Schlagwort: Gelassenheit

  • Wie kann ich gelassener werden und Inneren Frieden erreichen?

    Wie kann ich gelassener werden und Inneren Frieden erreichen?

    Ein Leben ist nur dann erfüllt und sinnvoll, wenn es um seiner selbst willen geführt wird. Gelassenheit meint das Ablassen von äusseren Zwecken („Worumwillen“) und eine Zuwendung zum Inneren, das allen Menschen zugänglich ist. Die Begründung: Mit der Geburt Jesu wurde Gott nicht nur ein individueller Mensch, sondern Teil der inneren „menschlîche natûre“. Wer sein Leben also auf einen äusseren Zweck ausrichtet, der entfernt sich gerade von jener wirklichen Sinnhaftigkeit, die uns und unseren Handlungen stets innewohnt.
    (Meister Eckhart, ca. 1320)

    Gelassenheit?

    Wie kann ich die Stärke meiner Gelassenheit messen und diese verbessern? Finde heraus, wie oft du an einem einzigen Tag gestört wirst. Ich meine damit diese kleinen Störungen durch alltäglichen Ärger, Sorgen oder Trauer.

    Alltäglicher „kleiner“ Ärger, Sorgen oder Trauer

    Nun, es gibt keine „kleinen“ Aufregungen. Sie alle stören den Frieden meines Geistes gleichermassen. Sie alle verhindern, dass ich jemals etwas gelassener werde. Wir alle kennen Menschen, die chronisch besorgt, wütend oder traurig sind. Und… sie sind sich dessen meist nicht mal bewusst. Nur wenn ich wachsam bin, komme ich dahinter, was mich stört. Das ist es, was ich Meditation nenne. Sobald auch nur die geringste Welle meinen Gelassenheitspool stört, hinterfrage ich, was ich jetzt glaube – besser: was sich jetzt für einen Glaubenssatz hinter dem Störgefühl verbirgt. Glaubenssätze können sein: „Ich werde nicht bemerkt.“ oder „Ich bin dumm.“ oder „Ich bin zu schwach.“ „Ich bin es nicht wert.“ usw… Das Wunderbare ist nun, dass die Störung sofort ihre Stärke und Wirkung verliert, wenn ich den Glaubenssatz dahinter entdecke. So kann wirklich Frieden einkehren.

    Wut, Ärger und Empörung als Deck-Emotion eines Bedürfnisses oder Glaubenssatzes

    Wut überdeckt meist andere Gefühle. Es wird daher auch von der „Deck-Emotion“ oder sekundären Emotion gesprochen. Die primäre ist dann meist Scham, Überforderung, Ohnmacht, Minderwertigkeit, Traurigkeit oder Verzweiflung. Niemand kann dich wütend machen – ausser Du selbst! (Fritz Perls). Um Ärger „gewaltfrei“ auszudrücken, müssen wir uns bewusst machen, dass es niemals die andere Person ist, die uns ärgerlich macht. Ärger wird durch Denken verursacht. Es geht nicht darum, die Wut zu unterdrücken. Es geht viel mehr darum, sich tiefer auf die Wut einzulassen und bis zu ihrer Wurzel zu gehen. Dort finden wir immer unsere unerfüllten Bedürfnisse. Und sobald ich mich mit meinen Bedürfnissen verbunden habe, spüre ich keine Wut mehr und finde meinen Frieden. Ich kann nur wütend sein, wenn ich mich vom Leben abschneide. Man kommt dann zum Beispiel vom Deck-Ärger „Er sollte die Wohnung besser sauber halten.“ zum primären Bedürfnis „Ich bin frustriert, weil ich mein Bedürfnis nach Respekt nicht erfüllt sehe, wenn die Wohnung nicht aufgeräumt ist.“ – oder zum Glaubenssatz „Ich werde nie gesehen und respektiert!“. Dieser Satz war in der Kindheit noch real, gilt jetzt als Erwachsener schon lange nicht mehr. Dieses Bewusstwerden von alten Bedürfnissen wecken mich auf und sagen mir, dass ich nicht am Leben bin, sondern dass ich mit diesem Spiel beschäftigt bin, jemanden oder mich fertig zu machen. Dies macht definitiv keinen Spass und nimmt mir meinen inneren Frieden.

    Katja Berlin „Torten der Wahrheit“ in die ZEIT, 06/2023
    Seinlassen

    Seinlassen

    Gelassenheit resultiert aus dem Gegenteil von „Loslassen“, was landläufig oft mit Gelassenheit assoziiert wird. Echte Gelassenheit würde ich eher als „Seinlassen“ bezeichnen. Seinlassen heisst, dass wir nicht versuchen, es zu ändern oder uns zu einem Einverständnis zu zwingen. Vielmehr erkennen wir einfach an, was da ist, und sagen ja dazu. Es muss uns nicht gefallen, aber wir müssen es auch nicht als Feind sehen. Wir müssen nur bereit sein, eben das zu erleben, was unser Leben genau jetzt ist.
    „Es isch wie‘s isch!“, wie wir so gelassen in der Schweiz sagen.

    Eine Methode zum Erlangen von Gelassenheit besteht darin, kleine positive Erlebnisse, die man im Alltag erlebt – wie etwa ein freundliches Lächeln, das einem jemand schenkt, oder ein Akt der Hilfsbereitschaft – in Ressourcen umzuwandeln. Wir nehmen eine kleine heilsame Erfahrung wahr, die wir gerade machen. Bleiben zehn, zwanzig Sekunden dabei, damit sie wirklich tief einsinken kann, und machen dies ein paar Mal am Tag, immer wieder. So bauen wir Widerstandskraft, Selbstmitgefühl und einen Sinn für unseren persönlichen Wert auf, was die Gelassenheit massiv stärkt.

    Weitere Wege zur Gelassenheit

    „Sich erinnern!“, d.h. an das Kind, das wir mal waren:
    * im Lachen
    * im Tanzen und in der Bewegung…
    * im Spielen

    Sich mit unserer „Buddha-Natur“ verbinden (mit unserer Urkraft):
    * in der Natur („es ist einfach“)
    * im Flow (es fliesst mich)
    * in der Entspannung (es lässt los)
    * in der Meditation (es ist)
    * in der Kreativität (es spielt, schreibt, komponiert…) …und alles nicht zu ernst nehmen.

    Der Zustand der „ziellosen Präsenz“ hat für mich auch viel mit Gelassenheit zu tun. Gelassenheit entsteht überall dort, wo wir lernen zu »warten«, ohne etwas Bestimmtes zu erwarten. Das Warten ist »einfach die Ruhe« und erlaubt die Offenheit des Denkens im Unterschied zu einer bestimmten Vorstellung.

    Fünf Hindernisse für ein gelassenes Leben

    Etwas geschieht. Etwas, das wir uns anders erhofft haben. Schnell lassen wir uns mitreissen, ärgern uns, verzweifeln, fürchten den Weltuntergang.

    Doch „passieren“ bedeutet eigentlich „vorbeifahren“.
    Wenn etwas passiert, zieht es an uns vorbei, es überrollt uns nicht, sodass wir den Boden unter den Füssen verlieren.
    Wir müssen es nur zulassen.

    Statt aufzuspringen, können wir das Geschehen betrachten, bis es von selbst vorübergeht.

    So wie in Theodor Fontanes Gedicht „Überlass es der Zeit“:

    Erscheint dir etwas unerhört,
    Bist du tiefsten Herzens empört,
    Bäume nicht auf, versuch’s nicht mit Streit, 
    Berühr es nicht, überlass es der Zeit. 
    Am ersten Tag wirst du feige dich schelten,
    Am zweiten lässt du dein Schweigen schon gelten,
    Am dritten hast du’s überwunden,
    Alles ist wichtig nur auf Stunden,
    Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter,
    Zeit ist Balsam und Friedensstifter.

    Wenn wir den Dingen ihren Lauf lassen, finden wir Ruhe.
    Dazu brauchen wir Achtsamkeit: wahrnehmen, was ist, uns dem Leben, dem Moment, den Gefühlen und Gedanken öffnen, ohne festzuhalten.
    Achtsamkeit lässt sich üben, doch begegnen wir dabei Hindernissen, die unser Leben in Gelassenheit erschweren.

    Es folgen fünf dieser Hindernisse:

    1. „Mir fehlt die Zeit“
      Achtsamkeit raubt keine Zeit, sie lässt uns die Zeit erst wirklich erleben – egal, womit wir uns gerade beschäftigen.
      Womit bist Du so beschäftigt, dass Du Dir nicht einmal zehn Minuten am Tag gönnst – nur für Dich, für Deinen inneren Frieden?
      Je weniger Zeit Du dafür zu haben glaubst, desto dringender solltest Du sie Dir nehmen.
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    2. „Mir fehlt die Geduld“
      Um achtsamer zu werden, sollten wir uns Zeit lassen. Doch viele von uns werden schnell ungeduldig. Gerade Achtsamkeit erfordert Geduld: Einen Moment bist du vollkommen bewusst, im nächsten unachtsam. Erkenne einfach, dass du unachtsam bist. Vermeide den Gedanken: „Unachtsamkeit muss Achtsamkeit werden. “ Das schafft nur Konflikte, in denen Bewusstheit und Achtsamkeit verschwinden.
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    3. „Mich auf das einzulassen, was ist, tut mir zu weh“
      Du wirst wütend. Oder traurig. Oder ängstlich und besorgt. Gerade deshalb solltest du deine Gefühle und Gedanken wie Vögel vorbeiziehen lassen, damit sie sich nicht in deinem Kopf einnisten. Sich mit aller Kraft gegen sie zu wehren, führt auf Dauer zu nichts. Du kannst sie weder vertreiben noch vor ihnen fliehen. Es gibt keine falschen Gefühle oder Gedanken – nur solche, die dich umso stärker beherrschen, je mehr du gegen sie ankämpfst. Lass sie zu, aber gib ihnen nicht die Kontrolle. Dann ziehen sie von selbst weiter.
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      Immer öfter wird in neueren Psychotherapieformen (und schon lange Zeit im Zen-Buddhismus) deshalb nicht mehr der Inhalt der Gedanken und Gefühle als das eigentliche Problem betrachtet, sondern die Art und Weise, wie wir mit diesen umgehen und nach welchen Prinzipien unser Verstand funktioniert. Nicht was wir denken ist das Problem, sondern wie wir unsere Gedanken beurteilen.

    4. Achtsamkeit bedeutet, den Weg zu schätzen, nicht das Ziel – denn ein Ziel jenseits des Moments, jenseits dessen, was ist, gibt es nicht. Selbst wenn wir nur entspannt feststellen, dass wir unachtsam waren, üben wir Achtsamkeit.
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      Das Schöne daran: Indem wir beim Üben geduldig mit uns selbst sind, wachsen Geduld und Gelassenheit auch in anderen Lebensbereichen. Manche fürchten: „Ich will doch nicht gleichgültig werden – ich habe Ziele! “ Doch Gelassenheit heisst nicht, die Zukunft zu ignorieren. Gelassenheit nimmt das Leben ernst, aber nicht schwer.Ziele sind nichts Schlechtes, solange sie nicht aus einem Gefühl des Mangels entstehen.


      Ich finde Gelassenheit, wenn ich mit dem, was ist, zufrieden und glücklich bin. Die meisten Ziele setzen wir uns doch, um „glücklicher“ zu werden. Doch oft erreichen wir sie nicht und bleiben unglücklich. Oder wir erreichen sie, sind kurz glücklich und streben dann nach neuen Zielen. So entsteht immer wieder eine Lücke zwischen dem, was wir haben und geniessen könnten, und dem, was wir uns anders wünschen.

    5. „Ich will die Kontrolle nicht verlieren“„Klar, das Leben spielt seine eigenen Spiele, aber wenigstens beherrsche ich mich selbst! “, denkst du vielleicht. Die Kontrolle verlieren? Auf keinen Fall. Doch stimmt das wirklich? Beherrschst du dich tatsächlich?Wenn ja, dann richte für eine Minute deine volle Aufmerksamkeit auf deinen Atem, ohne abzuschweifen. Gar nicht so leicht, oder?Wenn dir schon diese einfache Aufgabe schwerfällt, wie viel Kontrolle hast du dann wirklich über dich? Erst durch Achtsamkeit gewinnst du Kontrolle und Sicherheit inmitten der Unsicherheiten, die dich umgeben.

    Die Kontrolle abgeben erfordert viel Vertrauen, Grundvertrauen in die Mitmenschen.

