Art of Aging

Man muss lange leben, um ein Mensch zu werden.
[Antoine de Saint-Exupéry]

Mensch, werde wesentlich.
[Angelus Silesius]
The young become the old, and mysteries do unfold.
[Benard Ighner, Everything Must Change.]

Wie kann man lange leben, ohne körperlich und psychisch abzubauen?!

Zuerst mal: Der Begriff “Anti Aging” trägt zu einem negativen Altersbild bei. Ich will statt Anti-Aging besser Art of Aging, Pro-Aging oder Better-Aging sagen und mich damit für ein kompetentes und gesundes Älterwerden einsetzen.
Wilhelm Schmid hat es in seinem wunderbaren Buch (Gelassenheit. Was wir gewinnen, wenn wir älter werden) “Art of Aging” genannt. Also eine Kunst des Älterwerdens, um mit diesem Prozess zu leben, statt dagegen anzuleben. “Eine Lebenskunst im Umgang mit dem Älterwerden kann helfen, mit den Herausforderungen, die diese Phase bereithält, so zurechtzukommen, dass das Leben schön und bejahenswert bleibt –und wenn nicht mehr das eigene Leben in dieser Zeit, so doch das Leben als Ganzes…”
Wir wollen nicht gebrechlich werden und dahinsiechen, sondern wir wollen, dass die Jahre, die uns durch die längere Lebenserwartung heute geschenkt werden, erfüllte Jahre werden. Dazu kann die Gesellschaft und jeder Einzelne etwas tun.

Der Jungbrunnen von Lukas Cranach d.Ä.

Das Paradies der Unsterblichkeit

„Das Leben ist eine sehr endliche Veranstaltung, und ab einem bestimmten Punkt ist man auf der anderen Seite.
Ich bin mit Mitte 50 aus dem Paradies der Unsterblichkeit gekippt. Ich habe immer gespielt, nichts wirklich ernst genommen, aber auf einmal war er da, der Moment, und ich merkte: Jetzt bin ich angeschossen…“
Ulrich Tukur, deutscher Schauspieler

Jedermann, jede Frau erlebt irgendwann im Leben diesen “Kipppunkt, an dem ich aus dem Paradies der Unsterblichkeit falle”. Die Männer häufig schon mit 30 bis 40 Jahren beim Auftreten eines Haarausfalls, Frauen meist schon früher beim ersten Bemerken eines äusseren “Makels” (Orangenhaut, Falten, graue Haare…). Wir Kippen dann endgültig aus dieser Makellosigkeit mit dem Auftreten einer Funktionseinbusse, wie Hör- oder Sehstörungen, Hinken, Versiegen der Menstruation,…

Alter schützt vor Jugendlichkeit nicht

Alt werden wollen alle, alt sein nur wenige. Die Angst zu altern ist so alt wie der Mensch. Warum?
Gerade heute hätte der Mensch wenig Grund, das Alter zu fürchten, weil wir nicht nur älter als unsere Eltern, sondern auch gesünder als sie älter werden (“Happy-Well”).
Seit Urzeiten suchen wir nach der Quelle der ewigen Jugend und des ewigen Lebens, doch den Jungbrunnen haben wir nie gefunden. Erstaunlich, denn der Jungbrunnen ist so nah – die Reise dorthin ist keine für Pauschaltouristen, es ist eine Reise zu sich selber.

Der Psychologe und Altersforscher Andreas Kruse hat darauf die folgende Antwort: »Wenn du von dir glaubst, nichts Positives mehr bewirken zu können, geht es körperlich bergab.« Im Interview mit der ZEIT erzählt er, warum wir uns vor der zweiten Lebens­hälfte nicht fürchten müssen und wie man innerlich “jung” bleibt. Neben der körperlichen Aktivi­tät ist für Andreas Kruse vor allem eins ent­scheidend: Open-Mindedness – geistig, emotional und spirituell offen zu bleiben. Sich also fortwährend in Premieren des Lebens zu stürzen und neue Erfahrungen zu machen. Damit sind jetzt nicht Bungee-Sprünge für Senioren gemeint. Man kann es im schnöden Alltag auch einfach mal damit versuchen, häufiger Ja zu sagen – zu Ein­ladungen, Begeg­nungen und allem, was sich da zwischen Aufstehen und Zubettgehen so anbietet.
Lesen Sie hier im Interview, warum das mit der Angst vorm Alter nicht sein muss.  

Im Alter geht es um neue Werte

Kürzlich in einem Interview nuschelte Udo Lindenberg, heiser wie immer, folgenden Satz vor sich hin:
«Alter steht für Radikalität und Meisterschaft – und nicht fürs Durchhängen.»

Oder Peter Sloterdijk im Gespräch mit Robert Habeck auf der phil.COLOGNE 06/2023: „Wir dürfen uns vom Status quo nicht zu sehr verzaubern lassen“. Diese Radikalität ist Sloterdijk im Alter, auch wenn es wie ein Bruch im Denken des oft als konservativ charakterisierten Philosophen scheint. Denn, wie der 75-jährige über sich selbst sagt: „Nur die Menschen an der Schwelle des Todes sind wirklich frei“. Womit er meint: Frei zu denken.

Neue Werte sind: Frei denkend, wesentlich-essentieller, gelassener, gleichmütiger, also radikaler, in Meisterschaft.
Die passende Philosophie für ein gelungenes Alter ist der Stoizismus >>> dazu mein Blogbeitrag. Sie kreist um Gelassenheit, Gleichmut und immer mehr Freiheit von negativen Gefühlen/Gedanken.

Neue Werte sind auch Verlangsamung, Hängen lassen und Ent-Spannen. Man verlässt idealerweise das jugendlich Straffe und Gehaltene, das auch mit Schnelligkeit, Zwang, Zusammenziehen, (Ver-)Spannung und Verkürzung zu tun hat.
Was dies auf der körperlich-strukturellen Ebene heisst: einen längeren, grösseren Innenraum zu bekommen und damit viel Platz für Körper und Geist zu haben. Wie man dies erreicht, erfahren Sie weiter unten auf dieser Seite!.

Die Fähigkeit, Schönheit zu sehen

“Die Jugend ist glücklich, weil sie die Fähigkeit hat, Schönheit zu sehen. Wer die Fähigkeit behält, Schönheit zu sehen, wird nie alt.” ~ Franz Kafka

Sie haben immer die Fähigkeit, das war nie das Problem. Sie besitzen aber vielleicht nicht mehr die Werkzeuge, um das bösartige Selbsturteil zu erkennen und zu revidieren, Ihre Identität umzudeuten – und das war es, was die Schönheit verbarg, die Sie zu jeder Zeit umgab.
Es hat lange gedauert, bis ich gelernt habe, die Schönheit zu sehen, und jetzt ist sie überall, wo ich hinschaue. Und, lieber Franz Kafka, ich bin immer noch dabei, alt zu werden …

Wir können weitgehend selbst bestimmen, wie wir altern

Eine Untersuchung der Harvard Medical School, eine der längsten (Beginn 1938 mit über 85 Jahre Beobachtung der bisher 3 Generationen mit mehr als 1300 Kinder der ursprünglich 900 Frauen und Männer) und umfassendsten Forschungen zur menschlichen Entwicklung (Grant Study of Adult Developement) zeigt:

Was unterscheidet Menschen, die im Alter von 60 bis 80 zufrieden und gesund sind (Happy-Well) von den traurigen Kranken (Sad-Sick), fragten sich George E. Vaillant und sein Team (Interview mit Vaillant über seine Grant-Studie & Aging Well. Little, Brown & Company, Boston 2002 & Robert Waldinger, Marc Schulz: The Good Life … und wie es gelingen kann).

(Viel) Geld hingegen macht uns nicht glücklicher oder gesünder und auch nicht die überbewerteten Gene. Jedoch die Armut verkürzt unser Leben >>> siehe unten.

50-Jährige, die 5 Faktoren für einen gesunden Lebensstil berücksichtigen, haben eine deutlich längere Lebenserwartung frei von chronischen Krankheiten verglichen mit Gleichaltrigen, bei denen keiner der Faktoren Teil ihres Lebensstils ist.

