ausgiebig. Das Smartphone ist während des Essens nicht auf dem Tisch!
  • Ich kann das Essen ohne Schuld- und Reuegefühle lustvoll geniessen.
  • Ich mache auch Unterschiede zwischen dem Winter und dem Sommer, indem ich meine Ernährung etwas meinem unterschiedlichen Verhalten anpasse (Mehr dazu hier: www.dr-walser.ch/saisongerecht-leben/)
    (Lesen Sie auch dies zum Essen!)

8. Produktivität, Arbeit

  • Finanziell fühle ich mich sicher.
  • Das Einkommen entspricht meiner Leistung.
  • Ich habe wenig Angst um meine berufliche Zukunft.
  • Mir macht meine Tätigkeit mehrheitlich Spass. Teils bin ich auch im wirklichen Flow.
  • Mein Beruf ist meine “Berufung”, d.h. ich kann dabei mindestens die drei wichtigsten Charakterstärken brauchen (siehe Test dazu hier: charakterstaerken.org).
  • Ich fühle mich selten in unangemessener Weise bewertet und kontrolliert.
  • Ich arbeite gern mit meinen KollegInnen zusammen.
  • Ich verrichte meine Arbeit in einer angenehmen Umgebung.
  • Mein Arbeitsplatz gefährdet mich nicht (z.B. durch Chemikalien, giftige Gase, Strahlen, Staub, schlechte Luft, extreme Temperaturen, Lärm, ungesicherte Maschinen, grosse Unfallgefahr).
  • Mein Pendelweg zur Arbeit ist kurz – und ich kann (mindestens einen grossen Teil davon) zu Fuss gehen.
  • Ich fühle mich selten unter Zeitdruck oder gehetzt.
  • Ich fühle mich selten überfordert.
  • Ich fühle mich selten unterfordert.
  • In meiner Arbeit existieren Qualifizierungsangebote. Ich kann bei meiner Arbeit etwas lernen.
  • Ich kann im Betrieb aufsteigen.
  • Wenn ich Spannungen mit Vorgesetzten, Kollegen, Untergebenen habe, finden wir meist Lösungsmöglichkeiten.
  • Ich kann meine Arbeit in gewissem Umfang selbst einteilen.
  • Ich habe genügend Pausen während der Arbeit.
  • Ich empfinde meine Arbeit als sinnvoll und anregend. Meine Arbeit ist auch nützlich für die Gesellschaft.
  • Ich arbeite maximal 45 Stunden pro Woche (mehr dazu hier in diesem Blog!).
  • Ich arbeite im Winter (späterer Arbeitsbeginn) etwas weniger als im Sommer (Mehr hier: www.dr-walser.ch/saisongerecht-leben/).

zum Thema “Zeit vs. Geld/Arbeit”: >>> walserblog.ch/2017/02/17/zeit-vs-geld/
und hier “Wie viel Lebenszeit kostet mir mein Konsum?” hier in diesem Blog!

Zur Arbeit noch der Philosoph Byung-Chul Han: “Es ist vielleicht an der Zeit, über eine Lebensform nachzudenken, in der die Arbeit keine Rolle mehr spielt. Der altchinesische Denker Zhuangzi würde sie “Wandern in Musse” nennen.”

9. Wohnen

  • Ich bin mit meiner Wohnsituation zufrieden.
  • Ich fühle mich in meiner Wohnung zu Hause.
  • Ich habe das richtige Ausmass von Kontakt zu Mitbewohnern, Nachbarn.
  • Ich mag die Strasse und die Umgebung, in der ich wohne.
  • Sind meine Nachbarn glückliche Menschen oder wohnen meine Freunde in meiner Nähe? (Die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls glücklich zu werden, steigt dank einer zufriedenen Nachbarschaft gemäss eine Studie im British Medical Journal um 35 Prozent).
  • Die Wohnbedingungen (Grösse der Wohnung, Grünflächen, frische Luft, ruhige Lage, Geschäfte, Anregungen) sind genau richtig für mich.
  • Ich wohne nicht zu weit von meinem Arbeitsort weg (kurze Pendelzeit!).
  • Die Landesgegend (und auch das Land) in dem ich wohne gefällt mir.

10. Beziehung

  • Ich liebe und habe zärtliche Gefühle zum Menschen mit dem ich zusammenlebe.
  • Ich habe Mitgefühl zu anderen und…  zu mir selbst.
  • Mein Lebenspartner ist glücklich und zufrieden. Gemäss Studien ist dies genau so wichtig, wie das eigene Glück und fördert meine eigene Gesundheit – unabhängig davon, wie glücklich ich selbst bin!
  • Mit meinem Partner trage ich Krisen und Konflikt offen und fair aus.
  • Wir sind zueinander selten sarkastisch, zynisch, versteckt und indirekt aggressiv, schroff zurückweisend oder anderweitig scheusslich.
  • Ich und mein Partner können sich das Gefühl geben, den anderen zu verstehen und zu unterstützen. Unsere Beziehung ist auch „Anerkennen von Unterschieden“. Um dieses Unterschiedliche meines Partners zu Erforschen, sind Fragen (offene und zirkuläre!) sehr wichtig.
  • Positive Gefühle wie Lob und Wertschätzung können wir uns gut mitteilen.
  • Negative Gefühle wie Wut und Ärger können ich und mein Partner angemessen äussern.
  • Mein Lebenspartner traut mir persönliche Entwicklungsschritte zu, bekräftigt mich auf dem angestrebten Weg, fordert zu Handlungen heraus und geht auf mich ein.
  • Mein sexuelles Leben ist reich, kreativ und befriedigt mich (>>> sex/)
  • Ich bin gewissenhaft, offen für Neues/ Erfahrungen und auch “sozial verträglich” (ein netter Mensch…).
    Lesen Sie mehr über diese drei Persönlichkeitsmerkmale, die für die Chancen einer lang dauernden Beziehung wichtig sind: >>> walserblog.ch/2015/02/14/gewissenhaft-macht-gesund
  • Pflegen Sie auch gute (weitere) Freundschaften? Haben Sie einen Freund*in, dem Sie anvertrauen würden, dass Sie fremd gegangen sind, dass Sie drei Millionen im Lotto gewonnen haben oder dass die eigene Mutter Alkoholikerin war?
  • Reservieren Sie einen Abend in der Woche diesen Freundschaften – so wie man ja auch regelmässig schwimmen, joggen oder ins Fitnessstudio geht?
  • Man benötigt eine gewisse Selbstachtung und Selbstliebe um offen zu sein für Freundschaften mit anderen. Besitzen Sie dies?
  • Können Sie sich darauf einigen, wie Sie Ihre Zeit aufteilen – allein, gemeinsam, mit Freunden und Familie, bei der Arbeit?
  • Sind Ihre Tages- und Wochenrhythmen, Ihr Tempo, Ihre Perspektiven auf die Lebenszeit und Ihre Einstellung zur Pünktlichkeit ähnlich oder ergänzen sie sich so, dass Sie die gemeinsame Zeit geniessen und die Herausforderungen des Lebens meistern können?