    Gelassenheit erleben durch psychedelische Drogen

    „Auf jeden Fall vermute ich, dass ich bereits gefunden habe, wonach ich gesucht habe: einige neue Erkenntnisse und zumindest ein bisschen Gelassenheit. Zwar bin ich nach wie vor unsicher, was die letztendliche Struktur der Welt angeht, aber ich habe auch neue Neigungen und neue Sympathien für Darstellungen, die ich zuvor für völlig uninteressant gehalten hatte. Diese Erweiterung ist selbst eine Art von neu gefundenem Wissen, auch wenn sie keine neuen Gewissheiten enthält. Was die Gelassenheit betrifft, so gibt es wirklich nichts Besseres als eine eindringliche Erfahrung der Illusion von Zeit, um die Angst vor der Kürze und scheinbaren Sinnlosigkeit dessen, was wir als unseren zeitlichen Aufenthalt erleben, zu verringern. Und es gibt wirklich kein beruhigenderes Gefühl, als sich der allgegenwärtigen und dichten Präsenz anderer Wesen wie der eigenen bewusst zu werden – oder zumindest einen Zustand zu erreichen, der die Existenz solcher Wesen zu bestätigen scheint.“ (This Is a Philosopher on Drugs, Justin E. H. Smith in WIRED, Mar 7, 2023: I was at the lowest point in my life. I needed a mind-altering jolt. In the end, everything—even the meaning of “everything”—changed.)

    aus Philosophie Heute

    Gelassenheit und Selbstoptimierung

    Jeder rennt ins Yoga-Studio und regt sich trotzdem auf, wenn ein Fahrradfahrer falsch abbiegt. „Es existiert ein Missverhältnis zwischen der Gelassenheit, die man erreichen möchte, und der Selbstoptimierung, die man verfolgt. Man will Störquellen ausschliessen, nach dem Motto, ich bin ruhebedürftig, mich nervt das Kind, der Hund, das Handyklingeln. Wir neigen dazu, Dinge aus dem normalen Leben als Belästigung zu begreifen, die es abzuschaffen gilt. Letztlich steckt hier auch eine Ursache für Intoleranz gegenüber allem Fremden: sich darüber aufzuregen, was jemand anders macht, wie der aussieht, wie der sich benimmt.“ (Juli Zeh im Interview mit dem Tagesspiegel, 5.11.18)

    Der Innere Frieden

    „Wenn du deprimiert bist, lebst du in der Vergangenheit. Wenn du besorgt bist, lebst du in der Zukunft. Wenn du in Frieden bist, lebst du in der Gegenwart.“ Lao Tse

    Frieden hat viel mit Hingabe zu tun. Sich hingeben an den Moment, an das Hier und Jetzt. Auch die Hingabe an all unsere Ängste und Widerstände bringt Frieden. Man sagt dazu so schön (und ich finde dies eine treffende Formulierung):
    Seine Ängste nicht nur an der Hand, sondern in die Arme nehmen.
    Der Weg durch die eigenen Widerstände hindurch ist anstrengend und schmerzhaft. Es ist aber eine grosse Hilfe, den Automatismen und Widerständen in sich selbst zu begegnen, die zur Katastrophe, zum Unfrieden und zum Leiden geführt haben. Diesen steinigen Weg auch bis zum Ende zu gehen und nicht beim ersten oder zweiten Widerstand auszuweichen und abzubrechen, ist wichtig. Dranbleiben und nicht alles auf einmal gelöst haben wollen – bleiben, bis sie sich durch Zeit und Atem selbst verändern, vielleicht sogar zur (Auf-)Lösung und Heilung kommen.

    Was kann helfen, den inneren Frieden zu fördern?

    • Ich höre auf, mich zu bekämpfen.
    • Ich bin im Hier und Jetzt.
    • Ich nehme mir Zeit für mich.
    • Ich tue, was sich für mich richtig anfühlt.
    • Ich setze Grenzen.
    • Ich lasse Andere sich selbst sein.
    • Ich akzeptiere mich, wie ich bin. Ich sage JA zu mir.
    • Ich sage, was ich fühle und denke.
    • Ich akzeptiere den IST-Zustand.
    • Ich schliesse Frieden mit meiner Vergangenheit.
    • Ich bin authentisch.

    Innerer Frieden und Lebendigkeit

    Ich kann nur dann wirklich lebendig sein, wenn ich im Frieden bin. Das Ego, oder zumindest mein Ego, hat eine andere Vorstellung: „Du bist nur lebendig, wenn du Aufregung spürst, einen Adrenalinstoss hast, eine grosse Flasche Wein öffnest…“. Frieden ist aus der Sicht des Egos jener kurze, leuchtende Moment, in dem ich kurzzeitig frei von Verlangen bin. Sekunden, oder Stunden, oder einen Tag später kommt das Ego, die Wunschmaschine, die es ist, mit dem nächsten Wunsch. Es ist also klar, dass der Schlüssel zu einem dauerhaften Frieden des Glücks darin liegt, frei von allem Verlangen zu sein.

    Bewusstheit der Sinne und Empfindungen

    Seine eigenen Sinne ganz bewusst wahrnehmen, ist sehr hilfreich, um ganz in seine eigene Kraft zu kommen. Das innere Friedensgefühl kann sich so über die Bewusstheit der Empfindung immer mehr einstellen. Anfangs nur für kurze Momente, mit der Zeit vielleicht sogar über längere Abschnitte. Allein ein Momentfriedensgefühl ist anzustreben. Geht es hier doch weniger um einen Dauerfriedenszustand (was für viele von uns vielleicht erstrebenswert scheint, aber uns auch schnell unter einen grossen Erwartungsdruck setzt). Es geht hier vielmehr um die kurzen Friedensmomente im Leben, in den kleinen Zwischenräumen des Alltags, die uns stimmig berühren und nähren und die sich schlicht friedenswert in uns selbst anfühlen. Sei dies im Miteinander mit anderen Menschen oder auch beim ganz Mit-Sich-Selbst-Verweilen.
    Wichtig scheint mir bei der Annäherung an dieses innere Friedensgefühl auch, dass ich immer wieder in die eigenen Kraftzentren von Fähigkeiten und Stärken eintauche. Bin ich mir immer tiefer bekannt, weiss ich was ich will und was mir gut tut, wo meine Wünsche und Bedürfnisse sind, fällt es mir leichter, mir in Frieden zu begegnen. Dies bedeutet auch, sich nicht nur den eigenen Ängsten und Widerständen hinzugeben, sich ihnen zu stellen, sondern auch den Werten in sich selbst mehr bewusst zu werden. Darin ruht ein grosses Stück Friede, Friede zu sich selbst, Friede in sich selbst.

    Erwartungslosigkeit

    Frieden entsteht aus Erwartungslosigkeit. Ohne Erwartungen befreie ich mich vom übermässigen Tun und finde Ruhe im Sein. Wenn ich wenig plane und geschehen lasse, was kommt, gewinne ich Freiheit. So kann ich mich ganz dem friedlichen Gefühl des Augenblicks hingeben.

    Struktur am richtigen Ort und in der rechten Situation ist wichtig. Wollen wir aber mehr unsere innere ruhende Kraft nähren, mehr Friede in uns selbst erreichen, hilft spontanes, reiches Im-Moment-Sein mehr.

    6 Schritte um die inneren Störungen abzustellen

    Eine wunderbare Methode um aus dem Teufelskreislaf des „kleinen Ärgers“ zu entkommen und den Inneren Frieden zu erlangen, ist der 6-Schritte-Prozess, von Diederik Wolsak („Choose Again. Six Steps to Freedom“):

    Schritt 1: Störung als dies wahrnehmen

    Schritt 1 ist hier mitten in der Nacht nicht so schwierig: Ich bin in einem Konflikt, einer Störung – es triggert mich etwas!
    Bei der Lösung eines psychischen Konflikts – unabhängig davon, ob es sich um eine leichte Irritation oder einen heftigen Wutausbruch handelt – geht es zuerst darum, ihn überhaupt wahrzunehmen und nicht zu bagatellisieren („ist ja nur halb so schlimm“) oder zu verdrängen.
    Wir erinnern uns an den Schluss meines letzten Blogbeitrags: Alle Menschen wollen im Grunde genommen immer nur 3 Dinge: Geliebt Werden (Lieben), Glücklichsein und Inneren Frieden. Deshalb sind schon kleinste Störungen der „Beginn des Elends“ (siehe mein Beitrag über den „kleinen Ärger“).

    Schritt 2: Ich übernehme die Verantwortung

    Der Konflikt hat nichts mit etwas ausserhalb von mir zu tun, sondern einzig und allein mit mir selbst. Das ist sehr radikal und das Schwierigste überhaupt im ganzen Prozess (hier mitten in der Nacht aber eigentlich auch einfacher…). Fritz Perls hat dies schon treffend zusammengefasst: Niemand kann dich ärgern, ausser Du dich selbst!
    Ohne diesen Schritt wird es weder zur Erfahrung von Frieden noch Verbundenheit kommen. Schritt für Schritt wird mir klar, dass der Konflikt mich von dem abhält, was ich zutiefst wünsche: Glück und Liebe.

    Schritt 3: Welches Gefühl habe ich während des Konflikts?

    Es ist vielleicht überraschend zu merken, dass es gar nicht so einfach ist, festzustellen, wie ich mich wirklich fühle. Hier ist Ehrlichkeit gefragt. Denn nur wenn ich das Gefühl benennen kann, ist der nachfolgende Schritt möglich.
    Wut und Ärger überdecken dabei meist andere Gefühle. Es wird daher auch von der „Deck-Emotion“ oder sekundären Emotion gesprochen. Die primäre ist dann meist Scham, Überforderung, Ohnmacht, Minderwertigkeit, Traurigkeit oder Verzweiflung.

    Schritt 4: Hatte ich dieses Gefühl schon früher einmal? Wann?

    Ist mir dieses Gefühl vertraut? Erscheint dabei eine frühere Kindheitserinnerung, bei welcher jemand etwas sagte oder tat, das genau dieses Gefühl hervorgerufen hatte.

    Schritt 5: Ich finde heraus, welches Urteil ich über mich in jenem Moment fällte

    Wie habe ich jene Situation interpretiert? Was sagte das über mich aus, als jene Person so sprach oder handelte? Was urteilte ich damals über mich? Welches Kind verdiente es, so zu fühlen?

    Schritt 6: Das Einzige was wir verändern oder wählen können, sind unsere Gedanken und Glaubenssätze

    Ich spüre im Glücksfall, dass ich meine eigene Welt laufend durch solche früheren Urteile schaffe. Dies tut jeder für sich, in jedem Moment, auf seine eigene Weise! Man kann sagen: Projektionen (dieses meines Innenlebens auf die äussere Welt) kreiert meine Wahrnehmung! Ich sehe nicht die Welt, wie sie ist, sondern wie ich bin!

    Wie schaue ich auf diese Welt? Welchen Gedanken höre ich zu? Welchen Wolf füttere ich?

    Nun lasse ich meine alte Sichtweise los. Mein damaliges Urteil über mich war falsch. Die Meinung, welche ich über mich selbst gefällt habe, ist falsch und dient mir nicht mehr. Nun kann ich diese korrigieren. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Beispielsweise mit Affirmationen (Ich bin ganz. Ich bin zum Glück heute nicht mehr… Ich bin unschuldig. Ich habe meinen Platz. Ich kann nichts verlieren.).
    Oder mit einem „Vergebungsprozess“ für sich selbst, indem ich mir sage: „Vergib mir, dass ich (noch immer) glaube, ich sei unwert (oder schwach oder ungeliebt oder unsicher oder schuldig etc).“ Die meisten von uns haben mehrere solcher einschränkender Glaubenssätze. Am Ende dieser Übung gehe ich nochmals zu der Situation zurück, welche das Gefühl ausgelöst hat (oder eben das endlose Drehen in der Nacht). Ich fühle nochmals hinein. Wenn ich jetzt friedlich und ruhig bin, ist die Übung beendet. Wenn nicht, wird sie wiederholt.

    Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Entscheidung

    Es gilt, das Gelernte im Alltag anzuwenden und umzusetzen. Erinnere Dich an das Bild mit dem Erlernen einer Fremdsprache oder irgend einer anderen Fähigkeit. Je mehr geübt wird, desto deutlicher lassen sich die Ergebnisse der neuen Fähigkeiten im Leben erkennen. Wenn Du eine „alltägliche, kleine“ Aufregung, Ärger oder Unfrieden verspürt, so nimm das damit zusammenhängende Gefühl wahr, aber mach es nicht wahr. Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Entscheidung!