Inflammaging

In den vergangenen Jahren hat die Medizin erkannt, dass viele Erkrankungen eine mehr oder weniger ausgeprägte Entzündungskomponente haben. Das gilt selbst für Krankheiten wie Atherosklerose, Darmkrebs oder neurologische Erkrankungen. Die Gerontologie betrachtet chronische Entzündungen inzwischen als zentralen Mechanismus des Alterns. Dieser Zusammenhang wird als Inflammaging bezeichnet. Deswegen ist eine antientzündliche Ernährung so wichtig.
Dazu weiter >>>

Gute Beziehungen machen uns glücklicher und gesünder

Es ist weder Geld noch körperliche Gesundheit, was uns primär glücklich macht. Diese Langzeitstudie zeigt eindrücklich, welche zwei Elemente am meisten zählen:
Das eine ist die Liebe. Das andere ist es, einen Lebensweg zu finden, der Liebe nicht vertreibt.
Die Studie zeigt, welche positiven Auswirkungen die Liebe auf unsere emotionale Stabilität und die Gesundheit hat. Wer sich über lange Zeiten einsam fühlt, neigt laut Vaillant sogar zu schlechterer Gesundheit und stirbt womöglich früher.
Die Anwesenheit eines geliebten Menschen dagegen kann sowohl psychischen als auch physischen Schmerz lindern (also auch “Happy-Sick” ist möglich). Ausserdem trägt eine vertrauensvolle Beziehung zu einem entspannten Nervensystem und einem gesunden Gehirn bei!

>>> Mehr über diese Grant-Glücks-Studie von Vaillant

>>> Mehr  über “gute”Intimität

Geistiger Verfall ist nicht programmiert

Eine altersbedingte Abnahme der geistigen Fähigkeiten ist nicht unausweichlich. Seniorinnen, die weder an Bluthochdruck, noch an Diabetes leiden und nicht rauchen, haben gute Chancen, im Alter von 85 Jahren noch geistig fit zu sein (amerik. Studien publiziert in Journal of the American Geriatrics Society).
Heute sind die 75jährigen kognitiv fast 20 Jahre jünger als noch vor zwei Jahrzehnten (www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.498497.de/diw_sp0738.pdf)!
Zudem weiss man aus der Hirnforschung, dass auch ein “altes” Hirn noch lernen und wachsen kann, wenn Begeisterung und Freude im Spiel ist. The brain run on fun!
In diesem Zusammenhang erwähne ich, dass auch ein junges Hirn in Sachen Lern- und Gedächtnisleistungen mickrig wenig leistet. Auch jugendliche Akademiker können sich nach einer Tagung gerade mal an 8% des Programms erinnern – und nur gerade 50% davon richtig. Diese Ergebnisse tauchen die Annahme, dass wir im Alter langsam aber sicher unser Gedächtnis verlieren, in ein anderes Licht. Unser Gedächtnis ist zu keinem Zeitpunkt unseres Lebens präzise, unfehlbar und vollständig.
Vergesslichkeit ist das eine, Zuverlässigkeit das andere. Das Gedächtnis versucht nie auch nur annähernd, das dauerhaft abzuspeichern, was wir exakt erlebt und erfahren haben. Als junge Erwachsene bemerken wir das nicht und sind voller Selbstbewusstsein hinsichtlich unserer Gedächtnisfähigkeiten. Im Alter aber werfen wir uns dies selbst vor (Lit: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden, Martin Korte).

Man hat gemerkt, dass jede Lebensdekade ihre kognitive Höchstleistung hat. Menschen über sechzig sind besonders wortgewandt. Sie zeigen einen aussergewöhnlich grossen Wortschatz. Und erstaunlicherweise behalten diese Menschen neue Worte leichter als Jüngere. Ein gutes Gedächtnis, so viel wird aus Studien deutlich, ist also kein Vorrecht der Jugend.
Menschen arbeiten heute bis in ein höheres Alter und ihre Arbeit erfordert sehr häufig das kontinuierliche und breit gefächerte Lesen. Dies baut ihren Wortschatz nicht nur aus, sondern pflegt und hält ihn auch aufrecht.

Das Gehirn älterer Menschen wird also nicht leistungsschwächer. Ganz im Gegenteil: Es weiss einfach mehr!

Der Sinn des Vergessen

Vergessen ist sogar eine Voraussetzung für Intelligenz. Wenn kleine Kinder den Unterschied zwischen Hunden und Katzen lernen, müssen sie auch verstehen, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Hunden irrelevant sind. Man vergisst also nach Möglichkeit gewisse Dinge, wenn man Kategorien und Prototypen bildet. Das ist wichtig für das Denken im Allgemeinen!

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine harsche Auseinandersetzung mit einem Kollegen, böse Worte fallen. Wäre die Erinnerung daran nach einem Monat immer noch gleich scharf wie nach einer Stunde, so wäre es sehr schwierig, sich je zu versöhnen. Auch in sozialer Hinsicht ist es also nützlich, dass unsere Erinnerungen erodieren.
Im Gehirn werden dauernd neue Verbindungen geknüpft und alte gekappt. Hirnzellen sterben. Da verschwinden automatisch gewisse Dinge.

Tiefschlaf hält Erinnerungen wach

Viele ältere Menschen haben einen gestörten Schlaf. Dies kann Auswirkungen auf ihre Gedächtnisleistung haben: >>> mehr darüber!

Keine Rollatoren und Krücken um die grosse Plastizität des “alten” Gehirns” voll zu nutzen!

Seit Jahren ist die Gewissheit gewachsen, dass nicht nur unser Körper eine enorme Selbstheilungs- und Umbaufähigkeit besitzt (eindrückliches Beispiel hier walserblog.ch/2014/05/16/regeneration/), sondern auch unser Nervensystem mit unserem Hirn. Diese Erkenntnis wuchs, als man erlebte wie das Hirn sich auch nach einer grösseren Zerstörung zum Beispiel durch Hirnschlag oder Trauma erstaunlich erholen kann, falls man das Hirn auch sofort und stark fordert und nicht schont. Regeneration, neue Synapsenbildung und Übernahme von gestörten Funktionen durch neues Nervengewebe, respektive durch andere Hirnregionen geschieht durch Anregung und nicht durch Schonung.

Man kann diese Plastizität unseres ganzen Wesens auch beim Altwerden beobachten. Der Feind dieser Plastizität ist die Schonhaltung „Das war‘s!“ – sich selbst als wirklich „alt“ sehen und nichts mehr „Anstrengendes“ und Neues anpacken. Gut wären wenig „Rollatoren“ und Krücken! Jeder „Rollator“ – ausserhalb von schweren Gangstörungen natürlich – lässt unser Hirn verarmen und verhindert Wachstum.
So gesehen, ist bereits eine Gleitsichtbrille ein Rollator für unser Auge und lässt unser Sehnerv und Sehhirn verarmen.
Hingegen kann eine früh eingesetzte Hörhilfe die noch guten Hörzentren stärken und unseren sozialen Radius wieder vergrössern.
Auch Wanderstöcke lassen übrigens unser Gleichgewichtsorgan schwächer werden: walserblog.ch/2016/08/11/wanderstoecke-beim-berggehen/.
Auch eine sogenannte „altersgerechte“ Wohnung ohne Schwellen und ohne (Stolper-)Teppiche wirkt kontraproduktiv. Das Gegenteil davon, also viele Stufen und Hindernisse, dann Ortswechsel, neue Küchenschrankeinteilungen, natürlich auch neue Freundschaften und unbekannte Reiseziele lassen unser Hirn wachsen und lebendig bleiben.

90% aller Blockaden im Alter sind selbstgemachte, angstgesteuerte, unnötige, fürs Hirn lähmende, einschläfernde, …

Weiterlesen in meinem Blog.