11. Umweltbewusstsein

  • Ich konsumiere so wenig wie möglich! (“Wie viel Lebenszeit kostet mir mein Konsum?” hier in diesem Blog!).
  • Ich versuche, die Verschwendung von Energie sowohl zu Hause als auch im beruflichen Bereich zu vermeiden.
  • Mir ist bewusst, dass die Regenwälder im Amazonas abgeholzt und verbrannt werden, da dort Rinder weiden werden, die v.a. wir in Europa (und China) essen. Zudem wird das Soja und Mais, das dort angebaut wird in grossen Mengen zu uns exportiert (für Futter unserer Tiere)!
    Weniger Fleisch essen zeugt also auch von Umweltbewusstsein.
    Ebenfalls bevorzugen von saisonalen und regionalen Esswaren.
    Ich werfe möglichst wenig Essen weg!
  • Ich benutze ungiftige, abbaubare Reinigungsmittel.
  • Ich benutze soweit wie möglich öffentliche Verkehrsmittel – oder gehe zu Fuss oder mit dem Fahrrad.
  • Ich sorge für die Weiterverwendung von Flaschen, Papier, Kleidung, organischem Abfall.
  • Ich fliege so wenig wie möglich in die Ferien. Ich mache dabei auch keine sehr langen Autofahrten.

    • (mit Erlaubnis und Copyright von Psychologie Heute)

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12. Soziales Interesse

  • Ich informiere mich über lokale, nationale und internationale Ereignisse.
  • Ich habe Interesse an gesellschaftlichen Problemen und unterstütze Ziele, Personen, Gruppen meiner Wahl.
  • Wenn es mir möglich ist, gebe ich Zeit und Geld für Ziele aus, die mir wichtig sind.
  • Kenne ich meine Werte, was mir wichtig ist im Leben und Zusammenleben. Dazu ist gut, meine drei wichtigsten Charakterstärken zu kennen und sie zu leben (siehe Test dazu hier: charakterstaerken.org).
    Daraus ergeben sich drei weitere Fragen:
  • Was ist mir persönlich wichtig?
  • Wofür möchte ich stehen?
  • Wofür möchte ich “bekannt sein”?
    .
  • Wenn ich Auto fahre, nehme ich Rücksicht auf Fussgänger und andere Mitbenützer der Strasse.
  • Ich bin Mitglied einer oder mehrerer Gruppen (Club, soziale/politische Organisation, Musikband …).
  • Ich versuche gemeinsam mit KollegInnen unsere Interessen am Arbeitsplatz zu vertreten.
  • Ich gebe im Leben mehr als ich nehme (u.a. Spenden,…).

13. Einstellung zum Leben, Lebenszufriedenheit

  • Mein persönliches Dasein erscheint mir sinnvoll.
  • Mein tägliches Leben ist oft voll Freude und Befriedigung (Blogbeitrag dazu!).
  • Ich bleibe mir selbst treu.
  • Ich habe eine Ahnung, was “Selbstfürsorge” für mich bedeutet und ich probiere dies zu leben. Selbstfürsorge basiert auf drei Säulen: Achtsamkeit, Selbstdisziplin (= Empathie für sich selbst – in der Zukunft!), Abgrenzung.
  • Ich lebe präsent und bewusst im Augenblick.
  • Ich lebe so, dass ich später nichts zu bereuen habe.
  • Wenn ich an den Tod denke, dann fühle ich mich vorbereitet und ohne Angst.
  • Wenn ich heute sterben würde, dann hätte ich das Gefühl, dass mein Leben einen Wert hatte.
  • Auch die schweren Zeiten in meinem Leben haben für mich Bedeutung und ihren Sinn.
  • Die Art, wie ich Menschen, die Welt und meine Existenz sehe, gibt mir Kraft.
  • Ich habe Vertrauen in die Zukunft.
  • Ich vertraue meinen Mitmenschen zuerst meist (und ein Misstrauen ist sicher nicht primär). Siehe mein Blogbeitrag dazu.
  • Auch wenn manche Situationen schwierig sind, macht es mir Freude zu leben.
  • Veränderungen in meinem Leben machen mir keine Angst.
  • Lebe ich “authentisch”?
    (mit Erlaubnis und Copyright von Psychologie Heute: www.psychologie-heute.de)

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14. Spezielle Fragen an den Mann