    Amerikanische Studie dazu, wie sich und seinen Mitmenschen zu vergeben, für besseren Schlaf sorgt (Loren Touissant et al.).

    Weiterlesen:

    Bedürfnishierarchie

    Um es klarzustellen: Wir bewegen uns hier an der Spitze der Maslowschen Bedürfnispyramide, da in unserer Ersten Welt die Basisstufen satt befriedigt sind. Wir können uns also (elitär?) mit Werten wie „Selbstoptimierung“ oder Selbstverwirklichung“ befassen…

    Dynamische Darstellung der Bedürfnishierarchie – Überlappungen sind dabei möglich und zu einem Zeitpunkt oft mehrere Bedürfnisse (aus verschiedenen Kategorien) aktiv. (aus Wikipedia).

    Quellen:
    D.T. Wilson et al.: „Just think: The challenges of the disengaged mind“, Science 345 (6192), 2014
    E.C. Westgate et al.: With a little help for our thoughts: Making it easier to think for pleasure“, Emotion 17 (5), 2017
    W. Wolff et al.: „Bored into depletion?“, Perspectives on Psychological Science, 15 (5), 2020
    Tim Schlenzig in myMonk (5 Hindernisse)

    Foto von Keegan Houser auf Unsplash

    Letzte Aktualisierung von Thomas Walser:
    30. Januar 2025

  • Art of Aging

    Art of Aging

    Man muss lange leben, um ein Mensch zu werden.
    [Antoine de Saint-Exupéry]

    Mensch, werde wesentlich.
    [Angelus Silesius]
    The young become the old, and mysteries do unfold.
    [Benard Ighner, Everything Must Change.]

    Wie kann man lange leben, ohne körperlich und psychisch abzubauen?

    Zuerst mal: Der Begriff „Anti Aging“ trägt zu einem negativen Altersbild bei. Ich will statt Anti-Aging besser Art of Aging, Pro-Aging oder Better-Aging sagen und mich damit für ein kompetentes und gesundes Älterwerden einsetzen.
    Wilhelm Schmid hat es in seinem wunderbaren Buch (Gelassenheit. Was wir gewinnen, wenn wir älter werden) „Art of Aging“ genannt. Also eine Kunst des Älterwerdens, um mit diesem Prozess zu leben, statt dagegen anzuleben. „Eine Lebenskunst im Umgang mit dem Älterwerden kann helfen, mit den Herausforderungen, die diese Phase bereithält, so zurechtzukommen, dass das Leben schön und bejahenswert bleibt –und wenn nicht mehr das eigene Leben in dieser Zeit, so doch das Leben als Ganzes…“
    Wir wollen nicht gebrechlich werden und dahinsiechen, sondern wir wollen, dass die Jahre, die uns durch die längere Lebenserwartung heute geschenkt werden, erfüllte Jahre werden. Dazu kann die Gesellschaft und jeder Einzelne etwas tun.

    Für Schnellleser hier in Kürze was Langlebigkeit fördert >>>

    Der Jungbrunnen von Lukas Cranach d.Ä.

    Das Paradies der Unsterblichkeit

    „Das Leben ist eine sehr endliche Veranstaltung, und ab einem bestimmten Punkt ist man auf der anderen Seite.
    Ich bin mit Mitte 50 aus dem Paradies der Unsterblichkeit gekippt. Ich habe immer gespielt, nichts wirklich ernst genommen, aber auf einmal war er da, der Moment, und ich merkte: Jetzt bin ich angeschossen…“
    Ulrich Tukur, deutscher Schauspieler

    Jedermann, jede Frau erlebt irgendwann im Leben diesen „Kipppunkt, an dem ich aus dem Paradies der Unsterblichkeit falle“. Die Männer häufig schon mit 30 bis 40 Jahren beim Auftreten eines Haarausfalls, Frauen meist schon früher beim ersten Bemerken eines äusseren „Makels“ (Orangenhaut, Falten, graue Haare…). Wir Kippen dann endgültig aus dieser Makellosigkeit mit dem Auftreten einer Funktionseinbusse, wie Hör- oder Sehstörungen, Hinken, Versiegen der Menstruation,…

    Kompensation überwindet Probleme

    Menschen verändern sich mit dem Alter, und manches verschlechtert sich tatsächlich. Doch für die meisten Nachteile haben wir Kompensationsstrategien entwickelt. Sind Augen oder Ohren nicht mehr scharf? Dann tragen wir Brillen und Hörgeräte. Das gilt auch für die jungen Jahre: Wissen wir noch nicht viel, googeln wir eben öfter. Selbst das Gehirn kompensiert: Es schrumpft ab 30, doch selbst nach Jahrzehnten führt das nicht sofort zu kognitiven Einbussen, weil es sich neu organisiert. Gehirnscans zeigen, dass jüngere Menschen bei schweren Aufgaben oft nur ein Areal aktivieren, während Ältere mehrere Areale gleichzeitig nutzen.

    Lernen übertrumpft Lernen:

    Ob jemand Neues gut oder schlecht lernt, hängt von vielen Faktoren ab, doch jenseits der Kindheit spielt das Alter kaum eine Rolle. Jüngere merken sich zwar isolierte Fakten meist besser, doch das ist selten gefragt – im Alltag hängen die Informationen meist zusammen. Ausserdem zählen Übung, gute Lerntechnik, die richtige Einstellung und Motivation genauso viel wie vorhandenes Wissen, an das neue Fakten andocken (Weiterlesen).

    Gesundheit besiegt Krankheit:

    Älterwerden bedeutet nicht, länger gebrechlich zu sein. Forscher der Universität Lausanne untersuchten, wie viele gesunde und kranke Jahre 65-Jährige noch vor sich haben. Das Ergebnis ist eindeutig: Zwischen 2007 und 2017 stieg die Lebenserwartung in guter Gesundheit um rund 1,8 Jahre, während die erwartete Krankheitszeit um etwa sechs Monate sank.

    Der Grund ist einfach: Ein gesunder Lebensstil und gute medizinische Versorgung verlängern nicht nur das Leben, sondern verbessern die Gesundheit insgesamt. Bei Demenzerkrankungen verschiebt sich der Beginn statistisch kontinuierlich in ein höheres Alter – und zwar schneller als die Lebenserwartung steigt. Die Betroffenen bleiben also im Durchschnitt immer kürzer dement als früher.

    Die Zeit, als Menschen kurz nach der Verrentung ins Siechtum verfielen, ist vorbei. Viele Seniorinnen heute sind gut gelaunt und fit und unterscheiden sich stark von Gleichaltrigen vor 50 Jahren.

    Alter schützt vor Jugendlichkeit nicht

    Alt werden wollen alle, alt sein nur wenige. Die Angst zu altern ist so alt wie der Mensch. Warum?
    Gerade heute hätte der Mensch wenig Grund, das Alter zu fürchten, weil wir nicht nur älter als unsere Eltern, sondern auch gesünder als sie älter werden („Happy-Well“).
    Seit Urzeiten suchen wir nach der Quelle der ewigen Jugend und des ewigen Lebens, doch den Jungbrunnen haben wir nie gefunden. Erstaunlich, denn der Jungbrunnen ist so nah – die Reise dorthin ist keine für Pauschaltouristen, es ist eine Reise zu sich selber.

    Der Psychologe und Altersforscher Andreas Kruse hat darauf die folgende Antwort: »Wenn du von dir glaubst, nichts Positives mehr bewirken zu können, geht es körperlich bergab.« Im Interview mit der ZEIT erzählt er, warum wir uns vor der zweiten Lebens­hälfte nicht fürchten müssen und wie man innerlich „jung“ bleibt. Neben der körperlichen Aktivi­tät ist für Andreas Kruse vor allem eins ent­scheidend: Open-Mindedness – geistig, emotional und spirituell offen zu bleiben. Sich also fortwährend in Premieren des Lebens zu stürzen und neue Erfahrungen zu machen. Damit sind jetzt nicht Bungee-Sprünge für Senioren gemeint. Man kann es im schnöden Alltag auch einfach mal damit versuchen, häufiger Ja zu sagen – zu Ein­ladungen, Begeg­nungen und allem, was sich da zwischen Aufstehen und Zubettgehen so anbietet.
    Lesen Sie hier im Interview, warum das mit der Angst vorm Alter nicht sein muss. 

    5 Faktoren für eine deutlich längere Lebenserwartung (Langlebigkeit oder Longevity)

    50-Jährige, die 5 Faktoren für einen gesunden Lebensstil berücksichtigen, haben eine deutlich längere Lebenserwartung frei von chronischen Krankheiten verglichen mit Gleichaltrigen, bei denen keiner der Faktoren Teil ihres Lebensstils ist. Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Yangping Li, Harvard T.H. Chan School of Public Health, Boston, USA, und seine Kollegen im British Medical Journal.

    • Ernährung: Die Werte sollten innerhalb der oberen 40% im Alternate Healthy Eating Index liegen, was einer gesunden Ernährung entspricht,
    • Rauchen (niemals vs jemals),
    • moderate körperliche Aktivität (mindestens 30 Minuten/Tag),
    • moderater Alkoholkonsum (5-15 g/Tag für Frauen, 5-30 g/Tag für Männer) und
    • Body-Mass-Index (18,5-25 kg/m2). Die zu erwartende Lebensspanne frei von Krebs, kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes betrug für die 50-Jährigen zwischen 24 Jahren für Frauen, die keinen der 5 Lebensstil-Faktoren umsetzten, bis 34,5 Jahre für Frauen, die einen Score von 4 bis 5 hatten. Für Männer rangierten die entsprechenden Werte zwischen 23,5 und 31 Jahren. Frauen gewannen damit durch den gesunden Lebensstil 11 Jahre frei von chronischen Erkrankungen, Männer 7,5 Jahre.Bei genauerer Analyse der einzelnen Erkrankungen stellten die Forscher fest, dass sich bei Beachtung von 4 der 5 Lebensstil-Faktoren für Frauen eine um 8,5 Jahre, für Männer eine um 6 Jahre längere Lebenszeit ohne Krebs ergab. Für kardiovaskuläre Erkrankungen waren es 10 Jahre bei den Frauen und 8,5 Jahre bei den Männern. Am grössten war der Gewinn an Lebenszeit frei von Typ-2-Diabetes: für Frauen 12,5 Jahre, für Männer 10,5 Jahre.

    Die geringste noch zu erwartende Lebensspanne ohne schwere chronische Erkrankung stellten die Forscher bei Männern fest, die mindestens 15 Zigaretten am Tag rauchten, sowie bei fettleibigen Männern und Frauen. Für diese Personengruppen war die krankheitsfreie Lebenserwartung im Alter von 50 Jahren mindestens 75% geringer.

    Wir können also weitgehend selbst bestimmen, wie wir altern

    Vorausgeschickt etwas Wichtiges:
    Das Allerschlimmste an der Longevity-Bewegung ist der Glaube: Wenn ich gesund lebe, altere ich nicht. Wenn man also dennoch Altersbeschwerden hat, ist man selbst dran schuld. Das ist ganz falsch.

    Eine Untersuchung der Harvard Medical School, eine der längsten (Beginn 1938 mit über 85 Jahre Beobachtung der bisher 3 Generationen mit mehr als 1300 Kinder der ursprünglich 900 Frauen und Männer) und umfassendsten Forschungen zur menschlichen Entwicklung (Grant Study of Adult Developement) zeigt:

    Was unterscheidet Menschen, die im Alter von 60 bis 80 zufrieden und gesund sind (Happy-Well) von den traurigen Kranken (Sad-Sick), fragten sich George E. Vaillant und sein Team (Interview mit Vaillant über seine Grant-Studie & Aging Well. Little, Brown & Company, Boston 2002 & Robert Waldinger, Marc Schulz: The Good Life … und wie es gelingen kann).

    (Viel) Geld hingegen macht uns nicht glücklicher oder gesünder und auch nicht die überbewerteten Gene. Der genetische Einfluss auf die Lebenserwartung macht beim Menschen weniger als ein Drittel aus. Zwei Drittel hängen also von Umweltfaktoren ab. Das zeigen vor allem Studien an eineiigen Zwillingen. Niemand sollte sich deshalb einen ungesunden Lebensstil leisten.

    Jedoch die Armut verkürzt unser Leben >>> siehe unten.

    Lebensstil-Faktoren wirken bereits früh im Leben. Es ist aber auch nie zu spät, mit dem Rauchen aufzuhören, sich gesund zu ernähren und mit dem Sport anzufangen. Dies hat auch noch bei Männern und Frauen in den 70ern einen positiven Effekt.