Kein altersbedingter Abbau der Muskeln

Seniorensportler dominieren ultralange Sportveranstaltungen wie Ultramarathons. Dies beweist, dass der altersbedingte Abbau der Muskelmasse durch regelmässigen Sport auf ein Minimum reduziert werden kann. >>> Ein Medizinartikel darüber: seniorenlaeufer.pdf

Falscher Mythos: Der Rücken verschleisst sich mit der Zeit, deshalb hat man im Alter öfters Rückenschmerzen…

Genauso wie Gewichtheben die Muskulatur kräftigt, wird der Rücken durch tägliche Bewegung und Belastung gestärkt. Aktivitäten wie Laufen, Drehen, Biegen und Heben sind unbedenklich, wenn man diese Bewegungen allmählich steigert und regelmässig durchführt. Das Alter hat nichts mit den Rückenschmerzen zu tun. Das zeigt auch der Rückenreport 2020 der Rheumaliga Schweiz. Dort gaben mehr 16- bis 29-Jährige an, mehrmals pro Woche unter Schmerzen und Verspannungen zu leiden (21 Prozent), als die über 65-Jährigen (17 Prozent)!

Ältere fühlen sich weniger müde und sind zufriedener

Ältere Menschen sind weniger oft müde als jüngere. Das stellten Forscher der London School of Economics fest, als sie eine Umfrage mit 13 000 Teilnehmern auswerteten. Der Zusammenhang war unabhängig davon, wie viel die Teilnehmer schliefen, und wie gesund sie waren.
Heike Bischoff, Direktorin der Klinik für Altersmedizin am Unispital Zürich, hält das für plausibel: «Müdigkeit ist eine subjektive Grösse.»

Auch nach Operationen, etwa einem Kunstgelenk, seien Senioren oft zufriedener als Junge: «Jüngere Menschen erwarten mehr.» (Journals of Gerontology, 2013, Series B)

Zufriedenheit steigt im Alter!

Glück im Alter

Wir halten Glück für etwas Zufälliges, was ich nicht ganz zutreffend finde. Glück hat mit Wachsamkeit zu tun, mit dem Bemerken der Gelegenheiten, die sich einem bieten – also mit dem bewussten Leben der Übergänge und dem Wahrnehmen der vielen Zwischenräume im Alltag (siehe dazu meinen Blogbeitrag:
walserblog.ch/2015/05/04/uebergaenge-zwischenraeume/
Man kann dem eigenen Glück nachhelfen – wenn man sich nicht auf einen Standpunkt versteift, sondern beweglich, offen und weit bleibt.

Morphium ist der Botenstoff des Alters

Der menschliche Körper kann Morphium produzieren, einen Botenstoff, der ein besonderes Hochgefühl auslöst, ein Gefühl tiefer innerer Zufriedenheit.
Doch es gibt noch zwei weitere Botenstoffe des Menschen: Dopamin und Adrenalin. Der erste ist eine Vorstufe des Morphiums, er löst Vorfreude aus, Glücksmomente, die beim Erleben dann rasch zerrinnen. Der zweite wird bei Stress ausgeschüttet, versetzt den Körper in Alarm und hilft so, Hindernisse zu überwinden. Adrenalin beeinflusst seinerseits die Morphiumbildung – und andersherum. Die Botenstoffe können ineinander übergehen: Aus Dopamin wird mithilfe von Adrenalin Morphium gebildet. 
Es herrscht eine biologische Logik. Welche wird klar, wenn man die U-Kurve der Lebensfreude ansieht (siehe oben) – die Wirkung der Stoffe passt genau zu den Lebensphasen. Dopamin steht für das jugendliche Glück, den Aufbruch, die Ekstase, das Lernen. Bei Adrenalin geht es um das Meistern von Problemen, um die Leistungsbetontheit, die steile Karriere. Und Morphium bringt die Glückseligkeit des Alters.
Es gibt ein komplexes Wechselspiel zwischen Lebensabschnitt, Lebensumständen und der Konzentration der Botenstoffe im Körper, das dazu führt, dass bei den Jungen besonders viel Dopamin ausgeschüttet wird, bei den Mittelalten mehr Adrenalin und bei den Älteren mehr Morphium.

Ganz allgemein behaupte ich, dass die Drogen eher etwas für Ältere (in ihrer Integrität ruhend) als für die Jugendlichen (die noch mühsam ihre Identität suchen) sein sollten:  Paul Parin über die “Weisen Pharmagreise“! und auch Michael Pollan über den guten LSD-Trip!

In Rente gehen

Wer heute in Rente geht, hat statistisch noch mindestens 20 aktive Jahre vor sich. Sie zu gestalten ist für viele nicht einfach. Ein guter Bericht, der dies anschaulich und hilfreich beleuchtet:  Birgit Schönberger: Grosse Freiheit oder grosses Loch (in Psychologie Heute, 09/2016)?

Neue Formen von “Karriere” und Pension: Bogenkarriere & Sinuskarriere!

Altersvor-Sorge

“Altersvorsorge” enthält ja bereits im Namen die “Sorgen”:
Sorgen um die Zukunft und sich dabei das Hier und Jetzt noch vermiesen…

 

Eine optimale Altersvorsorge ist die Pflege seiner Persönlichkeit und seines Umfelds (Beziehung, Familie, Nachbarn, Gemeinde…) – und nicht, wie die Banken und Versicherungen uns vorgaukeln, mehr zu arbeiten, um mehr Geld zu sparen!

Die Lebensaufgaben erledigen

George A. Vaillant zeigt anhand der “Lebensaufgaben” gemäss dem entwicklungspsychologischen Modell von Erik H. Erikson, was sie im Einzelnen für den Prozess des “guten Alterns” bedeuten. Er fügt zu den letzten vier Phasen (Identität, Intimität, Generativität und Integrität), noch zwei weitere hinzu: Zwischen Intimität und Generativität schiebt er “Konsolidierung” (career consolidation) und zwischen Generativität und Integrität “Bewahren des Sinns” (keeper of the meaning).