  • Wie gesund bzw. ungesund verhalte ich mich? Inwiefern/wo wirkt sich mein Verhalten schädlich oder fördernd auf meine Gesundheit aus (Stichworte: Rauchen, Alkohol, Safer-Sex/Sexsucht, Verkehrsverhalten, Dickleibigkeit, Arbeitssucht, Machtsucht, Brutalität)?
  • Wie nehme ich mich selber wahr?
  • Wie kann ich sorgfältiger mit mir selber umgehen?
  • Kann ich auch Unvollkommenheiten in mein Leben integrieren?
  • Bin ich auf äussere Werte wie Geld, Erfolg, Status und Statussymbole fixiert?
  • Wie verhält es sich mit meinen Grenzüberschreitungen und Kontrollverlusten?
  • Wie bin ich in Kontakt mit meiner wilden, gefährlichen Seite? Und bin ich dort gleichzeitig auch achtsam? Achtsam mir gegenüber und beachte ich an meinen Grenzen auch diejenigen meiner Mitmenschen?
  • Liefere ich häufig ungebetene Erklärungen und Ratschläge (Mansplaining)?
  • Oder Victim Blaming: angesichts männlicher Übergriffigkeit erst einmal über das Verhalten der Frau zu sprechen?
  • Wie erlerne ich konstruktive Formen von Aggressivität und Durchsetzungsvermögen und wie fördere ich deren Verbreitung?
  • Wie funktionieren meine Beziehungsmuster?
  • Wie pflege ich Männerfreundschaften?
  • Wie fördere ich Solidarität unter Männern?
  • Wie integriere ich neben dem Berufs-Mann den Ehe-Mann und Vater gleichwertig in mein Leben?
  • Wie pflege ich meine “Eigenwelt” neben den Bereichen der Arbeit und der Familien- oder Beziehungswelt?
  • Wie trage ich dazu bei, mehr Gemeinschaftssinn zu entwickeln?
  • Kann ich mich im Spannungsfeld zwischen instrumentaler und ganzheitlicher Vernunft für Gesundheitsförderung und Lebensqualität entscheiden, auch wenn ich dabei scheinbar persönliche Karrierenachteile in Kauf nehme?
  • Wie weit treibe ich den Individualismus? Engagiere ich mich v.a. zur Erfüllung meiner Macht- und/oder Selbstbestätigungsgelüste?

Die Zehn Gebote als Krisenprophylaxe für den Mann
und über die Schwäche des »starken Geschlechts«: Warum Männer früher sterben als Frauen: Neueste Daten und Vermutungen zu einer alten Frage
und sexuelle Gewalt gegen Männer und wie toxische Gendernormen verhindern, das die Männer deshalb keine oder sehr späte Hilfe holen!

Mehr zur Männergesundheit auch hier: www.gesunde-maenner.ch

15. Spezielle Fragen für die LehrerIn/BetriebsleiterIn/PolitikerIn

SCHULE
Die Gesundheitsförderung in der Schule koppelt man am besten von Verhaltenskontrolle ab, da sie dann nur Widerstand hervorruft. Wie kann ich Schüler dazu bringen, mehr Früchte und Wasser zu konsumieren, weniger zu rauchen und sich mehr zu bewegen – ohne, dass das Ganze mit Verboten, Strafen und Kontrolle verbunden ist?
Also: Nicht a priori Alkohol und Tabak usw. verdammen, sondern eine gemeinsame Diskussion darüber entfachen – auch zum Thema ambivalente Einstellung gegenüber dem Thema Gesundheit.
Kann ich eine echte Partizipation zulassen, sprich: Befragung der Schülerinnen und Schüler, welche Gesundheitsprobleme sie wahrnehmen und was sie ändern wollen und wo sie Ansatzpunkte der Änderungen sehen?

Dann immer emotionale Kompetenz stärken! Fünf Kriterien sind hier wichtig: Wissen und Denken über Emotionen, das Erkennen und der Ausdruck von Gefühlen, die Emotionsregulation sowie Empathie. Die Vermittlung der Emotionsregulation ist laut vielen Autoren dabei die wichtigste  pädagogische Aufgabe, wenn es um Gefühle geht. Vor allem in den Lehrplänen für naturwissenschaftliche Fächer, Informationstechnologie oder Wirtschaft gibt es bisher leider nur sehr wenige Bezüge auf emotionale Kompetenzen.

BETRIEB
Werden Arbeitsanalysen durchgeführt?
Wird die Ergonomie der Arbeitsplätze überprüft?
Werden toxische Belastungen ermittelt?
Wird Gesundheitsberichterstattung durchgeführt, um zu ermitteln, in welchen Abteilungen welche Erkrankungen in welcher Häufigkeit auftreten?
Werden Gesundheitszirkel implementiert, um herauszufinden, wie die Arbeitnehmer welche Gesundheitsprobleme wahrnehmen und welche Lösungen es hierfür gibt?
Werden Arbeitsplätze geschaffen, die mit Gesundheitsförderungsexpertinnen besetzt werden?

GEMEINDE
Es lautet die wichtigste politische und alltägliche Entscheidung heute wohl: Trägt man selbst mehr zum kittenden Vertrauen oder eher zum spaltenden Misstrauen der Gesellschaft bei?
Werden sichere Radwege geschaffen?
Werden Planung und Realisierung von Naherholungsgebieten, in denen zum Beispiel gejoggt werden kann, gefördert?
Gibt es Innenstädte, in denen der Autoverkehr eingeschränkt ist?
Wird etwas zur Senkung der Lärmbelastung und zur Verbesserung der Luftqualität realisiert?
Wird der bürgerliche Gemeinsinn aktiviert, das heisst, dass Bürgerinnen gemeinsam ihre Gemeinde gesundheitsförderlicher gestalten (auch Stärkung nachbarschaftlicher Bindungen, Pflege von Vereinen…)?