    Die körperliche Fitness ist das Allerwichtigste

    Die Lebenserwartung ist stark gestiegen. Auch mit chronischen Erkrankungen oder Bewegungsbehinderungen wird man heute über 80 Jahre alt. Wie kann man noch älter werden? Forscher untersuchten 195 Personen, die im Durchschnitt 82,3 Jahre alt waren, um Unterschiede zwischen Menschen, die 95 Jahre oder älter werden, und jenen, die dieses Alter nicht erreichen, zu finden. Entscheidend sind nicht Herzkrankheiten, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Diabetes, Demenz, Parkinson, Krebs, Depression, Multimorbidität oder Polypharmazie, sondern die körperliche Fitness. Ein Test, der Balance, Koordination und Laufgeschwindigkeit prüfte, erfasste diese. Auch ohne Kausalitätsbeweis motivieren diese Daten, körperlich aktiv zu bleiben, wenn man den 100. Geburtstag feiern möchte.
    (J Am Geriat Soc. 2024, doi.org/10.1111/jgs.18941.)

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    Menschen altern mit 44 und 60 besonders stark

    Eine US-Studie zeigt: Menschen altern sprunghaft, besonders Mitte 40 und Anfang 60 – bei Männern und Frauen.

    Altern verläuft nicht gleichmässig, sondern in Sprüngen, so eine neue US-Studie. „Wir verändern uns nicht nur allmählich, es gibt dramatische Veränderungen“, sagt Professor Michael Snyder, Direktor des Zentrums für Genomik und personalisierte Medizin an der Stanford University. Er ist Hauptautor der Studie, die in „Nature Aging“ erschien.

    Während bekannt war, dass das Risiko für Alzheimer, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ab 60 steigt, war der Alterssprung Mitte 40 unerwartet. Zuerst dachten die Forscher, die Menopause könnte die Resultate verzerren, stellten dann aber fest, dass die Veränderungen bei Frauen und Männern auftreten.

    Abbau von Koffein, Alkohol und Fetten verändert sich

    Mit etwa 44 Jahren verändern sich Moleküle, die mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängen. Auch die Fähigkeit, Koffein, Alkohol und Fette zu verstoffwechseln, verändert sich stark. Betroffen sind auch Moleküle, die für die Alterung von Haut und Muskeln verantwortlich sind.

    Warum die „dramatische“ Alterung Mitte 40 auftritt, bleibt unklar. Weitere Untersuchungen sind nötig. Die Beobachtungsdauer war zu kurz und die Teilnehmerzahl relativ gering. Längerfristige Forschung soll die Zusammenhänge besser erfassen.

    Ein Zusammenhang mit dem Lebensstil ist möglich. Der veränderte Alkoholstoffwechsel könnte auf erhöhten Konsum zurückzuführen sein, mutmassen die Forscher. Die Lebensphase Mitte 40 sei oft stressig, viele Menschen trinken dann mehr. „Wir wissen nicht immer, was Ursache und Wirkung ist“, sagt Hauptautor Snyder.

    Lebensstil Mitte 40 und ab 60 anpassen

    Unabhängig von der Ursache könne man mit dem Wissen um den Alterssprung gegensteuern. Kontrolluntersuchungen sind dann sinnvoll. Weil die Muskeln Mitte 40 und ab 60 schneller abbauen, muss man in diesem Alter mehr Sport treiben. Auch Ernährung und Lebensstil sollten an den veränderten Altersprozess angepasst werden.

    So kann jemand in jungen Jahren täglich mehrere Tassen Kaffee trinken, ohne Probleme zu haben. Mitte 40 reicht dann plötzlich eine einzige Tasse, um den Schlaf zu stören. Den Lebensstil anzupassen, ist natürlich sinnvoll, solange man noch gesund ist.

    Die Siebziger sind dann sogar das glücklichste Jahrzehnt

    Zum einen kann man in den Siebziger nun bereits stark loslassen, zum anderen hat man noch viel Kraft. Wenn man krank ist, ist das natürlich etwas anderes. (Verena Kast über jugendliches Glück von 80-Jährigen in der ZEIT, 28.05.2025)

    Inflammaging

    In den vergangenen Jahren hat die Medizin erkannt, dass viele Erkrankungen eine mehr oder weniger ausgeprägte Entzündungskomponente haben. Das gilt selbst für Krankheiten wie Atherosklerose, Darmkrebs oder neurologische Erkrankungen. Die Gerontologie betrachtet chronische Entzündungen inzwischen als zentralen Mechanismus des Alterns. Dieser Zusammenhang wird als Inflammaging bezeichnet. Deswegen ist eine antientzündliche Ernährung so wichtig.
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    Gute Beziehungen machen uns glücklicher und gesünder

    Es ist weder Geld noch körperliche Gesundheit, was uns primär glücklich macht. Diese Langzeitstudie zeigt eindrücklich, welche zwei Elemente am meisten zählen:
    Das eine ist die Liebe. Das andere ist es, einen Lebensweg zu finden, der Liebe nicht vertreibt.
    Die Studie zeigt, welche positiven Auswirkungen die Liebe auf unsere emotionale Stabilität und die Gesundheit hat. Wer sich über lange Zeiten einsam fühlt, neigt laut Vaillant sogar zu schlechterer Gesundheit und stirbt womöglich früher.
    Die Anwesenheit eines geliebten Menschen dagegen kann sowohl psychischen als auch physischen Schmerz lindern (also auch „Happy-Sick“ ist möglich). Ausserdem trägt eine vertrauensvolle Beziehung zu einem entspannten Nervensystem und einem gesunden Gehirn bei!

    >>> Mehr über diese Grant-Glücks-Studie von Vaillant
    >> Mehr  über „gute“Intimität
    >>> Einsamkeit ist ein weiterer Dauerstress und fördert chronische Entzündungen

    Wieviel spielen die Gene bei der Langlebigkeit mit?

    Eine aktuelle Studie im Fachjournal «Nature Medicine» zeigt, dass man sich wenig auf dem gesunden Altern seiner Anverwandten ausruhen kann. Ein Forscherteam von der Universität Oxford hat untersucht, was mehr Einfluss auf Krankheit und einen frühen Tod hat: die Gene oder der Lebensstil. Die Daten zeigen in sehr überzeugender Weise: Umwelteinflüsse, sozioökonomische Faktoren und persönliches Verhalten sind vorrangig, die Gene spielen nur eine weit untergeordnete Rolle.

    Die Faktoren, die ein frühes Ableben am meisten beförderten, waren der Analyse zufolge: das Lebensalter, die Zahl der bisher gerauchten Zigaretten, männliches Geschlecht, ob man aktuell raucht, Arbeitslosigkeit, häufige Müdigkeit, wenig Bewegung, ein niedriges Haushaltseinkommen, ob man mit einem Partner oder Partnerin zusammenlebt und ob man mehr als neun oder weniger als sieben Stunden pro Nacht schläft.

    Manche Einflüsse erwiesen sich als sehr beständig: Wenn die Mutter rund um die Geburt rauchte oder Kinder im Alter von zehn Jahren besonders schwer waren, beeinflusste das ihr Altern und ihr Risiko für einen frühzeitigen Tod noch 30 bis 80 Jahre später.

    Geistiger Verfall ist nicht programmiert

    Eine altersbedingte Abnahme der geistigen Fähigkeiten ist nicht unausweichlich. Seniorinnen, die weder an Bluthochdruck, noch an Diabetes leiden und nicht rauchen, haben gute Chancen, im Alter von 85 Jahren noch geistig fit zu sein (amerik. Studien publiziert in Journal of the American Geriatrics Society).
    Heute sind die 75jährigen kognitiv fast 20 Jahre jünger als noch vor zwei Jahrzehnten (www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.498497.de/diw_sp0738.pdf)!
    Zudem weiss man aus der Hirnforschung, dass auch ein „altes“ Hirn noch lernen und wachsen kann, wenn Begeisterung und Freude im Spiel ist. The brain run on fun!
    In diesem Zusammenhang erwähne ich, dass auch ein junges Hirn in Sachen Lern- und Gedächtnisleistungen mickrig wenig leistet. Auch jugendliche Akademiker können sich nach einer Tagung gerade mal an 8% des Programms erinnern – und nur gerade 50% davon richtig. Diese Ergebnisse tauchen die Annahme, dass wir im Alter langsam aber sicher unser Gedächtnis verlieren, in ein anderes Licht. Unser Gedächtnis ist zu keinem Zeitpunkt unseres Lebens präzise, unfehlbar und vollständig.
    Vergesslichkeit ist das eine, Zuverlässigkeit das andere. Das Gedächtnis versucht nie auch nur annähernd, das dauerhaft abzuspeichern, was wir exakt erlebt und erfahren haben. Als junge Erwachsene bemerken wir das nicht und sind voller Selbstbewusstsein hinsichtlich unserer Gedächtnisfähigkeiten. Im Alter aber werfen wir uns dies selbst vor (Lit: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden, Martin Korte).

    Man hat gemerkt, dass jede Lebensdekade ihre kognitive Höchstleistung hat. Menschen über sechzig sind besonders wortgewandt. Sie zeigen einen aussergewöhnlich grossen Wortschatz. Und erstaunlicherweise behalten diese Menschen neue Worte leichter als Jüngere. Ein gutes Gedächtnis, so viel wird aus Studien deutlich, ist also kein Vorrecht der Jugend.
    Menschen arbeiten heute bis in ein höheres Alter und ihre Arbeit erfordert sehr häufig das kontinuierliche und breit gefächerte Lesen. Dies baut ihren Wortschatz nicht nur aus, sondern pflegt und hält ihn auch aufrecht.

    Das Gehirn älterer Menschen wird also nicht leistungsschwächer. Ganz im Gegenteil: Es weiss einfach mehr!

    Zu viel Info im Kopf

    Einen ganz anderen Blick als Neurophysiologen und Mediziner haben Sprachwissenschaftler an der Universität Tübingen auf die Hirnleistung im Alter. Sie widersprechen der gängigen Ansicht, dass diese mit dem Älterwerden abnehme: «Das menschliche Gehirn arbeitet im Alter zwar langsamer, aber nur, weil es im Laufe der Zeit mehr Wissen gespeichert hat», sagt Dr. Michael Ramscar, Philosoph, Sprachwissenschaftler und Fachmann für künstliche Intelligenz am Seminar für Sprachwissenschaft und quantitative Linguistik.
    Ramscar und seine Kollegen studierten anhand «lernfähiger» Computermodelle, die menschliches Verhalten in Tests zu kognitiven Fähigkeiten simulieren sollen, wie sich Datenfülle und kognitive Leistungsfähigkeit zueinander verhalten. Wenn sie ihren Computer mit nur wenigen Datensätzen speisten, sei seine Lernleistung derjenigen von Jugendlichen ähnlich gewesen. Waren es sehr grosse Datensätze, um die Erfahrung eines ganzen Lebens zu simulieren, lernte er «langsamer», weil mehr Informationen verarbeitet werden mussten. Genauso sei das auch bei älteren Menschen, meinen Ramscar und seine Kollegen. Ein weiteres Problem gängiger Tests sei die Lebenserfahrung. So müssen sich die Probanden in typischen «Paired-associate-learning»Tests zur Beurteilung kognitiver Fähigkeiten Wortpaare einprägen. Manche davon sind logisch, wie zum Beispiel oben/unten, manche davon völlig sinnfrei. Junge Menschen haben kein Problem damit, auch die unsinnigsten Kombinationen fast genauso schnell zu lernen wie logische. Anders bei den Älteren: Sie merken sich zusammenpassende Wortpaare leichter als unsinnige Kombinationen. Die Tübinger Forscher fordern, dass die Messung der kognitiven Fähigkeiten älterer Menschen anders gestaltet werden müsse:
    «Das Gehirn älterer Menschen wird nicht leistungsschwächer, ganz im Gegenteil, es weiss einfach mehr » , so Ramscar.
    (Ramscar M. et al.: The Myth ot Cognitive Decline: Non-Linear Dynamics of Lifelong Learning. Topics in Cognitive Science 2014; 6: 5-42)

    Dinge zu vergessen, ist also nicht nur normal, sondern auch gesund

    Es ist die „Werkseinstellung“ unseres Gehirns, schreibt die Neurowissenschaftlerin Lisa Genova in „Die Gabe der Erinnerung und die Kunst des Vergessens“. Es ist fast ein bisschen lustig, wie wichtig das Erinnern für die menschliche Identität ist, man fühlt sich als die Summe seiner gemachten Erfahrungen. Dabei sagen die rein statistisch relativ wenig über einen aus. Aus unserer jeweiligen jüngsten Vergangenheit merken wir uns nur etwa drei Prozent dessen, was wir erleben. Im Grunde sagt das, was wir vergessen, am Ende viel mehr über uns aus.