  • Identität: Noch vor dem Eintritt ins eigentliche Erwachsenenalter löst sich ein Mensch nach Möglichkeit von seinen Eltern und entwickelt eine eigene Identität: Er besitzt dabei am besten die Gewissheit, dass seine Werte, Leidenschaften, Lebensziele, Geschmacksurteile und so weiter wirklich seine und nicht die der Eltern sind. Wer seine Identität nicht erringt, tut sich lebenslang schwer, feste Freundschaften und Bindungen einzugehen oder eine befriedigende Arbeit zu finden.
    Man könnte auch raten: Bleiben Sie sich immer treu! Also: “wesentlich werden!”
  • Intimität: Es gilt, bereits im frühen Erwachsenenleben zu lernen, stabile, von wechselseitiger Wertschätzung getragene Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, vorzugsweise zu einem Lebenspartner, aber auch mit Freunden. Ohnehin erlauben intime, stabile Bindungen und Freundschaften die besten Prognosen für ein “erfolgreiches Altern” und psychische Gesundheit. Wenn man älter wird, bessern sich die Beziehungen zu anderen. Das Zusammenspiel von Respekt und Nachsicht mit älteren Menschen und weniger Konfrontationsbereitschaft ihrerseits sorgt für einen freundlicheren Umgang miteinander (Karen L. Fringermann u.a.: It takes two to tango: Why older people have the beset realtionships. Current Directions in Psychological Science, 19/3, 2010, 172-176).
    Mehr über die “Midlife-Boomer” hier >>> midlife-boomer/
    Ein gutes Netzwerk aus Freunden und Nachbarn erhöht die Lebenserwartung deutlich. Gemäss einer Studie (Holt-Lunstad J et al., PLoS Med. 2010 Jul 27;7(7):e1000316), ist wenig Freunde zu haben, genauso schädlich wie 15 Zigaretten am Tag zu rauchen oder ein Alkoholiker zu sein.
    >>> Zum leidenschaftlichen Sex im Alter: siehe weiter unten!
  • Konsolidierung der beruflichen Karriere: Es gilt, im fortgeschrittenen Erwachsenenleben eine stabile soziale Identität in der Arbeitswelt aufzubauen. Voraussetzung dafür ist, dass man ein bestimmtes Kompetenzniveau und damit den Respekt anderer Menschen erwirbt, dass man sich beruflich weiterentwickelt, sich langfristig in ernsthaften Projekten engagieren kann und mit der Arbeit im Grossen und Ganzen zufrieden ist. Vaillant betont, dass auch “Hausfrau und Mutter” eine Karriere in diesem Sinne sein kann.
  • Generativität: Diese spezifische Lebensaufgabe besteht darin, “das eigene Selbst selbstlos wegzugeben” (Vaillant), vor allem an die jüngere Generationen. Generativität betrifft die Fragen: Was bleibt von mir? Was will ich hinterlassen? Wie behalten mich andere in Erinnerung? Es geht um das ideelle und materielle Erbe, das wir weitergeben – nicht nur den eigenen Kindern, sondern überhaupt der “Nachwelt”. Generativ sind wir, wenn wir als Ratgeber, Mentor, Lehrer, Coach, Trainer oder Führer aktiv werden und andere an unserem Erfahrungsschatz und Wissen teilhaben lassen. Diese Phase kommt im mittleren Lebensalter, um die 40, auf uns zu, wenn das Leistungsmotiv abklingt und eher Gemeinschaftswerte und gesellschaftliche Aufgaben ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken.
    Geben Sie mehr als Sie nehmen! >>> siehe unten!
  • Bewahren des Sinns: Es gilt nun als Nächstes, kulturelle Werte zu bewahren und wertvolle Institutionen in der Gesellschaft zu festigen – indem man als älterer Mensch die Tugenden von Weisheit und Gerechtigkeit praktiziert. Ein “Bewahrer des Sinns” ist ein im besten Sinne “Wertkonservativer”. Er übernimmt etwa die Rolle des weisen Richters, der Streit schlichtet und Feinde miteinander versöhnt. Er ist ein Bewahrer, der Traditionen rettet und dabei weit über den engeren persönlichen Radius hinaus wirkt.
    Als Beispiel steht hier Stéphane Hessel, der französische Philosoph, der mit 93 Jahren eine kleines politisches Büchlein, 32 Seiten dünn, mit dem imperativen Titel “Indignez-vous!” (“Empört euch!”) schreibt. Er schreibt kurz und wesentlich, wie es eben nur in diesem Alter möglich ist von seiner Wut über die Ungerechtigkeit auf dieser Welt: das Gefälle zwischen Arm und Reich; die Arroganz der Finanzmärkte; der Umgang mit Migranten; die Zerstörung der Umwelt. Hessel fürchtet sich vor gar nichts mehr. Er eckt rechts wie links an. Das ist ein Privileg des Alters.
  • Integrität: Die letzte grosse Aufgabe im Leben ist es , das eigene Leben zu akzeptieren und anzunehmen, indem man das Gute und auch das weniger Gute, die Schattenseiten in die eigene Lebensgeschichte integriert und seinen Frieden mit sich und der Welt machen kann. Es wird immer wichtiger, seine Gedanken, Urteile und Glaubenssätze zu beleuchten, hinterfragen und zu verstehen, dass wir nicht beeinflussen können, WAS wir erleben, aber (positiv), WIE wir wahrnehmen, was wir erleben!
    Integrität bedeutet, auch im Angesicht des Todes nicht zu verzweifeln, sondern zu seiner Geschichte zu stehen und ihr einen Sinn zu geben. Wer diese Aufgabe meistert, ist vor den Ängsten und Depressionen der letzten Lebensphase einigermassen gefeit.

50:50-Modell

Dieses Modell sieht vor, dass wir uns in der ersten Lebenshälfte bis 50 eine Fülle von Wissen und sozialem Knowhow aneignen, die wir dann im zweiten Teil, in den nächsten 50 Jahren an unsere Umgebung und die Gesellschaft zurückgeben. Dies ist eine Art soziales Sicherungssystem: Erst erwirbt man Kompetenzen, dann gibt man sie an das System, an nachfolgende Generationen zurück.
Hier wird also das 50. Lebensjahr zu einem positiven Wendepunkt: Mit 50 wird das Leben erst richtig interessant. Mit 50 können die Menschen gesellschaftlich wichtige Beiträge leisten – in ihrem kommunalen Umfeld, bei der Arbeit, in der Familie. Die zweite Lebenshälfte ist so eine Ära persönlichen Wachstums und sozialem Engagements. Und dafür sind die über 50-Jährigen auch gesundheitlich – emotional wie körperlich – gut ausgestattet. Studien zeigten, dass Ältere weniger psychiatrische Erkrankungen haben, sie leiden weniger oft an Depressionen, Angsterkrankungen, Phobien und Süchten als Jüngere.
Auch körperlich sind die über 50-Jährigen so gesund wie nie zuvor in der Geschichte. Wenn ich mir eine Gruppe von Menschen wünschen dürfte, die sich um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Welt kümmern, dann wären das die Menschen über 50. Sie profitieren von der Vielfalt an Wahlmöglichkeiten, die sie aufgrund ihrer Lebenserfahrungen erworben haben. Diese Weitsicht des Alters müsste die Gesellschaft viel stärker nutzen.
Scheitern könnten wir bei dem Projekt nur, wenn wir zu wenig Vorstellungskraft entwickelten und das Alter weiterhin als Abstieg statt als eine ganz normale Lebensphase verstehen. Diese Phase steht am Ende eines, sagen wir, „optimierten Skripts für Gesellschaften des langen Lebens“. Warum arbeiten wir nicht ein paar Jahre länger, schinden uns dabei aber weniger?
Um nicht auszubrennen und die Familienphase zu entzerren, sollte dabei die Arbeitslast besser über die Lebensjahre verteilt, die Rushhour des Lebens vermieden und statt dessen länger und durchschnittlich weniger gearbeitet werden. Das würde den Zeitdruck auf Erwachsene in der Lebensmitte mildern und Menschen jeden Alters mehr Optionen für die Zeit- und Lebensplanung eröffnen.
(L. Carstensen: A long bright future. Happiness, health and financial security in an age of increased longevity. Public Affairs, New York 2009).

Positives Selbstbild und Zufriedenheit

Ältere Menschen mit einer positiven Einstellung zum Alter, also auch einem positiven Selbstbild, leben im Durchschnitt 7 bis 8 Jahre länger als Senioren, die mit dem Älterwerden hadern. Dies ergab eine Studie von Forschern der Yale University in New Haven USA, die über 23 Jahre US-Bürger beobachteten. Zufriedenheit wirkt sich demnach stärker auf die Lebensdauer aus als etwa ein normaler Blutdruck oder ein niedriger Cholesterinspiegel.

Man weiss auch mit Studien aus der Neurophysiologie, weshalb dem so ist: Die Telomere sind wie die Schutzkappen bei Schnürsenkel – sie verhindern das Ausfransen der Genstränge an deren Enden. Sie verkürzen sich mit fortschreitendem Alter und gelten deshalb als Mass unserer Alterung. Dies geschieht nun langsamer, wenn wir zum Guten fokussiert sind – auch wenn wir denken, das Altern passiere nur im Kopf und ist deshalb durch Gedanken beeinflussbar. Übrigens auch weniger Stress, also mehr Entspannung schützt die Telomere!

Wer sich jung fühlt, lebt länger

Man ist so alt, wie man sich fühlt – das sind mehr als leere Worte, wie eine Untersuchung des «University College London» zeigt. Forscher befragten fast 6500 britische Frauen und Männer um die 65 zu ihrem Alter. Rund zwei Drittel von ihnen fühlte sich mindestens drei Jahre jünger als sie waren. Die anderen Personen fühlten sich älter.
Erstaunlich: Von diesen starb jeder Vierte. Bei denen, die sich jünger fühlten dagegen nur jeder Siebte. Auch wenn die Forscher chronische Krankheiten und ungesunden Lebensstil berücksichtigten, konnten sie diesen Unterschied nicht erklären (Jama Internal Medicine).