16. Spezielle Fragen an Ihr Kind

Passung:
Beispiel: Ein Kind ist kognitiv durchschnittlich bis vielleicht etwas unterdurchschnittlich begabt. Die Eltern haben aber Erwartungen, dass es in der Schule gute Noten erziele, damit es später mehr Möglichkeiten im Leben hat. Das Kind ist aber nicht in der Lage, diese kognitive Leistung zu erbringen. Und da kommt es zu einer fehlenden Passung, weil das Kind unseren Erwartungen nicht gerecht werden kann. Das führt dazu, dass das Kind ein eingeschränktes Wohlbefinden entwickelt, dass es ihm auf lange Sicht nicht gut geht – obwohl die Eltern das Beste für es wollen. Eltern sollen die Interessen der Kinder unterstützend aufnehmen und Impulse geben – die Stärken ihrer Kinder fördern und die Schwächen akzeptieren und versuchen, mit ihnen so umzugehen, dass es zu ihrem jeweiligen Entwicklungsstand passt.
Es
läuft in der Kindheit meist auf die “Vier V” heraus:
Sei vertraut, verlässlich, verfügbar, liebevoll. Das sind vier Bedingungen, die wichtig sind und die Bezugspersonen den Kindern gegenüber erfüllen sollen. Und das ist auch für eine gute Entwicklung förderlich. Mehr braucht es nicht.

Und noch speziell zum Umgang mit dem Internet:
In Kanada gibt es eine Initiative («The Canadian 24-Hour Movement Guidelines for Children and Youth»), die empfiehlt, dass Kinder und Jugendliche folgende drei Dinge beachten sollten:

  • 60 Minuten pro Tag körperliche Aktivität,
  • weniger als zwei Stunden pro Tag vor einem Bildschirm (TV, PC, Smartphone etc.) und
  • Schlafdauer zwischen 9 und 11 Stunden.

In den USA halten nur gerade 5% aller Kinder und Jugendlichen (9–11 Jahre) diese Empfehlungen laut einer aktuellen Studie auch ein. Die mittlere Bildschirmzeit betrug in der Studie 3,6 Stunden pro Tag. Eine deutliche Reduktion wäre jedoch lohnenswert; denn die kognitiven Fähigkeiten verbesserten sich mit weniger Zeit am Bildschirm und mehr Schlafdauer. Die körperliche Aktivität hatte keinen (zusätzlichen) Einfluss.
The Lancet 2018, doi.org/10.1016/S2352-4642(18)30278-5.

Spezielle Fragen an Ihre Tochter in den jugendlichen Blütenjahren >>>

Mehr Verantwortung übernehmen könnte ich hier

Gefühle | Kreativität | Entspannung/Schlaf | Erholung im Urlaub | körperliche Aktivität | körperliche Fürsorge | Ernährung | Produktivität/Arbeit | Wohnen | Beziehung | Umweltbewusstsein | soziales Interesse | Lebenszufriedenheit | speziell für Männer | speziell für Lehrer/Betriebsleiter/Politikerspeziell für Kinder

Hier ein Test zu Ihrer Berufs- und Lebenszufriedenheit (Charaktertest VIA (values in action) – ca. eine halbe Stunde Zeitaufwand): www.charakterstaerken.org der Forschergruppe um Willibald Ruch der Uni Zürich.

“Langlebigkeit”:

  • Mythos 1:
    Pestizide in Lebensmittel machen uns krank.

    Gefühlte versus reale Risiken für die Gesundheit!
    Welche Themen für uns persönlich und subjektiv die grössten gesundheitlichen Risiken darstellen, sind meist überhaupt nicht die wahren Gefahren! Wahrnehmungsunterschiede sind abhängig von Medienberichten, Gewöhnlichkeit des Risikos sowie Schrecklichkeit.
    Oder anders gesagt: Man stirbt nicht an den Dingen, vor denen man sich fürchtet! (aus Tagesanzeiger, 26.03.2016, Constantin Seibt, Fürchte dich nicht)

    Die grossen Risiken sind also: Völlerei, Bewegungsmangel, Rauchen und der alltägliche Strassenverkehr (Im Jahre 2011 starben in Deutschland im Strassenverkehr 3991 Personen = 11 Tote durch PKW-Unfälle täglich – “So etwas passiert anderen, nicht mir!”).
    Eine weitere spannende Faktensammlung zur Lebenserwartung hier >>>
    Und… dies alles soll nicht heissen, dass man nichts gegen Pestizide in unseren Nahrungsmittel tun soll! Biologisch hergestellte Pflanzen zu essen, bedeutet auch, dass der Bauer, der sie produziert hat, die Erde und auch seine Tiere sorgfältig und natürlich behandelt!

Hierzu auch mein Blogbeitrag, ob wirklich alles “Natürliche” besser ist!