    Daniel Schacter beschreibt in seinem Buch „The Seven Sins of Memory“ gleich sieben Arten des Vergessens, mit denen Menschen ständig konfrontiert sind. Zum Beispiel die sogenannte Blockade, wenn das Hirn nicht imstande ist, eine benötigte Information abzurufen, die eigentlich da ist, etwa wenn einem der Name eines Schauspielers entfällt. Dann gibt es noch die „fehlerhafte Zuordnung“, wenn man glaubt, ein Schauspieler hätte in einem bestimmten Film mitgespielt, dabei war es ein ganz anderer. Adam Sandler, nicht Ben Stiller.

    Der erste und wahrscheinlich auch häufigste Erinnerungsfehler, den Schacter beschreibt, nennt er „Vergänglichkeit“. Der stärkste Verbündete der Vergesslichkeit ist, vereinfacht ausgedrückt, nämlich die Zeit. Und nicht nur in dem Sinne, dass unser Gedächtnis schlechter wird, je älter wir werden. Es ist die Zeit selbst, die eine Erinnerung langsam, aber sicher zerstört. Wie ein Polaroid, das sich rückwärts entwickelt. Kurz nach dem Foto ist die Aufnahme noch klar, je länger man aber wartet, desto mehr verblasst das Bild und wird schwerer zu erkennen.

    Es gibt eine andere Vergessens-Art, die Schacter in seinem Buch beschreibt. Er nennt sie die Sünde der absent-mindedness, der geistigen Abwesenheit. Man könnte auch einfach Zerstreutheit sagen.

    Das Gedächtnis ist nicht nur dafür da, sich an die Vergangenheit zu erinnern, sondern auch an die Zukunft. An die Dinge, die wir erledigen müssen, oder die Sachen, die wir uns vornehmen. Daran, dass ich noch Milch kaufen muss. Eine E-Mail beantworten. Oder dass ich mein an der S-Bahn-Station geparktes Fahrrad auf dem Heimweg wieder mitnehme, damit es nicht von Tauben vollgeschissen wird. Gedächtnisforscher sagen „prospektives Gedächtnis“. 50 bis 80 Prozent der täglichen Erinnerungsfehler fallen zumindest teilweise in diesen Bereich.

    Die westliche Welt erlebt eine Art Aufmerksamkeitskrise, niemand hat mehr das Gefühl, sich richtig fokussieren zu können. Aufmerksamkeit ist eine sehr spärliche Ressource, wenn es nach der Psychologin Gloria Mark geht, Autorin des Buches Attention Span – eine, die mit der Zeit immer spärlicher wird. Marks Untersuchungen haben ergeben, dass im Jahre 2004 die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen vor einem Bildschirm noch bei zweieinhalb Minuten lag. Inzwischen ist sie auf 47 Sekunden gesunken. Und bedenken Sie, wir sprechen hier vom Durchschnitt. Es ist also gut möglich, dass ich individuell darunter liege.

    Was tun?

    Erstens hilft es, Assoziationen zu schaffen, dann merkt sich das Gehirn etwas besser. Genauso, wenn man es schafft, eine emotionale Verbindung zu etwas aufzubauen, das man im Kopf behalten will. Zweitens sollte man eine Aufgabe laut aussprechen, die man später erledigen will, dann kann man sie sich besser merken. Drittens hilft es, aussergewöhnliche mentale Bilder zu erschaffen, die man nicht so schnell vergisst. Im Grunde geht es darum, ein Netz an Verknüpfungen in meinem Hirn zu spannen, das dabei hilft, mich an eine Sache zu erinnern. Oder, vielleicht besser in dieser Analogie, das verhindert, dass eine Erinnerung einfach für immer davonschwimmt.

    Wenn ich mein Fahrrad an der S-Bahn abstelle, dann fokussiere ich mich jedenfalls immer kurz auf ein grosses Ikea-Plakat, das dort hängt, und stelle mir vor, dass ein grässliches Monster daraus hervorspringt (ich gehe nicht gern zu Ikea). Das Bild bleibt den ganzen Tag in meinem Kopf.

    Vor allem wird einem aber immer geraten, das Smartphone zu nutzen und sich Wecker, Timer und Erinnerungssignale einzurichten. Denn auch wenn man den Dingern hervorragend die Schuld an allen Problemen des modernen Lebens geben kann, sind sie gleichzeitig halt leider auch die Lösung für viele dieser Probleme.

    In allen steht, wer ein gutes Gedächtnis will, der muss es pflegen, nutzen und ihm ausgiebige Pausen gönnen. Vom Gehirn sprechen die Autoren häufig so, als sei es ein Muskel. Was keine schlechte Analogie ist, denn es kann wachsen wie ein Muskel. Londoner Taxifahrer etwa, die eine der schwierigsten Taxiprüfungen der Welt ablegen und praktisch alle Strassen der englischen Hauptstadt im Kopf haben müssen, haben einen dickeren Hippocampus als gleichaltrige Menschen aus anderen Berufen und auch als Taxifahrer, die die Prüfung noch nicht abgelegt haben.

    Die gute Nachricht ist, um sein Hirn fit zu halten, muss man einfach all die Dinge tun, die einem in unserer Selbstoptimierungskultur sowieso schon dauernd empfohlen werden. Man muss meditieren, weil das dabei hilft, sich zu fokussieren. Man muss Sport machen, weil das Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin ausschüttet und das Wachstum in verschiedenen Hirnregionen befördert. Man soll sich gesund ernähren, am besten nach der „mediterranen Ernährung“, darf nicht rauchen, nicht trinken und muss auf jeden Fall genug schlafen. Man soll Pausen einlegen, damit sich die Aufmerksamkeit erholt.

    Der Sinn des Vergessen

    Vergessen ist sogar eine Voraussetzung für Intelligenz. Wenn kleine Kinder den Unterschied zwischen Hunden und Katzen lernen, müssen sie auch verstehen, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Hunden irrelevant sind. Man vergisst also nach Möglichkeit gewisse Dinge, wenn man Kategorien und Prototypen bildet. Das ist wichtig für das Denken im Allgemeinen!

    Stellen Sie sich vor, Sie haben eine harsche Auseinandersetzung mit einem Kollegen, böse Worte fallen. Wäre die Erinnerung daran nach einem Monat immer noch gleich scharf wie nach einer Stunde, so wäre es sehr schwierig, sich je zu versöhnen. Auch in sozialer Hinsicht ist es also nützlich, dass unsere Erinnerungen erodieren.
    Im Gehirn werden dauernd neue Verbindungen geknüpft und alte gekappt. Hirnzellen sterben. Da verschwinden automatisch gewisse Dinge.

    Tiefschlaf hält Erinnerungen wach

    Viele ältere Menschen haben einen gestörten Schlaf. Dies kann Auswirkungen auf ihre Gedächtnisleistung haben: Weiterlesen >>>

    See you later, Rollator!
    Keine Rollatoren und Krücken um die Plastizität des „alten“ Gehirns“ voll zu nutzen

    Seit Jahren ist die Gewissheit gewachsen, dass nicht nur unser Körper eine enorme Selbstheilungs- und Umbaufähigkeit besitzt (eindrückliches Beispiel hier walserblog.ch/2014/05/16/regeneration/), sondern auch unser Nervensystem mit unserem Hirn. Diese Erkenntnis wuchs, als man erlebte wie das Hirn sich auch nach einer grösseren Zerstörung zum Beispiel durch Hirnschlag oder Trauma erstaunlich erholen kann, falls man das Hirn auch sofort und stark fordert und nicht schont. Regeneration, neue Synapsenbildung und Übernahme von gestörten Funktionen durch neues Nervengewebe, respektive durch andere Hirnregionen geschieht durch Anregung und nicht durch Schonung.

    Man kann diese Plastizität unseres ganzen Wesens auch beim Altwerden beobachten. Der Feind dieser Plastizität ist die Schonhaltung „Das war‘s!“ – sich selbst als wirklich „alt“ sehen und nichts mehr „Anstrengendes“ und Neues anpacken. Gut wären wenig „Rollatoren“ und Krücken! Jeder „Rollator“ – ausserhalb von schweren Gangstörungen natürlich – lässt unser Hirn verarmen und verhindert Wachstum.
    So gesehen, ist bereits eine Gleitsichtbrille ein Rollator für unser Auge und lässt unser Sehnerv und Sehhirn verarmen.
    Hingegen kann eine früh eingesetzte Hörhilfe die noch guten Hörzentren stärken und unseren sozialen Radius wieder vergrössern.
    Auch Wanderstöcke lassen übrigens unser Gleichgewichtsorgan schwächer werden: walserblog.ch/2016/08/11/wanderstoecke-beim-berggehen/.
    Auch eine sogenannte „altersgerechte“ Wohnung ohne Schwellen und ohne (Stolper-)Teppiche wirkt kontraproduktiv. Das Gegenteil davon, also viele Stufen und Hindernisse, dann Ortswechsel, neue Küchenschrankeinteilungen, natürlich auch neue Freundschaften und unbekannte Reiseziele lassen unser Hirn wachsen und lebendig bleiben.

    90% aller Blockaden im Alter sind selbstgemachte, angstgesteuerte, unnötige, fürs Hirn lähmende, einschläfernde, …

    Weiterlesen in meinem Blog >>>

    Ältere fühlen sich weniger müde

    Ältere Menschen sind weniger oft müde als jüngere. Das stellten Forscher der London School of Economics fest, als sie eine Umfrage mit 13 000 Teilnehmern auswerteten. Der Zusammenhang war unabhängig davon, wie viel die Teilnehmer schliefen, und wie gesund sie waren.
    Heike Bischoff, Direktorin der Klinik für Altersmedizin am Unispital Zürich, hält das für plausibel: «Müdigkeit ist eine subjektive Grösse.»

    Zufriedenheit steigt im Alter

    Auch nach Operationen, etwa einem Kunstgelenk, seien Senioren oft zufriedener als Junge: «Jüngere Menschen erwarten mehr.» (Journals of Gerontology, 2013, Series B)

    Glück im Alter

    Wir halten Glück für etwas Zufälliges, was ich nicht ganz zutreffend finde. Glück hat mit Wachsamkeit zu tun, mit dem Bemerken der Gelegenheiten, die sich einem bieten – also mit dem bewussten Leben der Übergänge und dem Wahrnehmen der vielen Zwischenräume im Alltag (Weiterlesen).
    Man kann dem eigenen Glück nachhelfen – wenn man sich nicht auf einen Standpunkt versteift, sondern beweglich, offen und weit bleibt.

    Morphium ist der Botenstoff des Alters

    Der menschliche Körper kann Morphium produzieren, einen Botenstoff, der ein besonderes Hochgefühl auslöst, ein Gefühl tiefer innerer Zufriedenheit.
    Doch es gibt noch zwei weitere Botenstoffe des Menschen: Dopamin und Adrenalin. Der erste ist eine Vorstufe des Morphiums, er löst Vorfreude aus, Glücksmomente, die beim Erleben dann rasch zerrinnen. Der zweite wird bei Stress ausgeschüttet, versetzt den Körper in Alarm und hilft so, Hindernisse zu überwinden. Adrenalin beeinflusst seinerseits die Morphiumbildung – und andersherum. Die Botenstoffe können ineinander übergehen: Aus Dopamin wird mithilfe von Adrenalin Morphium gebildet. 
    Es herrscht eine biologische Logik. Welche wird klar, wenn man die U-Kurve der Lebensfreude ansieht (siehe oben) – die Wirkung der Stoffe passt genau zu den Lebensphasen. Dopamin steht für das jugendliche Glück, den Aufbruch, die Ekstase, das Lernen. Bei Adrenalin geht es um das Meistern von Problemen, um die Leistungsbetontheit, die steile Karriere. Und Morphium bringt die Glückseligkeit des Alters.
    Es gibt ein komplexes Wechselspiel zwischen Lebensabschnitt, Lebensumständen und der Konzentration der Botenstoffe im Körper, das dazu führt, dass bei den Jungen besonders viel Dopamin ausgeschüttet wird, bei den Mittelalten mehr Adrenalin und bei den Älteren mehr Morphium.