Geben ist seliger als Nehmen

Wer als alter Mensch seine Zeit, seine Kraft und sein Wissen anderen zur Verfügung stellt, kann auch sein Leben verlängern. In einer Studie von Stephanie Brown ging es zum einen um praktische Hilfe – Arbeiten im Haushalt, Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Mithilfe beim Hausbau -, aber auch um emotionale Zuwendung wie zum Beispiel dem anderen zuhören, wenn er Probleme hat. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass es nicht darauf ankommt, was wir von anderen dabei bekommen. Ausschlaggebend ist, dass wir Zuwendung geben.
Weiterlesen zur Kindness im Alter: walserblog.ch/2021/01/16/kindness/

Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins (Marie von Ebner-Eschenbach)

Die Befunde der Harvard Study of Adult Development strafen nach Ansicht von George Vaillant all jene Theoretiker Lügen, die ein eher pessimistisches Bild des Alterns entworfen haben – darunter auch so einflussreiche Forscher wie Sigmund Freud und William James. Die sorgfältige Empirie der Längsschnittstudie zeigt, dass Altern ein offener Prozess ist. Er kann scheitern und in geistigem Abbau und psychischem Leid enden, aber er muss es nicht. Im Gegenteil: Altern kann in vielerlei Hinsicht eine Aufwärtsentwicklung sein – eine Chance, sein Leben im besten Sinne zu vollenden und abzurunden. Es ist im Wesentlichen ein langer seelischer Reifungsprozess, eine Entwicklungsmöglichkeit, die man spätestens in mittleren Jahren wahrnehmen und an deren Verwirklichung man nach Möglichkeit bewusst arbeitet.

Über die Störung der Gelassenheit, des Inneren Friedens durch “alltäglichen, kleinen” Ärger, Sorgen, Trauer…

Sechzigjährige haben den besseren Sex!

Sechzigjährige haben wesentlich mehr Persönlichkeit. Durch ihre Erfolge und Fehlschläge kennen sich ältere Menschen einfach besser, im Guten wie im Schlechten. Sie heissen vielleicht nicht alles gut, was sie an sich sehen, aber ihnen ist viel klarer, wer sie sind und wer sie nicht sind. Sie bringen mehr Individualität in die sexuelle Begegnung mit und können sich auch offener und wahrhaftiger zeigen, weil sie in ihrer Differenzierung weiter fortgeschritten sind. Ein reifer Mann glaubt nicht mehr, er müsse im Bett immer wissen, wie es weitergeht, fühlt sich weniger bedroht, wenn seine Partnerin ihm von gleich zu gleich gegenübertritt und kann es zulassen, dass sie ihn auffängt und stützt.
Eine reife Frau kann im Bett selbst die Initiative übernehmen und braucht sich nicht zu rechtfertigen, dass sie selbst erotische Wünsche hat. Auch bei ihr liegen viele Jahre zwischen Geschlechtsreife und sexueller Reife.
Sinnerfüllte Sexualität beruht nicht auf physiologischen Reflexen, sondern setzt eine bestimmte Stufe der persönlichen Entwicklung voraus. Leidenschaftlicher Sex wird im Alter möglich und häufiger!

Mehr über “Besseren Sex” hier >>>

Körperliche Bewegung und Gelenkigkeit

Als einer der wichtigsten Faktoren im komplexen Wirkungsgefüge wurde immer wieder kontinuierliche körperliche Bewegung und Gelenkigkeit im Alter erkannt.

In den sogenannten  “Blue Zones”, d.h. in Gegenden, in denen die Chance hoch steht, 100 Jahre alt zu werden (wie im bergigen Sardinien, in Ogimi an der Nordküste der japanischen Insel Okinawa, auf der griechischen Insel Ikaria, auf der Halbinsel Nicoya in Costa Rica oder in Smaland, Schweden), verbringt man als Selbstversorger viel Zeit im Garten. So bleiben sie gelenkig und müssen kaum zu Hause herum sitzen – etwas, das besonders schnell alt macht. Man treibt keinen exzessiven Sport, kein Yoga und übrigens auch kein Essen ohne jegliche Sünden.

Die bekannteste Arbeit stammt von Ralph S. Pfaffenbarger und seinen Mitarbeitern, die seit Mitte der 60er Jahre den Lebenslauf von 17000 männlichen Harvardabsolventen wissenschaftlich begleiten. Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die mehr als 2000 Kilokalorien pro Woche durch körperlichen Einsatz verbrannten, eine deutlich höhere Überlebensrate aufwiesen als die körperlich weniger aktiven. Dies sind etwa 30 Minuten mässiges Wandern pro Tag – aber der alltägliche Mix ist dabei wichtig (alle Treppen steigen, im Garten arbeiten, einkaufen mit vollen Taschen… und dann noch etwas wandern).
Bei einem Verbrauch von etwa 3500 Kilokalorien ist dann aber eine Schwelle erreicht: Noch mehr Sport führt zu keiner bedeutsamen Erhöhung der Lebenserwartung. Andererseits muss die körperliche Belastung einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, um überhaupt Effekte zu erzielen.

Diese Studie zeigte ferner, dass der Nutzen mit steigendem Alter deutlich zunimmt. Es ist offenbar nicht möglich, sich durch Sport in jüngeren Jahren sozusagen ein Gesundheitsguthaben anzulegen – entscheidend ist, ob man aktiv bleibt. (A mail survey of physical activity habits as related to measured physical fitness. Kohl HW, Blair SN, Paffenbarger RS Jr, Macera CA, Kronenfeld JJ. Am J Epidemiol 1988 Jun;127(6):1228-39 und Physical activity, diet, and health: independent and interactive effects. Wood PD. Med Sci Sports Exerc 1994 Jul;26(7):838-43).

Übrigens ist die Trainierbarkeit der Muskelkraft bis ins hohe Alter normal erhalten. Zum Beispiel liess sich selbst bei 90-jährigen Frauen und Männer die Maximalkraft des Kniestreckers nach 24 Trainingseinheiten in acht Wochen um 177 Prozent steigern. Oder: Vergleicht man z.B. die Spitzenzeiten des Olympiamarathons von 1936 mit denen des Berliner Volksmarathons der 50- bis 59-Jährigen (!) aus dem Jahr 1990, so zeigen sich nahezu identische Leistungen. Auch sportlichen Späteinsteigern gelingt es im Alter hohe sportliche Leistungen zu erzielen. Dies gilt besonders für die aerobe Ausdauer, die etwa im Marathonlauf leistungsbestimmend ist (auch für Schnelligkeit und Kraft gilt dies, weniger für Bewegungskoordination, wie z.B. im Tennis oder Skifahren nötig).
Und zudem ist durch Bewegung im Alter nicht nur die körperliche Fitness gesteigert, sondern auch das psychische Wohlbefinden. In der Berliner Altersstudie von Karl-Ulrich Mayer und Paul Baltes zeigte sich, dass das subjektive Wohlbefinden umso grösser war, je gesünder sich die Leute fühlten. Und die Gesundheit war umso positiver, je sportaktiver die Person noch ist. Dieser Zusammenhang wird mit wachsendem Alter immer deutlicher.
Sport scheint also nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Lebensqualität zu steigern. Erfolgreich altern, so die Berliner Forscher Paul und Margret Baltes, das sei “dem Leben Jahre und den Jahren Leben geben”.
Und nochmals bestätigt: In einer grossen mehr als 20jährigen Beobachtungsstudie (Arch Intern Med; 168(15):1638-1646, 11/15 August 2008; Reduced Disability and Mortality Among Aging Runners. Eliza F. Chakravarty et al.) zeigte sich ein eindrucksvoller Zusammenhang von regelmässigem Rennen (im moderaten Tempo!) bei über 50jährigen mit kleinerer Mortalität (längerem Leben) und besserer Gesundheit. Am Schluss blieb ein im Schnitt fast 40 Prozent niedrigeres Sterberisiko für die vernünftigen Läufer!

Die norwegische Uni Trondheim hat einen Fitness-Kalkulator aus einer grossen Studie erschaffen, der ganz einfach aus 5 Faktoren (Geschlecht, Alter, Bewegungsquantität und -qualität, Bauchumfang, Ruhepuls) errechnet wird. Bestimmen können Sie dabei auch gleich Ihr Fitness-Alter, was dann vielleicht in etwa Ihrem “Biologischen Alter” entspricht (mit Vorsicht zu geniessen!):
www.ntnu.edu/cerg/vo2max

Das Gewebe lang und elastisch halten

Ganz einfach: Alltäglich viel trinken, d.h. 2 bis 2,5 Liter Wasser als Basis. So kann man die anfallenden Harnsäurekristalle aus dem Essen (Fleisch, Fisch…) loswerden und diese werden nicht nach und nach u.a. ins Gleitgewebe der Sehnen abgelagert. Daraus würde allgemein eine langsame Abnahme der Elastizität des Bindegewebes, eine zunehmende Steifigkeit und erhöhte Verletzungsneigung resultieren.
Auch eine gute, mediterrane oder nordische Ernährung unterstützt diesen Prozess.