  • Mythos 2:
    Das heilsame Lachen
    Frohe Stimmung und Bekundung guter Gesundheit gehen oft Hand in Hand. Die Gefühlslage erweist sich als gewichtiger für die Einschätzung der eigenen Gesundheit als Hunger, Obdachlosigkeit und Sicherheit vor Kriminalität. Doch auch hier wird die gefühlte Gesundheit erfasst. Und dies heisst nicht, dass sie auch objektiv wirklich gesund sind! Also sorgt häufig eine robuste Gesundheit für eine gute Stimmung! Es ist sogar so, dass Frohnaturen Menschen sind, die sich wenig Gedanken über mögliche Missgeschicke machen. Dies wird vielen zum Verhängnis und sie rauchen eher, trinken mehr Alkohol und pflegen mit Vorliebe riskante Hobbies. Folgerichtig starben viele von ihnen bei Unfällen oder frühzeitig an den Suchtfolgen. No risk – no fun also!
  • Mythos 3:
    Die kranken Neurotiker
    Umgekehrt kann es durchaus Vorteile haben, zu jenen Menschen zu gehören, die immer etwas befürchten oder beklagen (im Fachjargon “Neurotizismus” genannt). Er fühlt sich zwar unglücklicher und kränker, aber er lebt länger! Objektiv sind sie tatsächlich “gesünder” – doch will ich “objektiv gesünder”, aber unglücklich sein – oder lieber glücklich, aber etwas kurzlebiger?! (Howard Friedmann, M.Kern: Personality, well-being and health. The Annual Review of Psychology, 65, 2014, 719-742)
  • Mythos 4:
    Religion verlängert das Leben
    Viele Studien suggerieren, dass Gottgläubige gesünder sind. Wenn man dies aber näher betrachtet, findet man dabei als wichtigste Faktoren, dass dies Menschen auch disziplinierter und massvoller lebten – und dass dies die Gründe für mehr Gesundheit waren.
    Die einzige “Religion”, die gesünder macht, ist sicher der “Humanismus” und das Studieren der Philosophie, das Sich-Wundern!
  • Mythos 5:
    Die Ehe hält jung
    Bei Männer stimmt dies zwar – wohl aber, weil ihre Frau mehr soziale Kontakte schafft, ihn auch mal ermahnt, weniger zu rauchen oder zu trinken und mal zum Arzt zu gehen… Frauen dagegen gewinnen durch das Ehedasein nichts! Es gilt sogar: Je jünger die Ehefrau, umso länger lebt der Mann. Umgekehrt stimmt dies aber auch nicht! (Sven Drefahl: How does the age gap between partners affect their survival? Demography, 47/2, 2010, 313-326)
  • Mythos 6:
    Bloss keinen Stress!
    Stress an sich schadet nicht! Akuter und vorübergehender Stress! Jedoch chronische Stresssituationen, Dauerstress sind sehr ungesund! Wenn jemand seiner Arbeit nicht gewachsen ist oder überhaupt ständig zuviel von ihm verlangt wird, dies ist krankmachend. Und… chronischer Stress in der Jugend (z.B. auch durch Armut!) verändert uns rein neurobiologisch negativ (hier unten lesen Sie mehr darüber). Dauerstress ist der ärgste Feind des Kohärenzgefühls (siehe bei Salutogenese).
    Übrigens: Die erfolgreichen Arbeitstiere leben nicht zuletzt deshalb gut und lange, da sie besonders gewissenhaft sind. Also auch hier ist wieder die Selbstkontrolle der wichtigste Faktor zur Gesundheit.
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    • Mythos 7:
      Geld bringt Gesundheit und ein langes Leben!
      In seiner Studie «Wellbeing and Policy» untersucht der britische Ökonom Richard Layard, wie stark das Glücksempfinden vom Gehalt abhängt. Das überraschende Ergebnis: Die Korrelation ist viel geringer als angenommen. Geistliche, die 2013 kaum mehr als 20 000 £ verdienten, sind zufriedener als Chefs und hohe Kader, die es durchschnittlich auf fast 120 000 £ brachten. Besonders zufrieden sind auch Bauern und Sekretärinnen. Beide verdienen etwa gleich viel wie Bauarbeiter, die aber besonders unglücklich sind.Als wegweisend für die Entwicklung des Forschungszweigs gilt eine Erkenntnis des amerikanischen Ökonomen Richard Easterlin aus dem Jahr 1974: Reiche sind innerhalb eines Landes zwar glücklicher als Arme, aber wenn der Wohlstand eines Landes insgesamt steigt, ändert dies nichts am Glücks-empfinden. Layard erklärt das «Easterlin-Paradox» damit, dass sich Menschen intensiver mit ihrem Umfeld vergleichen, also das relative Gehalt in den Mittelpunkt rücken, statt ihr absolutes Gehaltsniveau wertzuschätzen.Vor allem Banken sind laut Layard mit der Angewohnheit, hohe leistungsabhängige Boni auszuschütten, auf dem Irrweg. Die Ausschüttungen führten zu einer Unzufriedenheit, die in keinem Verhältnis zum Wert des Geldes stehe. In einem Umfeld, in dem mit guten Leistungen viel Geld zu verdienen sei, leisteten Leute nicht mehr, sondern weniger. Vielleicht aus Angst, zu versagen.Unter Ökonomen stösst die Entwicklung auch auf Kritik. Alternativen zum BIP würden mit einer spezifischen Agenda im Hinterkopf konstruiert und könnten leicht von Regierungen manipuliert werden, argumentiert etwa der Schwede Johan Norberg. Er spricht von «Glücks-Paternalismus». Das BIP sei nicht perfekt, aber immerhin wertfrei. Davon abzugrenzen ist die reine “Lebenserwartung”, die mindestens in den USA mit steigendem Einkommen zunimmt. Dies gilt aber vor allem für die ganz Armen und die ganz Reichen. Dort ist das Verhalten gegenüber der eigenen Gesundheit völlig verschieden: Ärmere Menschen sind weniger gebildet, rauchen mehr und sind weniger körperlich aktiv… (Chetty R, et al. JAMA.2016;315 (16):1750-66)
      Daraus lässt sich zunächst eine naheliegende Forderung ableiten: Man spricht am besten weniger über Geld. Layard verweist zur Unterstützung auf ein Experiment der Uni Berkeley. Dort wurden die Gehälter der öffentlichen Angestellten auf einer Website veröffentlicht. Bei Uni-Angestellten, die das zunächst nicht mitbekamen, änderte sich nichts am Wohlempfinden, während bei jenen, die gezielt informiert wurden, die Zufriedenheit messbar zurückging.
      Die Glücksforschung, eine wachsende Teildisziplin der Ökonomie, kombiniert Empirie mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie bringt Ergebnisse hervor, über die sich selbst der Dalai Lama freuen würde. Einkommen und Aufstiegschancen spielen bei der zentralen Frage, ob Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind, eine viel geringere Rolle als jahrzehntelang angenommen. Körperliche und seelische Krankheiten sind in entwickelten Volkswirtschaften ein triftigerer Grund, unglücklich zu sein, als Armut.
      Update 2021:
      Geld macht glücklich, das gilt in der Wissenschaft als Konsens – aber nur bis zu einer gewissen Einkommensobergrenze. Ein Forscher sah sich nun die Beziehung zwischen Einkommen und Wohlbefinden erneut an und stellte fest, dass die Befragten von umso grösserem Wohlbefinden berichteten, je höher ihr Einkommen war – eine Obergrenze liess sich nicht definieren.   Es wurden dazu die Angaben von mehr als 33 000 US-Amerikaner*innen zwischen 18 und 65 Jahren ausgewertet. Sie machten unter anderem Angaben zu ihrer allgemeinen Lebenszufriedenheit und ihrem momentanen Wohlbefinden. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil das momentane Wohlbefinden in anderen Studien nur selten erfasst worden sei. Das mag der Grund sein, dass er – anders als frühere Studien – keine Einkommensglück-Obergrenze feststellen konnte. Die Auswertung zeigte aber auch: Befragte mit geringerem Einkommen, denen Geld nicht so wichtig war, waren zufriedener. Dass die Bedeutung des Geldes eine Rolle spielt, zeigt eine weitere Studie: Befragt wurden hier knapp 700 Personen in ländlichen und städtischen Regionen in zwei Ländern mit sehr geringem Durchschnittseinkommen. Ihre Zufriedenheit war hoch – Geld war den Befragten aber auch nicht wichtig. Geld macht also nur dann glücklich, wenn es uns viel bedeutet. (S. Miñarro u. a.: Happy without money; Plos One, 2021 & M. A. Killingsworth: Experienced well-being rises with income, even above $ 75,000 per year. PNAS, 118/4, 2021)