    Ganz allgemein behaupte ich, dass die Drogen eher etwas für Ältere (in ihrer Integrität ruhend) als für die Jugendlichen (die noch mühsam ihre Identität suchen) sein sollten:  Paul Parin über die „Weisen Pharmagreise„! und auch Michael Pollan über den guten LSD-Trip.

    Drei Arten Glück je nach Alter

    Glück A ist das jugendliche Glück des Wollens, »Wanting«. Der Mensch entwickelt sich durch Erfahrungen. Sind es gute Erfahrungen, schüttet der Körper Dopamin aus, was Euphorie auslöst. In dieser Phase sind wir lernbereit und kreativ. Diese Hochmomente, in denen wir uns wach und glücklich fühlen, streben wir an. Also suchen wir immer wieder nach Erlebnissen, die diese Glücksgefühle hervorrufen. In jungen Jahren sind wir abenteuerlustig, neugierig und entwickeln uns ständig weiter.

    Glück B ist das Nicht-haben-wollen, die Erleichterung. Hier geht es darum, Unglück und Stress zu vermeiden. Gelingt es, ein Problem zu umgehen, fühlen wir uns erleichtert und seufzen hörbar auf. Das Angstzentrum, die Amygdala, ist hier aktiv. In der mittleren Lebensphase zwischen 40 und 50 Jahren, wo uns oft Themen wie Karriere, Kinder, kranke Eltern, kriselnde Beziehungen, erste Verluste, Krankheiten und das Älterwerden stressen, geht es eher um Absicherung als um Abenteuer.

    Glück C ist das Gefühl, dass alles genau richtig ist: das Glück des Daseins, Zufriedenheit. Eigene Botenstoffe kommen hier zum Einsatz und schenken Gelassenheit. Es braucht alle Lebensphasen, um Glück C zu erreichen. Dopamin, das Lernen und Kreativität fördert, ist auch ein Baustein für die körpereigene Herstellung von Morphium. Dieses ist wichtig, um sich nach aktiven Phasen zu entspannen und Zufriedenheit zu empfinden. Es fördert das Glück älterer Menschen, im Moment zu sein.

    In Rente gehen

    Wer heute in Rente geht, hat statistisch noch mindestens 20 aktive Jahre vor sich. Sie zu gestalten ist für viele nicht einfach. Ein guter Bericht, der dies anschaulich und hilfreich beleuchtet:  Birgit Schönberger: Grosse Freiheit oder grosses Loch (in Psychologie Heute, 09/2016)?

    Neue Formen von „Karriere“ und Pension: Bogenkarriere & Sinuskarriere.

    Altersvor-Sorge

    „Altersvorsorge“ enthält ja bereits im Namen die „Sorgen“:
    Sorgen um die Zukunft und sich dabei das Hier und Jetzt noch vermiesen…

    Eine optimale Altersvorsorge ist die Pflege seiner Persönlichkeit und seines Umfelds (Beziehung, Familie, Nachbarn, Gemeinde…) – und nicht, wie die Banken und Versicherungen uns vorgaukeln, mehr zu arbeiten, um mehr Geld zu sparen!

    Im Alter geht es um neue Werte

    Kürzlich in einem Interview nuschelte Udo Lindenberg, heiser wie immer, folgenden Satz vor sich hin:
    «Alter steht für Radikalität und Meisterschaft.»

    Oder Peter Sloterdijk auf der phil.COLOGNE 06/2023: „Wir dürfen uns vom Status quo nicht zu sehr verzaubern lassen“. Diese Radikalität ist Sloterdijk im Alter, auch wenn es wie ein Bruch im Denken des oft als konservativ charakterisierten Philosophen scheint. Denn, wie der 75-jährige über sich selbst sagt: „Nur die Menschen an der Schwelle des Todes sind wirklich frei“. Womit er meint: Frei zu denken.

    Neue Werte sind: Frei denkend, wesentlich-essentieller, gelassener, gleichmütiger, also radikaler, in Meisterschaft.
    Die passende Philosophie für ein gelungenes Alter ist der Stoizismus. Sie kreist um Gelassenheit, Gleichmut und immer mehr Freiheit von negativen Gefühlen/Gedanken.

    Neue Werte sind auch Verlangsamung, Hängen lassen und Ent-Spannen. Man verlässt idealerweise das jugendlich Straffe und Gehaltene, das auch mit Schnelligkeit, Zwang, Zusammenziehen, (Ver-) Spannung und Verkürzung zu tun hat.

    Ältere Menschen, die nichts an sich korrigieren liessen, sehen mit ihrem natürlichen Gesicht nicht alt aus, sondern nach sehr viel Spass im Leben. Das lässt sie jung wirken – ganz im Gegensatz zu den Festgezurrten, Kontrollierten, Optimierten.

    Was dies auf der körperlich-strukturellen Ebene heisst: einen längeren, grösseren Innenraum zu bekommen und damit viel Platz für Körper und Geist zu haben. Wie man dies erreicht, erfahren Sie weiter unten auf dieser Seite.

    Neue Werte sind auch Humor und Selbstironie

    Die eigenen Ansprüche an die Realität anzupassen, fällt vielen schwer. Das betrifft auch unsere Freundschaften. Gerade im Alter sind sie fundamental für unser Wohlbefinden, wie verschiedene Studien zeigen. Wer schnell von anderen enttäuscht ist und sich deshalb zurückzieht, wird im Alter eher unglücklich und einsam. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig die eigenen Verhaltensmuster zu erkennen und gegebenenfalls zu ändern. 

    Das ist keine einfache Übung, aber man kann es trainieren. Nicht jedem fällt es leicht, auf andere zuzugehen und sich zu öffnen. Doch man kann sich in kleinen Schritten vorwagen. Zum Einstieg empfiehlt es sich, die Beziehung zu den Nachbarn zu pflegen. Frauen sind normalerweise besser auf das Alter vorbereitet als Männer, weil sie frühzeitig Freundschaften aufbauen und pflegen. Kommt es zu einer Trennung, haben manche Männer im Alter Schwierigkeiten, weil sie sich vorwiegend auf die sozialen Beziehungen ihrer Partnerinnen verlassen haben. 

    All diese Strategien, sich auf das Alter vorzubereiten, erfordern Anstrengung und Selbstreflexion. Aber sie lohnen sich. Eine besonders hilfreiche Strategie: Humor und Selbstironie. Wer es schafft, nachsichtig mit sich zu sein und über sich selbst zu lachen, gewinnt viel. Man lässt los und nimmt sich nicht so wichtig. Je früher wir diese Haltung kultivieren, desto besser.

    Die Fähigkeit, Schönheit zu sehen

    „Die Jugend ist glücklich, weil sie die Fähigkeit hat, Schönheit zu sehen. Wer die Fähigkeit behält, Schönheit zu sehen, wird nie alt.“ ~ Franz Kafka

    Sie haben immer die Fähigkeit, das war nie das Problem. Sie besitzen aber vielleicht nicht mehr die Werkzeuge, um das bösartige Selbsturteil zu erkennen und zu revidieren, Ihre Identität umzudeuten – und das war es, was die Schönheit verbarg, die Sie zu jeder Zeit umgab.
    Es hat lange gedauert, bis ich gelernt habe, die Schönheit zu sehen, und jetzt ist sie überall, wo ich hinschaue. Und, lieber Franz Kafka, ich bin immer noch dabei, alt zu werden.

    Die Lebensaufgaben erledigen

    George A. Vaillant zeigt anhand der „Lebensaufgaben“ gemäss dem entwicklungspsychologischen Modell von Erik H. Erikson, was sie im Einzelnen für den Prozess des „guten Alterns“ bedeuten. Er fügt zu den letzten vier Phasen (Identität, Intimität, Generativität und Integrität), noch zwei weitere hinzu: Zwischen Intimität und Generativität schiebt er „Konsolidierung“ (career consolidation) und zwischen Generativität und Integrität „Bewahren des Sinns“ (keeper of the meaning).

    • Identität: Noch vor dem Eintritt ins eigentliche Erwachsenenalter löst sich ein Mensch nach Möglichkeit von seinen Eltern und entwickelt eine eigene Identität: Er besitzt dabei am besten die Gewissheit, dass seine Werte, Leidenschaften, Lebensziele, Geschmacksurteile und so weiter wirklich seine und nicht die der Eltern sind. Wer seine Identität nicht erringt, tut sich lebenslang schwer, feste Freundschaften und Bindungen einzugehen oder eine befriedigende Arbeit zu finden.
      Man könnte auch raten: Bleiben Sie sich immer treu! Also: „wesentlich werden!“
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    • Intimität: Es gilt, bereits im frühen Erwachsenenleben zu lernen, stabile, von wechselseitiger Wertschätzung getragene Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, vorzugsweise zu einem Lebenspartner, aber auch mit Freunden. Ohnehin erlauben intime, stabile Bindungen und Freundschaften die besten Prognosen für ein „erfolgreiches Altern“ und psychische Gesundheit. Wenn man älter wird, bessern sich die Beziehungen zu anderen. Das Zusammenspiel von Respekt und Nachsicht mit älteren Menschen und weniger Konfrontationsbereitschaft ihrerseits sorgt für einen freundlicheren Umgang miteinander (Karen L. Fringermann u.a.: It takes two to tango: Why older people have the beset realtionships. Current Directions in Psychological Science, 19/3, 2010, 172-176).
      Mehr über die „Midlife-Boomer“ hier >>> midlife-boomer/
      Ein gutes Netzwerk aus Freunden und Nachbarn erhöht die Lebenserwartung deutlich. Gemäss einer Studie (Holt-Lunstad J et al., PLoS Med. 2010 Jul 27;7(7):e1000316), ist wenig Freunde zu haben, genauso schädlich wie 15 Zigaretten am Tag zu rauchen oder ein Alkoholiker zu sein.
      >>> Weiterlesen über leidenschaftlichen Sex im Alter
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    • Konsolidierung der beruflichen Karriere: Es gilt, im fortgeschrittenen Erwachsenenleben eine stabile soziale Identität in der Arbeitswelt aufzubauen. Voraussetzung dafür ist, dass man ein bestimmtes Kompetenzniveau und damit den Respekt anderer Menschen erwirbt, dass man sich beruflich weiterentwickelt, sich langfristig in ernsthaften Projekten engagieren kann und mit der Arbeit im Grossen und Ganzen zufrieden ist. Vaillant betont, dass auch „Hausfrau und Mutter“ eine Karriere in diesem Sinne sein kann.
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    • Generativität: Diese spezifische Lebensaufgabe besteht darin, „das eigene Selbst selbstlos wegzugeben“ (Vaillant), vor allem an die jüngere Generationen. Generativität betrifft die Fragen: Was bleibt von mir? Was will ich hinterlassen? Wie behalten mich andere in Erinnerung? Es geht um das ideelle und materielle Erbe, das wir weitergeben – nicht nur den eigenen Kindern, sondern überhaupt der „Nachwelt“. Generativ sind wir, wenn wir als Ratgeber, Mentor, Lehrer, Coach, Trainer oder Führer aktiv werden und andere an unserem Erfahrungsschatz und Wissen teilhaben lassen. Diese Phase kommt im mittleren Lebensalter, um die 40, auf uns zu, wenn das Leistungsmotiv abklingt und eher Gemeinschaftswerte und gesellschaftliche Aufgaben ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken.
      Geben Sie mehr als Sie nehmen! >>> siehe unten
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    • Bewahren des Sinns: Es gilt nun als Nächstes, kulturelle Werte zu bewahren und wertvolle Institutionen in der Gesellschaft zu festigen – indem man als älterer Mensch die Tugenden von Weisheit und Gerechtigkeit praktiziert. Ein „Bewahrer des Sinns“ ist ein im besten Sinne „Wertkonservativer“. Er übernimmt etwa die Rolle des weisen Richters, der Streit schlichtet und Feinde miteinander versöhnt. Er ist ein Bewahrer, der Traditionen rettet und dabei weit über den engeren persönlichen Radius hinaus wirkt.
      Als Beispiel steht hier Stéphane Hessel, der französische Philosoph, der mit 93 Jahren eine kleines politisches Büchlein, 32 Seiten dünn, mit dem imperativen Titel „Indignez-vous!“ („Empört euch!“) schreibt. Er schreibt kurz und wesentlich, wie es eben nur in diesem Alter möglich ist von seiner Wut über die Ungerechtigkeit auf dieser Welt: das Gefälle zwischen Arm und Reich; die Arroganz der Finanzmärkte; der Umgang mit Migranten; die Zerstörung der Umwelt. Hessel fürchtet sich vor gar nichts mehr. Er eckt rechts wie links an. Das ist ein Privileg des Alters.
      .
    • Integrität: Die letzte grosse Aufgabe im Leben ist es , das eigene Leben zu akzeptieren und anzunehmen, indem man das Gute und auch das weniger Gute, die Schattenseiten in die eigene Lebensgeschichte integriert und seinen Frieden mit sich und der Welt machen kann. Es wird immer wichtiger, seine Gedanken, Urteile und Glaubenssätze zu beleuchten, hinterfragen und zu verstehen, dass wir nicht beeinflussen können, WAS wir erleben, aber (positiv), WIE wir wahrnehmen, was wir erleben!
      Integrität bedeutet, auch im Angesicht des Todes nicht zu verzweifeln, sondern zu seiner Geschichte zu stehen und ihr einen Sinn zu geben. Wer diese Aufgabe meistert, ist vor den Ängsten und Depressionen der letzten Lebensphase einigermassen gefeit.
      Ein anderes Wort dafür ist auch „Gelassenheit“ >>>