Ganz einfach auch: Viel Barfussgehen und -laufen! Der Fuss ist ein eigentliches Sinnesorgan mit über 30’000 Nervenendigungen, die gereizt werden wollen. Deshalb keine Einlagen, keine festen Schuhe (Schuhe sind am besten möglichst nahe dem Barfussgehen!), keine Fersendämpfung!
Körperlich-strukturell müssen wir versuchen, den Innenraum lang zu halten, allgemein also nicht zu verkürzen.
Vor allem die Verkürzung der Frontallinie (zwischen Schambein und Kinn) wird mit “Sad-Sick” in Verbindung gebracht (je kürzer umso sad-sick, je länger umso happy-well!). Vorne kurz ergibt hinten einen Rundrücken (BWS-Kyphose). Auch die Bauchmuskeln sind dabei meist verkürzt und ziehen den gesamten Thorax nach unten.

Viele Übel entstehen durch diese Kompression unserer Körperstruktur: Sehnenansatzprobleme; Muskelverkürzungen und Muskelverspannungen; stärkere Abnützung, also Arthrose der Gelenke; weniger freies Atme;, schlechtere Durchblutung der inneren Organe; Nervenkompressionen,…

Diese Längenerhaltung bis ins Alter gelingt in der Alltagsbewegung am besten, falls man sich aus dem Gleichgewicht heraus, sich mit möglichst wenig oberflächlichen Muskeln (die immer auch Anteile haben, die verkürzen), mit möglichst wenig Energie und entspannt bewegt. Das bedingt ein aktiv sein der tieferen Rumpfstabilisatoren. Auch ein freundliches Ausnützen unseres Körpergewichts (der Schwerkraft) und nicht ein dagegen ankämpfen. Es entsteht eine schwingende, katzenartige Bewegung und eine Haltung, die nicht “gehalten” wird, sondern die von innen und unten (Schwerkraft und ihre Gegenkraft, die Normal- oder Stützkraft) gestützt wird.
Mehr dazu in der “Strukturellen Integration”, im Rolfing >>> siehe hier: www.dr-walser.ch/rolfing/ ! (und siehe auch beim Wandern/Spazieren/Flanieren >>> www.dr-walser.ch/wandern/).

Fitness im Alter ist wichtiger als ein Normalgewicht!

Die US-amerikanische Studie (Sui X et al.; JAMA 2007; 298(21):2507-2516) untersucht, wie aerobe Fitness und Gewichstprobleme im Alter zusammenhängen und was den grösseren Effekt auf die Sterblichkeit hat (2600 Personen über 60 Jahre über 12 Jahre lang beobachtet). Die Sterblichkeit stieg mit zunehmendem BMI, Taillenumfang und Körperfett an. Allerdings erwies sich die körperliche Fitness als signifikant besserer Prädiktor der Sterblichkeit als alle Adipositas-Marker. Insofern ermuntert man Senioren nach Möglichkeit, sich fit zu halten, selbst wenn sie normalgewichtig sind!

Wie essen und leben die Leute, die 100 Jahre alt werden?!

In den “Blue Zones” der Welt, Gegenden also, in denen besonders viele Hundertjährige leben, hat man vor allem einen gemächlichen, gemeinschaftlichen Lebensstil. Man macht Siesta. Die Menschen sind gut vernetzt – in der Familie, mit Freunden. …und sie wissen, dass die meisten um sie herum sehr alt werden!
Nie würde man alleine speisen.
Sie pflanzen viel im eigenen Garten an, essen frisch und kochen selbst. Fertiggerichte kennen sie nicht. Sie essen gut, abwechslungsreich, aber nie zu viel. Sie geniessen das Essen und trinken eher ein als zwei Gläschen Wein pro Tag, dafür gerne mal auch einen Schnaps. Sie essen selten Fleisch und sehr wenig Zucker oder Desserts. Süsses nehmen die Menschen in Form von vielen Früchten oder Honig ein.

Die grosse und sehr sorgfältig durchgeführte PURE-Studie zeigt, dass vor allem 6 Lebensmittel unser Leben verlängern: Ein hoher Anteil an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Milchprodukte und Fisch.

Die japanische Präfektur Okinawa, jene knapp 150 Inseln im Ostchinesischen Meer, die klimatisch wohl am besten irgendwo zwischen Key West und Hawaii zu verorten sind: warm, tropisch, weisse Strände gilt als eines dieser “Blue Zones”. Dort werden die Menschen nicht nur älter als überall anders auf der Welt – sie sind dabei auch noch fitter. Fast zwei Drittel der Einwohner von Okinawa funktionieren im Alter von 97 Jahren noch unabhängig. Das bedeutet, dass sie in ihren eigenen vier Wänden leben, selbst kochen und ihr Leben voll auskosten – mit fast 100 Jahren! Nicht nur eine “mediterrane Ernährung” ist dabei wichtig, sondern auch “Ikigai und Moai”:
“Ikigai”, lose übersetzt, bedeutet “Sinn im Leben”. In Okinawa wächst das Ikigai eines Menschen oft mit zunehmendem Alter. Es ist ihr Grund zu leben, das Ding, das sie morgens aus dem Bett treibt.
“Moai” ist eine Gruppe von Menschen, die gemeinsame Interessen haben und sich umeinander kümmern. Dein Moai ist dein “Stamm” und ein weiterer Grund, warum Okinawaner glauben, dass sie so lange leben.

“Kurzfasten” und Mass Halten: die “Länger-Leben-Diät”

Es ist bei allen Organismen, bei denen man nachgeforscht hat, vom Hefepilz bis zum Rhesusaffen, belegt, dass eine kalorienreduzierte Ernährung das Altern bremst. Auch Menschen, die stets wenig – aber nicht zu wenig – essen oder regelmässig fasten, scheinen länger jung zu bleiben und ihr Risiko für Alterskrankheiten zu verringern.
Für unseren Organismus ist die anhaltende Nahrungsknappheit ein Hinweis auf kritische Lebensbedingungen. Die Zellen wechseln in eine Art Lebensverlängerungsprogramm. Sie investieren mehr Energie in die Produktion von Substanzen, die sie jung halten, die epigenetischen Programme stabilisieren und vor Schäden schützen. Gleichzeitig teilen sie sich langsamer. Das Grundprinzip dahinter macht evolutionsbiologisch Sinn: In schlechten Zeiten sollte man nicht noch mehr Nachkommen erzeugen, sondern lieber länger leben und auf bessere Zeiten für die nächste Generation warten. Iss seltener!
Auf Mahlzeiten zu verzichten, aktiviert uralte genetische Programme in uns, die uns viele Jahre an gesunder Lebenszeit schenken.

Deshalb verzichtet man am besten auf einzelne Essen, macht “Kurzfasten”, z.B. als “Dinner Cancelling” (>>lesen sie dazu hier weiter).
Neuere Forschung zeigt auch, dass dabei nicht die Kalorienreduktion wichtig ist, sondern das “intermittierende Fasten”, d.h. zum Beispiel nur noch zweimal pro Tag essen, also tägliche Fastenperioden einzubauen!

Auf kühle Umgebung zu achten, ist ein weiteres einfaches (und ökologisch sinnvolles) Mittel, weil es Hinweise gibt, diese könnte ähnlich wirken wie eine Nahrungsknappheit.

Was verkürzt dann eigentlich wirklich unsere Lebenserwartung?