      Hierzu auch mein Blogbeitrag über MISWANTING!
  • Mythos 8:
    Der Ärger mit dem Ärger!
    “Nichts und niemand kann Dich ärgern – ausser Du dich selbst!” Fritz Perls
    Zudem gibt es keine „kleinen“, alltägliche Aufregungen oder Ärger. Sie alle stören den Frieden meines Geistes gleichermassen. Sie alle verhindern, dass ich jemals etwas gelassener werde: Lesen Sie dazu meinen Blog.
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  • Mythos 9:
    Das Natürliche ist immer besser als das Chemisch-Synthetische!

    Meine liebste Denkfalle ist die Annahme, dass alles Natürliche gesünder und milder wäre als etwas Chemisches, Synthetisches. Als Beispiel: Alle pflanzlichen Medikamente sind besser als synthetische. Da will ich nur an – kaum erforschte – toxisch wirkende Pflanzen, wie Digitalis (Fingerhut) erinnern, die (in falscher Dosis) selbst tödlich wirken können!

Armut in der Jugend – Was sie anrichtet!

Armut ist Stress – chronischer Stress! Stress heisst rein biologisch, den Körper für die Flucht bereitzumachen. Die Stresshormone, die dabei ausgeschüttet werden, haben – je nachdem, ob es sich um einen milden, kurzzeitig auftretenden Stressfaktor oder um einen massiven, längeranhaltenden handelt – unterschiedliche Auswirkungen auf das Gehirn. Chronischer Stress ist anders als kurzzeitiger Stress nicht hilfreich, um eine Aufgabe zu bewältigen, sondern sorgt dafür, dass die Fähigkeit zur Problemlösung abnimmt. Denn Teile des präfrontalen Cortex schrumpfen bei chronischem Stress, während das Angstzentrum im Hirn, die Amygdala angeregt wird.

Forschungsergebnis liefern heute den Schlüssel zum Verständnis, wie sehr das sozioökonomische Umfeld das weitere Leben bestimmt. Und zwar schon bei 5-jährigen Kindern. Es wird bereits dann der Grundstock gelegt für die Gesundheit, die ein Mensch 20 Jahre später haben wird. Studien zeigen, dass 10-jährige Kinder aus ärmeren Familien doppelt so viel Stresshormon im Blut haben, wie Kinder aus reicheren Familien. Damit wird deutlich, dass die Startbedingungen über Wohl und Wehe entscheiden. Auf neurobiologischer Ebene.

Eine Warnung an Gesundheitsförderer

Der Gesundheitsexperte schreibt vor, dass sich der Laie gesundheitsgerecht verhalten soll oder seine Gesundheit mehr in die Hand nehmen soll, ohne zu fragen, ob der Laie Gesundheit will, und schon gar nicht, wenn er ungefragt muss. Mit den schönen Worten der Gesundheitsförderung (zur Gesundheit befähigen) wird also etwas unterschlagen, was als Pflicht zur Gesundheit besser umschrieben wäre. Gesundheit wird zur Norm. Eine Erfolg versprechende Gesundheitsförderung hätte nicht nur kulturelle Muster wahrzunehmen und zu berücksichtigen, sie müsste sich auch fragen, ob es ihrem Anliegen gut tut (Menschen zur Gesundheit zu befähigen), wenn dieses mit einer staatsbürgerlichen Pflicht sozusagen identisch ist. Möglicherweise ist dies ein wesentliches Problem, an dem Gesundheitsförderung bisher gescheitert ist. Es ist gut, falls mir bewusst ist, dass sie auf die eine oder andere Weise etwas mit Machtausübung verbunden ist (gemäss Foucault ein Teil der Disziplinarmacht von mittleren und höheren Schichten gegenüber den unteren). In unserer Gesellschaft werden diejenigen diskriminiert, die dem Anschein nach zentrale Werte des Abendlandes verstossen, gegen die Idee der Mässigung beziehungsweise des rechten Masses (griechische Antike), gegen christliche Gebote, die sich zum Beispiel gegen Völlerei (Adipositas) oder Süchte (Drogen, Rauchen) richten. Diese Debatte über Mässigung passt aber wenig zu dem hedonistischen Bild, mit dem sich unsere Gesellschaft gerne umhüllt. Maximale Lust, maximaler Spass scheinen das Gebot der Stunde zu sein, also Party ohne Ende. Das Paradoxon des Kapitalismus, mit dem einerseits grenzenloser Luxus und Genuss versprochen werden, dessen Geist allerdings radikale Askese einklagt. Hoher Blutdruck, Schlaflosigkeit, Leistungssportler werden deshalb nicht diskriminiert. Die bürgerliche Aufklärung kreiert allerdings einen historischen Gegenspieler, die Romantik, die von vernünftiger Lebensführung nun gar nichts wissen will. Sie setzt auf das Gefühl, auf Müssiggang, Entgrenzung, Risiko und Todessehnsucht.
Oder: Jeder hat ein Recht auf ungesundes Verhalten, das oft attraktiv und bequem ist. Es existiert hier kein “gut” oder “böse”, kein “normal” oder “sündig” (Christoph Klotter: Warum wir es schaffen nicht gesund zu bleiben. Eine Streitschrift zur Gesundheitsförderung. 2009, Reinhardt, München).
Gesundheit ist ein Wert, der mit anderen Werten wie Genuss, Müssiggang, Risiko konkurriert. Vieles, was als unvernünftig, unsittlich usw. etikettiert wird, wird attraktiv. Ein Verhalten als Sünde zu definieren, führt dazu, diese Verhalten eher zu verstärken. Gesundheitsförderung positioniert sich am besten in einer Balance zwischen Produktivität und Spiel. Sie ist nach Möglichkeit nicht alleine um Nützlichkeit zentriert. Sie könnte sich auch damit anfreunden, selbst ein Teil des Unproduktiven zu sein, des Müssigganges, des Faulenzens, des Spiels.

Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts!

Wenn wir Gesundheitsförderung betrachten, müssen wir zum Schluss noch die Charta des Spiritus Rector, des Ideen- und Ratgebers anschauen, der WHO: Für diese erschöpft sich das Ganze nicht in Rückenkursen und Stressbewältigungstraining, sondern sie ist ein nahezu sozialrevolutionäres Programm. Gesundheit für alle bedeutet Frieden, Sicherheit, Bildung, Essen, Einkommen, ein stabiles Ökosystem, nachhaltige Ressourcen und soziale Gerechtigkeit, also Demokratie und Menschenrechte. Eine Gesundheitsförderung versetzt die Menschen am besten in die Lage, sich um ihre Gesundheit zu kümmern und befähigt sie, bessere Kontrolle über ihre Lebensbedingungen zu haben. Die Gesundheitsförderung geht also auch die Politik an, die Schule, den Betrieb, die Gemeinde.
Gesundheit ist eine ausgewogene Ganzheit, ein Gleichgewicht, eine Harmonie von Kräfte und Funktionen: uns intensiv um unser physisches Selbst kümmern; den Verstand konstruktiv nutzen; unsere Gefühle ausdrücken; kreativ mit unserer Umwelt verbunden sein; unsere physische Umwelt wichtig nehmen; unser Leben als sinnvoll erfahren. Gesundheit hat zu tun mit Lebendigkeit, mit Lebenssinn und mit der Fähigkeit, trotz Leiden und Anfechtung sein Leben zu führen, sich zu entfalten, die oder der zu werden, die oder der man ist. Damit trägt Gesundheit auch zum Funktionieren von Freundschaften, Familien und Gemeinschaften bei. Gesundheit in diesem umfassenden Sinn sollte für alle Menschen erreichbar sein.

Selbstoptimierung

Die Philosophin Ariadne von Schirach beschreibt in Ihrem Buch «Du sollst nicht funktionieren» die Folgen dieses Leistungsdruckes der Selbstoptimierung als fatal:
“Jenseits von Burnout, Einsamkeit und Angst ist doch das Schlimmste an der unablässigen Selbstoptimierung dieser überall bemerkbare Verlust von Lebensfreude. Wir verlernen, uns gehen zu lassen. Die Fähigkeit, Hingabe, Lust und Rausch zu erleben und zu geniessen, kommt uns durch diese dauernde Selbstbeobachtung und -kontrolle abhanden. Doch das ist nicht alles.
Die Philosophie rät seit Jahrtausenden, der Mensch solle sich um seine Seele kümmern. Das bedeutet, eine Beziehung zu seinem Inneren zu haben – zu seinen Gefühlen, Träumen und Werten. Zu seiner eigenen Lebendigkeit. Wenn diese Beziehung verloren geht, verlieren wir auch den Sinn unseres Lebens.
Selbstoptimierung als eine Form von Kontrolle suggeriert nun Sicherheit. Auch angesichts der umfassenden Beschleunigung versuchen wir, an etwas festzuhalten: an unserer Jugend oder an unserer Leistungsfähigkeit.
Zugleich versuchen wir uns immer wieder auf allen möglichen Märkten zu beweisen – vom Dating- bis zum Arbeitsmarkt.
Dadurch wird der Selbstwert zum Marktwert. Dabei vergisst man leicht, dass jeder Mensch, genau so wie jedes Stück Natur und jedes Tier, an sich wertvoll ist. Dieses Wissen müssen wir uns zurückerobern.