    50:50-Modell

    Dieses Modell sieht vor, dass wir uns in der ersten Lebenshälfte bis 50 eine Fülle von Wissen und sozialem Knowhow aneignen, die wir dann im zweiten Teil, in den nächsten 50 Jahren an unsere Umgebung und die Gesellschaft zurückgeben. Dies ist eine Art soziales Sicherungssystem: Erst erwirbt man Kompetenzen, dann gibt man sie an das System, an nachfolgende Generationen zurück.
    Hier wird also das 50. Lebensjahr zu einem positiven Wendepunkt: Mit 50 wird das Leben erst richtig interessant. Mit 50 können die Menschen gesellschaftlich wichtige Beiträge leisten – in ihrem kommunalen Umfeld, bei der Arbeit, in der Familie. Die zweite Lebenshälfte ist so eine Ära persönlichen Wachstums und sozialem Engagements. Und dafür sind die über 50-Jährigen auch gesundheitlich – emotional wie körperlich – gut ausgestattet. Studien zeigten, dass Ältere weniger psychiatrische Erkrankungen haben, sie leiden weniger oft an Depressionen, Angsterkrankungen, Phobien und Süchten als Jüngere.
    Auch körperlich sind die über 50-Jährigen so gesund wie nie zuvor in der Geschichte. Wenn ich mir eine Gruppe von Menschen wünschen dürfte, die sich um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Welt kümmern, dann wären das die Menschen über 50. Sie profitieren von der Vielfalt an Wahlmöglichkeiten, die sie aufgrund ihrer Lebenserfahrungen erworben haben. Diese Weitsicht des Alters müsste die Gesellschaft viel stärker nutzen.
    Scheitern könnten wir bei dem Projekt nur, wenn wir zu wenig Vorstellungskraft entwickelten und das Alter weiterhin als Abstieg statt als eine ganz normale Lebensphase verstehen. Diese Phase steht am Ende eines, sagen wir, „optimierten Skripts für Gesellschaften des langen Lebens“. Warum arbeiten wir nicht ein paar Jahre länger, schinden uns dabei aber weniger?
    Um nicht auszubrennen und die Familienphase zu entzerren, sollte dabei die Arbeitslast besser über die Lebensjahre verteilt, die Rushhour des Lebens vermieden und statt dessen länger und durchschnittlich weniger gearbeitet werden. Das würde den Zeitdruck auf Erwachsene in der Lebensmitte mildern und Menschen jeden Alters mehr Optionen für die Zeit- und Lebensplanung eröffnen.
    (L. Carstensen: A long bright future. Happiness, health and financial security in an age of increased longevity. Public Affairs, New York 2009).

    Positives Selbstbild und Zufriedenheit

    Ältere Menschen mit einer positiven Einstellung zum Alter, also auch einem positiven Selbstbild, leben im Durchschnitt 7 bis 8 Jahre länger als Senioren, die mit dem Älterwerden hadern. Dies ergab eine Studie von Forschern der Yale University in New Haven USA, die über 23 Jahre US-Bürger beobachteten. Zufriedenheit wirkt sich demnach stärker auf die Lebensdauer aus als etwa ein normaler Blutdruck oder ein niedriger Cholesterinspiegel.

    Man weiss auch mit Studien aus der Neurophysiologie, weshalb dem so ist: Die Telomere sind wie die Schutzkappen bei Schnürsenkel – sie verhindern das Ausfransen der Genstränge an deren Enden. Sie verkürzen sich mit fortschreitendem Alter und gelten deshalb als Mass unserer Alterung. Dies geschieht nun langsamer, wenn wir zum Guten fokussiert sind – auch wenn wir denken, das Altern passiere nur im Kopf und ist deshalb durch Gedanken beeinflussbar. Übrigens auch weniger Stress, also mehr Entspannung schützt die Telomere!

    Wer sich jung fühlt, lebt länger

    Man ist so alt, wie man sich fühlt – das sind mehr als leere Worte, wie eine Untersuchung des «University College London» zeigt. Forscher befragten fast 6500 britische Frauen und Männer um die 65 zu ihrem Alter. Rund zwei Drittel von ihnen fühlte sich mindestens drei Jahre jünger als sie waren. Die anderen Personen fühlten sich älter.
    Erstaunlich: Von diesen starb jeder Vierte. Bei denen, die sich jünger fühlten dagegen nur jeder Siebte. Auch wenn die Forscher chronische Krankheiten und ungesunden Lebensstil berücksichtigten, konnten sie diesen Unterschied nicht erklären (Jama Internal Medicine).

    Geben ist seliger als Nehmen

    Wer als alter Mensch seine Zeit, seine Kraft und sein Wissen anderen zur Verfügung stellt, kann auch sein Leben verlängern. In einer Studie von Stephanie Brown ging es zum einen um praktische Hilfe – Arbeiten im Haushalt, Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Mithilfe beim Hausbau -, aber auch um emotionale Zuwendung wie zum Beispiel dem anderen zuhören, wenn er Probleme hat. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass es nicht darauf ankommt, was wir von anderen dabei bekommen. Ausschlaggebend ist, dass wir Zuwendung geben.
    Weiterlesen zur Kindness im Alter: walserblog.ch/2021/01/16/kindness/

    Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins (Marie von Ebner-Eschenbach)

    Die Befunde der Harvard Study of Adult Development strafen nach Ansicht von George Vaillant all jene Theoretiker Lügen, die ein eher pessimistisches Bild des Alterns entworfen haben – darunter auch so einflussreiche Forscher wie Sigmund Freud und William James. Die sorgfältige Empirie der Längsschnittstudie zeigt, dass Altern ein offener Prozess ist. Er kann scheitern und in geistigem Abbau und psychischem Leid enden, aber er muss es nicht. Im Gegenteil: Altern kann in vielerlei Hinsicht eine Aufwärtsentwicklung sein – eine Chance, sein Leben im besten Sinne zu vollenden und abzurunden. Es ist im Wesentlichen ein langer seelischer Reifungsprozess, eine Entwicklungsmöglichkeit, die man spätestens in mittleren Jahren wahrnehmen und an deren Verwirklichung man nach Möglichkeit bewusst arbeitet.

    Weiterlesen über Gelassenheit, den Inneren Friedens und ihre Hindernisse >>>

    Sechzigjährige haben den besseren „Sex“

    Sechzigjährige haben wesentlich mehr Persönlichkeit. Durch ihre Erfolge und Fehlschläge kennen sich ältere Menschen einfach besser, im Guten wie im Schlechten. Sie heissen vielleicht nicht alles gut, was sie an sich sehen, aber ihnen ist viel klarer, wer sie sind und wer sie nicht sind. Sie bringen mehr Individualität in die sexuelle Begegnung mit und können sich auch offener und wahrhaftiger zeigen, weil sie in ihrer Differenzierung weiter fortgeschritten sind. Ein reifer Mann glaubt nicht mehr, er müsse im Bett immer wissen, wie es weitergeht, fühlt sich weniger bedroht, wenn seine Partnerin ihm von gleich zu gleich gegenübertritt und kann es zulassen, dass sie ihn auffängt und stützt.
    Eine reife Frau kann im Bett selbst die Initiative übernehmen und braucht sich nicht zu rechtfertigen, dass sie selbst erotische Wünsche hat. Auch bei ihr liegen viele Jahre zwischen Geschlechtsreife und sexueller Reife.
    Sinnerfüllte Sexualität beruht nicht auf physiologischen Reflexen, sondern setzt eine bestimmte Stufe der persönlichen Entwicklung voraus.

    Im Alter fällt der Druck weg, dem Partner im Bett etwas beweisen zu müssen. Im Gegenteil: Jetzt darf man alles loslassen, was Stress macht. Dazu gehört auch der Zwang, dass „dort unten“ alles funktionieren muss. Sexualität bekommt eine neue Qualität, wenn das Vergnügen zählt – unabhängig vom Orgasmus.

    Man kann auf den eigenen Körper hören und ihn annehmen, gerade weil er nicht mehr alles leistet. Viele Frauen fürchten, nicht mehr zu genügen, weil ihre Lust nachlässt. Diese Sorge ist Ballast, den man abwerfen sollte.

    Vielleicht verabschiedet sich die Libido im Alter. Und? Unsere Sinnlichkeit und unser Empfinden bleiben. Sexualität kann an Tiefe gewinnen. Sanftes, verspieltes Schmusen belebt den Körper und weckt schöne Gefühle. Man kann sich nahe sein, einfach still liegen, sich berühren und liebkosen – ohne Erwartungsdruck. Viele Paare geniessen bewusstes Streicheln oder eine Massage bei Kerzenlicht.
    Weiterlesen über „Besseren Sex“ >>>

    Körperliche Bewegung und Gelenkigkeit

    Als einer der wichtigsten Faktoren im komplexen Wirkungsgefüge wurde immer wieder kontinuierliche körperliche Bewegung und Gelenkigkeit im Alter erkannt.

    In den sogenannten  „Blue Zones“, d.h. in Gegenden, in denen die Chance hoch steht, 100 Jahre alt zu werden (wie im bergigen Sardinien, in Ogimi an der Nordküste der japanischen Insel Okinawa, auf der griechischen Insel Ikaria, auf der Halbinsel Nicoya in Costa Rica oder in Smaland, Schweden), verbringt man als Selbstversorger viel Zeit im Garten. So bleiben sie gelenkig und müssen kaum zu Hause herum sitzen – etwas, das besonders schnell alt macht. Man treibt keinen exzessiven Sport, kein Yoga und übrigens auch kein Essen ohne jegliche Sünden.

    Die bekannteste Arbeit stammt von Ralph S. Pfaffenbarger und seinen Mitarbeitern, die seit Mitte der 60er Jahre den Lebenslauf von 17000 männlichen Harvardabsolventen wissenschaftlich begleiten. Dabei zeigte sich, dass diejenigen, die mehr als 2000 Kilokalorien pro Woche durch körperlichen Einsatz verbrannten, eine deutlich höhere Überlebensrate aufwiesen als die körperlich weniger aktiven. Dies sind etwa 30 Minuten mässiges Wandern pro Tag – aber der alltägliche Mix ist dabei wichtig (alle Treppen steigen, im Garten arbeiten, einkaufen mit vollen Taschen… und dann noch etwas wandern).
    Bei einem Verbrauch von etwa 3500 Kilokalorien ist dann aber eine Schwelle erreicht: Noch mehr Sport führt zu keiner bedeutsamen Erhöhung der Lebenserwartung. Andererseits muss die körperliche Belastung einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, um überhaupt Effekte zu erzielen.

    Diese Studie zeigte ferner, dass der Nutzen mit steigendem Alter deutlich zunimmt. Es ist offenbar nicht möglich, sich durch Sport in jüngeren Jahren sozusagen ein Gesundheitsguthaben anzulegen – entscheidend ist, ob man aktiv bleibt. (A mail survey of physical activity habits as related to measured physical fitness. Kohl HW, Blair SN, Paffenbarger RS Jr, Macera CA, Kronenfeld JJ. Am J Epidemiol 1988 Jun;127(6):1228-39 und Physical activity, diet, and health: independent and interactive effects. Wood PD. Med Sci Sports Exerc 1994 Jul;26(7):838-43).

    Kann eine langfristige körperliche Aktivität die Sterblichkeit und die biologische Alterung beeinflussen?

    Dieser Frage widmeten sich jetzt Forschende der Universität von Jyväskylä in Finnland mit einem überraschenden Ergebnis: Eine moderate körperliche Aktivität wirkte sich am stärksten positiv auf die Langlebigkeit aus und konnte die Sterblichkeitsrate in einem Zeitraum von 30 Jahren um 7% verringern.