Die Statistik stammt aus den USA und gibt die Verkürzung der Lebenserwartung an. Sie zeigt damit auch auf, wie relativ gewisse Risiken sind, die in der Presse häufig selbst auf Frontseiten falsch hochstilisiert werden.
Es gibt zwei Arten von Zahlen: Jene für Alkoholismus, Rauchen und Ähnliches beziehen sich nur auf die direkt Betroffenen und sind mit einem Stern (*) gekennzeichnet. Die anderen Zahlen (zum Beispiel Selbstmord, Ersticken, Blitze) bezeichnen die mittlere Verkürzung der Lebenserwartung für einen amerikanischen Durchschnittsbürger. Lesebeispiele: Wer einen Kleinwagen fährt, hat eine 70 Tage tiefere Lebenserwartung. Wer so viel Velo fährt wie ein durchschnittlicher Amerikaner, senkt seine Lebenserwartung um sechs Tage. Blitze verringern die Lebenserwartung eines Durchschnitts-Amerikaners um 0,7 Tage. Die Zahlen dürfen nicht kumuliert werden.

 
(Quelle: Bernhard Cohen/American Council on Science and Health/Health Physics Journal 1991)

.

5 Faktoren für eine deutlich längere Lebenserwartung:

50-Jährige, die 5 Faktoren für einen gesunden Lebensstil berücksichtigen, haben eine deutlich längere Lebenserwartung frei von chronischen Krankheiten verglichen mit Gleichaltrigen, bei denen keiner der Faktoren Teil ihres Lebensstils ist. Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Yangping Li, Harvard T.H. Chan School of Public Health, Boston, USA, und seine Kollegen im British Medical Journal[1]. https://www.bmj.com/content/368/bmj.l6669

  • Ernährung: Die Werte sollten innerhalb der oberen 40% im Alternate Healthy Eating Index liegen, was einer gesunden Ernährung entspricht,
  • Rauchen (niemals vs jemals),
  • moderate bis hohe körperliche Aktivität (mindestens 30 Minuten/Tag),
  • moderater Alkoholkonsum (5-15 g/Tag für Frauen, 5-30 g/Tag für Männer) und
  • Body-Mass-Index (18,5-25 kg/m2). Die zu erwartende Lebensspanne frei von Krebs, kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes betrug für die 50-Jährigen zwischen 24 Jahren für Frauen, die keinen der 5 Lebensstil-Faktoren umsetzten, bis 34,5 Jahre für Frauen, die einen Score von 4 bis 5 hatten. Für Männer rangierten die entsprechenden Werte zwischen 23,5 und 31 Jahren. Frauen gewannen damit durch den gesunden Lebensstil 11 Jahre frei von chronischen Erkrankungen, Männer 7,5 Jahre.Bei genauerer Analyse der einzelnen Erkrankungen stellten die Forscher fest, dass sich bei Beachtung von 4 der 5 Lebensstil-Faktoren für Frauen eine um 8,5 Jahre, für Männer eine um 6 Jahre längere Lebenszeit ohne Krebs ergab. Für kardiovaskuläre Erkrankungen waren es 10 Jahre bei den Frauen und 8,5 Jahre bei den Männern. Am grössten war der Gewinn an Lebenszeit frei von Typ-2-Diabetes: für Frauen 12,5 Jahre, für Männer 10,5 Jahre.

    Die geringste noch zu erwartende Lebensspanne ohne schwere chronische Erkrankung stellten die Forscher bei Männern fest, die mindestens 15 Zigaretten am Tag rauchten, sowie bei fettleibigen Männern und Frauen. Für diese Personengruppen war die krankheitsfreie Lebenserwartung im Alter von 50 Jahren mindestens 75% geringer.

Noch ein paar Mythen zur “Langlebigkeit”:

  • Mythos 1: Das heilsame Lachen
    Frohe Stimmung und Bekundung guter Gesundheit gehen oft Hand in Hand. Die Gefühlslage erweist sich als gewichtiger für die Einschätzung der eigenen Gesundheit als Hunger, Obdachlosigkeit und Sicherheit vor Kriminalität. Doch auch hier wird die gefühlte Gesundheit erfasst. Und dies heisst nicht, dass sie auch objektiv wirklich gesund sind! Also sorgt häufig eine robuste Gesundheit für eine gute Stimmung! Es ist sogar so, dass Frohnaturen Menschen sind, die sich wenig Gedanken über mögliche Missgeschicke machen. Dies wird vielen zum Verhängnis und sie rauchen eher, trinken mehr Alkohol und pflegen mit Vorliebe riskante Hobbies. Folgerichtig starben viele von ihnen bei Unfällen oder frühzeitig an den Suchtfolgen. No risk – no fun also!
  • Mythos 2: Die kranken Neurotiker
    Umgekehrt kann es durchaus Vorteile haben, zu jenen Menschen zu gehören, die immer etwas befürchten oder beklagen (im Fachjargon “Neurotizismus” genannt). Er fühlt sich zwar unglücklicher und kränker, aber er lebt länger! Objektiv sind sie tatsächlich “gesünder” – doch will ich “objektiv gesünder”, aber unglücklich sein – oder lieber glücklich, aber etwas kurzlebiger??!. (Howard Friedmann, M.Kern: Personality, well-being and health. The Annual Review of Psychology, 65, 2014, 719-742)
  • Mythos 3: Religion verlängert das Leben
    Positives Denken verlängert das Leben also eher nicht. Aber viele Studien suggerieren, dass Gottgläubige gesünder sind. Wenn man dies aber näher betrachtet, findet man dabei als wichtigste Faktoren, dass dies Menschen auch disziplinierter und massvoller lebten – und dass dies die Gründe für mehr Gesundheit waren.
    Die einzige “Religion”, die gesünder macht, ist sicher der “Humanismus” und wohl auch die “buddhistischen Ideen” >>> Lesen Sie dazu hier.
  • Mythos 4: Die Ehe hält jung
    Bei Männer stimmt dies zwar – wohl aber, weil ihre Frau mehr soziale Kontakte schafft, ihn auch mal ermahnt, weniger zu rauchen oder zu trinken und mal zum Arzt zu gehen… Frauen dagegen gewinnen durch das Ehedasein nichts! Es gilt sogar: Je jünger die Ehefrau, umso länger lebt der Mann. Umgekehrt stimmt dies aber auch nicht! (Sven Drefahl: How does the age gap between partners affect their survival? Demography, 47/2, 2010, 313-326)
  • Mythos 5: Bloss keinen Stress!
    Stress an sich schadet nicht! Aber sehr ungesund ist, wenn jemand seiner Arbeit nicht gewachsen ist oder überhaupt zuviel von ihm verlangt wird. Übrigens, die erfolgreichen Arbeitstiere leben nicht zuletzt deshalb gut und lange, da sie besonders gewissenhaft sind. Also auch hier ist wieder die Disziplin und Selbstkontrolle der wichtigste Faktor zur Gesundheit.
  • Mythos 6: Selbstkontrolle ist alles!
    Willenskraft? Selbstkontrolle? Nein: Gewohnheiten ändern!

    Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft und unsere Selbstkontrolle. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.
    Gesund ist wohl, wenn man “Selbstkontrolle” definieren würde, als “Empathie mit sich selbst”!

  • Mythos 7: Geld bringt Gesundheit und ein langes Leben!
    In seiner Studie «Wellbeing and Policy» untersucht der britische Ökonom Richard Layard, wie stark das Glücksempfinden vom Gehalt abhängt. Das überraschende Ergebnis: Die Korrelation ist viel geringer als angenommen. Geistliche, die 2013 kaum mehr als 25 000 € verdienten, sind zufriedener als Chefs und hohe Kader, die es durchschnittlich auf fast 130 000 € brachten. Besonders zufrieden sind auch Bauern und Sekretärinnen. Beide verdienen etwa gleich viel wie Bauarbeiter, die aber besonders unglücklich sind. Als wegweisend für die Entwicklung des Forschungszweigs gilt eine Erkenntnis des amerikanischen Ökonomen Richard Easterlin aus dem Jahr 1974: Reiche sind innerhalb eines Landes zwar glücklicher als Arme, aber wenn der Wohlstand eines Landes insgesamt steigt, ändert dies nichts am Glücksempfinden. Layard erklärt das «Easterlin-Paradox» damit, dass sich Menschen intensiver mit ihrem Umfeld vergleichen, also das relative Gehalt in den Mittelpunkt rücken, statt ihr absolutes Gehaltsniveau wertzuschätzen.