Also zurück zur Authentizität?
Da muss man differenzieren: Das Authentische des Menschen ist nicht nur sein Inneres, sondern eben Inneres und Äusseres zusammen. Diese puritanische Haltung, wir müssten uns nur auf das Innere konzentrieren und der verlogenen äusseren Welt abschwören, bringt uns auch nicht weiter.
 Was bringt uns denn weiter? Wäre ein Mittelmass aus Selbstoptimierung und Lebenskunst optimal?
Ich glaube, der entscheidende Gedanke hinter dieser Frage betrifft nicht nur das Mass, sondern auch die Motivation. Es ist sinnvoller, die Energie, die wir in die Optimierung unseres Selbst stecken, dafür zu nutzen, das Bild, das wir abgeben möchten, mit unserer inneren Wirklichkeit in Korrespondenz zu bringen.
In einer Zeit, in der die Welt so sinnlos und brutal wirkt, liegt es an jedem Einzelnen, Widerstand gegen Konkurrenz, Kälte und Gier zu leisten. Das beginnt mit einem nutzlosen Lächeln, das wir dem anderen schenken, anstatt ihn oder sie einfach nur abzuchecken. Es ist an der Zeit, wieder Lieben zu lernen und das Leben zu wagen, anstatt es nur zu verwalten.”
Es ist also sehr gut zu erkennen, dass es nicht so wichtig ist, dass sie eine bessere Version von sich selbst werden. Es ist viel wichtiger, ein anständiger Mensch zu werden.
Es ist völlig in Ordnung, Träume zu haben und unmögliche Ziele zu verfolgen. Aber es lohnt sich auch zu bedenken, dass alles im Leben nur vorübergehend ist. Auch gibt es etwas, was Psychologen die “hedonische Tretmühle” nennen: Wann immer Sie etwas erreichen, gibt es immer irgendein weiteres Ziel, das Sie erreichen möchten. Das Erreichte wird schnell schal. Und so läuft man immer im Kreis, immer auf der Suche nach dem nächsten Ziel und wird nie glücklich und zufrieden sein. Wenn Sie das einmal erkannt haben, dann ist es an der Zeit zu fragen: Was ist wirklich wertvoll – nicht nur für mich, sondern für möglichst viele Menschen, ob sie mir nahestehend sind oder nicht.
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Veröffentlicht am 02. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
10. Juli 2024

Laufen

Sieben grosse Mythen übers Laufen / Joggen

    • Joggen ist schädlich für den Rücken, da es grosse Schläge gibt!
      Unsinn! Erstens weiss man heute, dass nicht die Kompression für die Bandscheibe gefährlich ist, sondern die zu starke und stete Rotationsbewegung. Zudem gibt es einen sehr federnden Laufstil mit Einbezug der Federfähigkeit des Fusses, der Knie und der Hüftgelenke (siehe hier!).
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    • Zum Laufen benötigt man Laufschuhe, die gut unterstützen, federn
      und führen!
      Unsinn! Die neue Devise ist: keine Dämpfung, keine Stützung, keine Führung! Das Barfusslaufen ist ideal und sollte von einem guten Laufschuh möglichst kopiert werden
      (siehe hier!).
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    • Das Ziel beim Joggen ist, möglichst schnell zu werden!
      Unsinn!  Langsamkeit ist der entscheidende Faktor: Statt Sport betreiben wir Bewegung. Statt objektiv etwas zu messen, spüren wir uns subjektiv. Statt wegzurennen, laufen wir nach innen. Statt etwas zu trainieren, lassen wir los und finden unseren persönlichen Rhythmus und unsere Einheit (siehe hier!).
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    • Fürs Laufen benötigt man vor allem starke Beinmuskeln!
      Unsinn! Nicht die Beinmuskeln sind der entscheidende Faktor, sondern der richtige Einsatz der Schwerkraft, des Gewichts. Starke, grosse Muskeln können sogar im Gegenteil die geschmeidige, ökonomische, gesunde Laufbewegung behindern (siehe hier!).
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    • Beim guten Joggen läuft man v.a. auf dem Vorfuss!
      Die reine und forcierte “Vorfusstechnik” (Ballenlaufen) ist medizinisch bedenklich und resultiert in vielen Bindegewebsproblemen im Unter- und auch im Oberschenkel. Gefragt ist eine “Ganzfusstechnik”, bei der die Füsse von hinten bis vorne (als Ganzes) wie eine Feder gegen den Boden gespannt werden (siehe hier!).
      Wichtig ist der Schwerpunkt beim Laufen, der etwas vor dem Lot liegen muss. Dadurch kommt man automatisch mit nur noch sehr wenig Gewicht zuerst auf die Ferse, aber sofort mit dem Hauptgewicht in den Mittelfuss und auch auf den Vorfuss. Der sogenannte “Ballengang” ist also nicht ganz ein ausschliesslicher Vorfussgang.
      Auch gemäss einer grossen neuen Studie einer internationalen Forschergruppe im Journal of Experimental Biology ist die effizienteste Fortbewegungsart des Menschen, dass Abrollen des Fusses über die Ferse zuerst bis zu den Zehen (Cunningham CB et al., J Exp Biol. 2010 Mar 1;213(5):790-7).
      Siehe auch hier: Laufen wie die Afrikaner!
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    • Bergläufe sind viel schwieriger als ebenaus Laufen!
      Unsinn! Im Gegenteil: Bergläufe rennt man mit derselben Technik wie geradeaus und ergeben für unseren Körper durch die abwechselnde Belastung der verschiedenen Gewebsanteile und Muskeln viel weniger monotone Abnützungsprobleme (siehe hier!).
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    • Vor dem Joggen sollte man sich mit Stretching vorbereiten!
      Unsinn! Stretching kann die Verletzungsgefahr sogar erhöhen! Am besten ist es einfach langsam loszugehen. Dieses Warming-Up bereitet nicht nur die Muskeln vor, auch alle Organe, mein ganzer Körper wird aufgewärmt (siehe hier!).

Ich gebe auch persönliche Tipps zum Laufstil und zur ökonomischen Jogging-Bewegung während meiner Rolfing-Sitzungen.

“Verlieren Sie vor allem nicht die Lust dazu zu gehen. Ich laufe mir jeden Tag das tägliche Wohlbefinden an und entlaufe so jeder Krankheit; ich habe mir meine besten Gedanken angelaufen, und ich kenne keinen Gedanken, der so schwer wäre, dass man ihn nicht beim Gehen los würde. Bleibt man so am Gehen, so geht es schon.” Søren Kierkegaard

Veröffentlicht am 28. Mai 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
18. April 2024