Die Glücksforschung, eine wachsende Teildisziplin der Ökonomie, kombiniert Empirie mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie bringt Ergebnisse hervor, über die sich selbst der Dalai Lama freuen würde. Einkommen und Aufstiegschancen spielen bei der zentralen Frage, ob Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind, eine viel geringere Rolle als jahrzehntelang angenommen. Körperliche und seelische Krankheiten sind in entwickelten Volkswirtschaften ein triftigerer Grund, unglücklich zu sein, als Armut.

Milliardengeschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln und Hormonen

Anti-Aging ist eine Multimilliarden-Dollar-Industrie. Die US-amerikanische Öffentlichkeit wird, wie es Experten ausdrücken, “bombardiert” mit Reklame für Produkte, die jugendliche Erscheinung und langes Leben garantieren sollen. Zu diesen Produkten, für die auch hierzulande immer stärker Nachfrage geweckt wird, gehören u.a. Antioxidanzien oder Wachstumshormone. Es gibt aber bis heute keine Belege dafür, dass irgendeine Substanz bei Menschen oder auch nur bei Versuchstieren wie Mäusen oder Ratten Alterungsprozesse verzögern kann. Die Mehrzahl der Anti-Aging-Produkte ist nicht einmal hinreichend auf Sicherheit geprüft. Die Experten bescheinigen der Anti-Aging-Bewegung Quacksalberei und Scharlatanerie. Am Beispiel von Wachstumshormon verdeutlichen sie, dass das Konzept der Lebensverlängerung durch Hormon-“Substitution” hin zu Serumspiegeln wie bei jungen Erwachsenen in die Irre führen kann. Im Tierversuch leben gerade diejenigen Mäuse länger, die wenig Wachstumshormon produzieren oder eine gestörte Reaktion auf Wachstumshormon haben, während die lebenslange Überproduktion des Hormons das Leben der Tiere verkürzt (BUTLER, R.N. et al.: “Is There An ‘Anti-aging’ Medicine?”, www.ilcusa.org/_lib/pdf/pr20011101.pdf). Sicherheitsbedenken gelten meines Erachtens besonders für Zubereitungen, die in den USA als Nahrungsergänzungen gehandelt werden und daher nicht der Qualitätskontrolle durch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde unterliegen, beispielsweise DHEA oder neuerdings angebliche Wachstumshormon-Releasinghormon-Produkte wie SYMBIOTROPIN. Hierzulande sind solche Produkte als “Nahrungsergänzung” nicht verkehrsfähig.

Einen gewissen Wert (und ohne grösseren Nebenwirkungen) kann eventuell nach neueren Studien das Resveratrol und das NMN haben (siehe mein Blog über “Better-Aging”). Doch auch hier Vorsicht vor PAINS!

Hautalterung

Das, was in einer Hautsalbe gegen die Hautalterung wirklich wirkt, ist der tägliche Sonnenschutz (Faktor 15 und mehr)! Alles andere sind falsche Versprechungen!

Hormone?

Menopause der Frau >>> menopause/
Andropause des Mannes >>> testosteron/

Philosophie Magazin 02/2024

Vergebliche Mühe
Ein Mensch, der willens, lang zu leben,
beschließt dem Tod zu widerstreben
und a) durch strenges Selbstbelauern
die Krisenzeit zu überdauern
und b) zu hindern die Vermorschung
durch wissenschaftlich ernste Forschung.
Zu letzterm Zwecke wird bezogen
Ein Horoskop beim Astrologen
Um nicht bezüglich der Planeten
in eine falsche Bahn zu treten.
Ist so gebannt Saturnens Kraft,
hilft weiterhin die Turnerschaft
die Rümpfe rollend, Kniee beugend
ganz zweifellos wirkt kräftezeugend.
Die Rohkost birgt das Vitamin;
Wein und Tabak – er gibt sie hin.
Auch gilt’s den Vorrat an Hormonen
in reifem Alter streng zu schonen.
So braut er sich den Lebenssaft
aus ausgekochter Wissenschaft.
Ein Mensch, wie dieser, muss auf Erden
unfehlbar hundertjährig werden.
Das Schicksal aber, das nicht muss
macht unversehens mit ihm Schluss.
[Eugen Roth]

und noch Roberto Benigni zum Thema:
“Sterben? Tu ich nicht! Es ist wirklich das Letzte was ich in diesem Leben tun werde!”

Literatur:
– Nachhaltige (für Frauen?): Shane Watson: «Brauchen Sie schon Botox oder haben Sie noch Sex?» Wilhelm Goldmann Verlag
– Margaret Heckel: «Die Midlife-Boomer: Warum es nie spannender war, älter zu werden»,  Edition Körber-Stiftung, 2012 (www.dr-walser.ch/midlife-boomer/)
– “Die fünf Geheimnisse, die Sie entdecken sollten, bevor Sie sterben.” von John Izzo
– George E. Vaillant: Aging Well: Surprising Guideposts to a Happier Life from the Landmark Study of Adult Development
Robert Waldinger, Marc Schulz: The Good Life … und wie es gelingen kann . 2023. Die beiden leiten die Harvard Study of Adult Development. Die Studie begann bereits 1938 und wird bis heute fortgesetzt. Seit 85 Jahren folgen Forscherinnen und Forscher denselben Menschen und stellen ihnen immer wieder Fragen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in ihrem Leben. Es handelt sich daher um eine seltene prospektive Längsschnittstudie. Heute umfasst die Studie drei Generationen und mehr als 1300 Kinder der ursprünglichen 724 Mitwirkenden. 
– Erik H. Erikson: Der vollständige Lebenszyklus (suhrkamp)
– L. Carstensen: A long bright future. Happiness, health and financial security in an age of increased longevity. Public Affairs, New York 2009

siehe auch: die Berliner Altersstudie: www.base-berlin.mpg.de/de/Introduction.html

Film:
Fünf Senioren wagen den Schritt ins Ungewisse. Während 18 Monaten nehmen sie an einem Training teil, das auf Achtsamkeit und Altruismus basiert und für eine Studie gemessen wird. Das Ziel ist, die Auswirkungen von Meditation aufs Altern zu evaluieren. Der Film erzählt ihre persönliche Reise und spiegelt diese mit der wissenschaftlichen Objektivität und den Herausforderungen eines guten Alterns in unserer Gesellschaft. Immer länger leben – ja, aber wie?
Über das Abenteuer dieser Senioren hinaus, zeigt der Film Meditation als eine Möglichkeit, sich mit sich selbst und seiner Umgebung zu verbinden. Er erhellt die Gegebenheiten dieses Weges mit Stolpersteinen, Momenten des Zweifelns, der Dankbarkeit, der Freude und manchmal der Befreiung.
(GOLDEN SENIORS von François Kohler)

Mehr auf meiner Website:
– Zur Grundhaltung mit Annehmen der Lust und des Körpers als Tempel der Seele – Im Gegensatz zur etwas rigid-streng-moralischen Grundhaltung in der westlichen Medizin: www.dr-walser.ch/genuss/
– Zur Hingabe an den Moment (im Hier und Jetzt sein) oder raus aus dem Hamsterrad und rein in die Entspannung: www.dr-walser.ch/entspannung/
– Zur Achtsamkeit im Alltag (in der alltäglichen Bewegung und Haltung): www.dr-walser.ch/rolfing/
– Zum Wunsch, den Anderen so zu lieben wie er ist (bedingungslose Liebe): www.dr-walser.ch/sex/
– und im Prinzip des Tantras:  walserblog.ch/2016/12/14/tantra/
– und dass die Drogen eher etwas für Ältere als für Jugendliche sein sollten:  Paul Parin über die “Weisen Pharmagreise“! und auch Michael Pollan über den guten LSD-Trip!
– und über die “Blue Zones”, Gegenden der Welt also, in denen die Menschen häufiger 100jährig werden.

Veröffentlicht am 24. Juni 2017 durch Dr.med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
14. Januar 2024