    Die WHO empfiehlt 150 bis 300 Minuten moderater bzw. 75 bis 150 Minuten stärkerer körperlicher Aktivität pro Woche. Die Forschenden nahmen diese Empfehlungen zum Anlass, deren Auswirkungen auf die Sterblichkeit und das genetisches Erkrankungsrisiko zu untersuchen.

    Eine höhere Aktivität brachte hingegen keinen zusätzlichen Vorteil im Hinblick auf die Sterblichkeit. Die sehr aufwendige Zwillingsstudie wurde im European Journal of Epidemiology veröffentlicht.

    Im Gegenteil: Die hochaktive Gruppe war jedoch im Durchschnitt 1,2 Jahre biologisch älter als die moderat aktive Gruppe und 1,6 Jahre älter als die aktive Gruppe.

    Die biologische Alterung war bei denjenigen beschleunigt, die sich am wenigsten und die sich am meisten bewegten!

    Übrigens ist die Trainierbarkeit der Muskelkraft bis ins hohe Alter normal erhalten. Zum Beispiel liess sich selbst bei 90-jährigen Frauen und Männer die Maximalkraft des Kniestreckers nach 24 Trainingseinheiten in acht Wochen um 177 Prozent steigern. Oder: Vergleicht man z.B. die Spitzenzeiten des Olympiamarathons von 1936 mit denen des Berliner Volksmarathons der 50- bis 59-Jährigen (!) aus dem Jahr 1990, so zeigen sich nahezu identische Leistungen. Auch sportlichen Späteinsteigern gelingt es im Alter hohe sportliche Leistungen zu erzielen. Dies gilt besonders für die aerobe Ausdauer, die etwa im Marathonlauf leistungsbestimmend ist (auch für Schnelligkeit und Kraft gilt dies, weniger für Bewegungskoordination, wie z.B. im Tennis oder Skifahren nötig).
    Und zudem ist durch Bewegung im Alter nicht nur die körperliche Fitness gesteigert, sondern auch das psychische Wohlbefinden. In der Berliner Altersstudie von Karl-Ulrich Mayer und Paul Baltes zeigte sich, dass das subjektive Wohlbefinden umso grösser war, je gesünder sich die Leute fühlten. Und die Gesundheit war umso positiver, je sportaktiver die Person noch ist. Dieser Zusammenhang wird mit wachsendem Alter immer deutlicher.
    Sport scheint also nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Lebensqualität zu steigern. Erfolgreich altern, so die Berliner Forscher Paul und Margret Baltes, das sei „dem Leben Jahre und den Jahren Leben geben“.
    Und nochmals bestätigt: In einer grossen mehr als 20jährigen Beobachtungsstudie (Arch Intern Med; 168(15):1638-1646, 11/15 August 2008; Reduced Disability and Mortality Among Aging Runners. Eliza F. Chakravarty et al.) zeigte sich ein eindrucksvoller Zusammenhang von regelmässigem Rennen (im moderaten Tempo!) bei über 50jährigen mit kleinerer Mortalität (längerem Leben) und besserer Gesundheit. Am Schluss blieb ein im Schnitt fast 40 Prozent niedrigeres Sterberisiko für die vernünftigen Läufer!

    Die norwegische Uni Trondheim hat einen Fitness-Kalkulator aus einer grossen Studie erschaffen, der ganz einfach aus 5 Faktoren (Geschlecht, Alter, Bewegungsquantität und -qualität, Bauchumfang, Ruhepuls) errechnet wird. Bestimmen können Sie dabei auch gleich Ihr Fitness-Alter, was dann vielleicht in etwa Ihrem „Biologischen Alter“ entspricht (mit Vorsicht zu geniessen!):
    www.ntnu.edu/cerg/vo2max

    Das Gewebe lang und elastisch halten

    Ganz einfach: Alltäglich viel trinken, d.h. 2 bis 2,5 Liter Wasser als Basis. So kann man die anfallenden Harnsäurekristalle aus dem Essen (Fleisch, Fisch…) loswerden und diese werden nicht nach und nach u.a. ins Gleitgewebe der Sehnen abgelagert. Daraus würde allgemein eine langsame Abnahme der Elastizität des Bindegewebes, eine zunehmende Steifigkeit und erhöhte Verletzungsneigung resultieren.
    Auch eine gute, mediterrane oder nordische Ernährung unterstützt diesen Prozess.

    Ganz einfach auch: Viel Barfussgehen und -laufen! Der Fuss ist ein eigentliches Sinnesorgan mit über 30’000 Nervenendigungen, die gereizt werden wollen. Deshalb keine Einlagen, keine festen Schuhe (Schuhe sind am besten möglichst nahe dem Barfussgehen!), keine Fersendämpfung!
    Körperlich-strukturell müssen wir versuchen, den Innenraum lang zu halten, allgemein also nicht zu verkürzen.
    Vor allem die Verkürzung der Frontallinie (zwischen Schambein und Kinn) wird mit „Sad-Sick“ in Verbindung gebracht (je kürzer umso sad-sick, je länger umso happy-well!). Vorne kurz ergibt hinten einen Rundrücken (BWS-Kyphose). Auch die Bauchmuskeln sind dabei meist verkürzt und ziehen den gesamten Thorax nach unten.

    Viele Übel entstehen durch diese Kompression unserer Körperstruktur: Sehnenansatzprobleme; Muskelverkürzungen und Muskelverspannungen; stärkere Abnützung, also Arthrose der Gelenke; weniger freies Atme;, schlechtere Durchblutung der inneren Organe; Nervenkompressionen,…

    Diese Längenerhaltung bis ins Alter gelingt in der Alltagsbewegung am besten, falls man sich aus dem Gleichgewicht heraus, sich mit möglichst wenig oberflächlichen Muskeln (die immer auch Anteile haben, die verkürzen), mit möglichst wenig Energie und entspannt bewegt. Das bedingt ein aktiv sein der tieferen Rumpfstabilisatoren. Auch ein freundliches Ausnützen unseres Körpergewichts (der Schwerkraft) und nicht ein dagegen ankämpfen. Es entsteht eine schwingende, katzenartige Bewegung und eine Haltung, die nicht „gehalten“ wird, sondern die von innen und unten (Schwerkraft und ihre Gegenkraft, die Normal- oder Stützkraft) gestützt wird.
    Weiterlesen über die „Strukturellen Integration“ und Rolfing >>>
    und über das Wandern/Spazieren/Flanieren >>>

    Fitness im Alter ist wichtiger als ein Normalgewicht

    Die US-amerikanische Studie (Sui X et al.; JAMA 2007; 298(21):2507-2516) untersucht, wie aerobe Fitness und Gewichstprobleme im Alter zusammenhängen und was den grösseren Effekt auf die Sterblichkeit hat (2600 Personen über 60 Jahre über 12 Jahre lang beobachtet). Die Sterblichkeit stieg mit zunehmendem BMI, Taillenumfang und Körperfett an. Allerdings erwies sich die körperliche Fitness als signifikant besserer Prädiktor der Sterblichkeit als alle Adipositas-Marker. Insofern ermuntert man Senioren nach Möglichkeit, sich fit zu halten, selbst wenn sie normalgewichtig sind.

    Kein altersbedingter Abbau der Muskeln

    Seniorensportler dominieren ultralange Sportveranstaltungen wie Ultramarathons. Dies beweist, dass der altersbedingte Abbau der Muskelmasse durch regelmässigen Sport auf ein Minimum reduziert werden kann. >>> Ein Medizinartikel darüber: seniorenlaeufer.pdf

    Falscher Mythos: Der Rücken verschleisst sich mit der Zeit, deshalb hat man im Alter öfters Rückenschmerzen…

    Genauso wie Gewichtheben die Muskulatur kräftigt, wird der Rücken durch tägliche Bewegung und Belastung gestärkt. Aktivitäten wie Laufen, Drehen, Biegen und Heben sind unbedenklich, wenn man diese Bewegungen allmählich steigert und regelmässig durchführt. Das Alter hat nichts mit den Rückenschmerzen zu tun. Das zeigt auch der Rückenreport 2020 der Rheumaliga Schweiz. Dort gaben mehr 16- bis 29-Jährige an, mehrmals pro Woche unter Schmerzen und Verspannungen zu leiden (21 Prozent), als die über 65-Jährigen (17 Prozent).

    Wie essen und leben die Leute, die 100 Jahre alt werden?

    In den „Blue Zones“ der Welt, Gegenden also, in denen besonders viele Hundertjährige leben, hat man vor allem einen gemächlichen, gemeinschaftlichen Lebensstil. Man macht Siesta. Die Menschen sind gut vernetzt – in der Familie, mit Freunden. …und sie wissen, dass die meisten um sie herum sehr alt werden!
    Nie würde man alleine speisen.
    Sie pflanzen viel im eigenen Garten an, essen frisch und kochen selbst. Fertiggerichte kennen sie nicht. Sie essen gut, abwechslungsreich, aber nie zu viel. Sie geniessen das Essen und trinken eher ein als zwei Gläschen Wein pro Tag, dafür gerne mal auch einen Schnaps. Sie essen selten Fleisch und sehr wenig Zucker oder Desserts. Süsses nehmen die Menschen in Form von vielen Früchten oder Honig ein.

    Aus vielen Studien wissen wir zudem, dass eine kalorienreduzierte Ernährung das Leben verlängert. Dazu gehört auch, ab und zu Hunger zu verspüren.

    Die grosse und sehr sorgfältig durchgeführte PURE-Studie zeigt, dass vor allem 6 Lebensmittel unser Leben verlängern: Ein hoher Anteil an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Milchprodukte und Fisch.

    Die japanische Präfektur Okinawa, jene knapp 150 Inseln im Ostchinesischen Meer, die klimatisch wohl am besten irgendwo zwischen Key West und Hawaii zu verorten sind: warm, tropisch, weisse Strände gilt als eines dieser „Blue Zones“. Dort werden die Menschen nicht nur älter als überall anders auf der Welt – sie sind dabei auch noch fitter. Fast zwei Drittel der Einwohner von Okinawa funktionieren im Alter von 97 Jahren noch unabhängig. Das bedeutet, dass sie in ihren eigenen vier Wänden leben, selbst kochen und ihr Leben voll auskosten – mit fast 100 Jahren! Nicht nur eine „mediterrane Ernährung“ ist dabei wichtig, sondern auch „Ikigai und Moai“:
    „Ikigai“, lose übersetzt, bedeutet „Sinn im Leben“. In Okinawa wächst das Ikigai eines Menschen oft mit zunehmendem Alter. Es ist ihr Grund zu leben, das Ding, das sie morgens aus dem Bett treibt.
    „Moai“ ist eine Gruppe von Menschen, die gemeinsame Interessen haben und sich umeinander kümmern. Dein Moai ist dein „Stamm“ und ein weiterer Grund, warum Okinawaner glauben, dass sie so lange leben.

    „Kurzfasten“ und Mass Halten: die „Länger-Leben-Diät“

    Es ist bei allen Organismen, bei denen man nachgeforscht hat, vom Hefepilz bis zum Rhesusaffen, belegt, dass eine kalorienreduzierte Ernährung das Altern bremst. Auch Menschen, die stets wenig – aber nicht zu wenig – essen oder regelmässig fasten, scheinen länger jung zu bleiben und ihr Risiko für Alterskrankheiten zu verringern.
    Für unseren Organismus ist die anhaltende Nahrungsknappheit ein Hinweis auf kritische Lebensbedingungen. Die Zellen wechseln in eine Art Lebensverlängerungsprogramm. Sie investieren mehr Energie in die Produktion von Substanzen, die sie jung halten, die epigenetischen Programme stabilisieren und vor Schäden schützen. Gleichzeitig teilen sie sich langsamer. Das Grundprinzip dahinter macht evolutionsbiologisch Sinn: In schlechten Zeiten sollte man nicht noch mehr Nachkommen erzeugen, sondern lieber länger leben und auf bessere Zeiten für die nächste Generation warten. Iss seltener!
    Auf Mahlzeiten zu verzichten, aktiviert uralte genetische Programme in uns, die uns viele Jahre an gesunder Lebenszeit schenken.

    Deshalb verzichtet man am besten auf einzelne Essen, macht „Kurzfasten“, z.B. als „Dinner Cancelling“. Weiterlesen >>>
    Neuere Forschung zeigt auch, dass dabei nicht die Kalorienreduktion wichtig ist, sondern das „intermittierende Fasten“, d.h. zum Beispiel nur noch zweimal pro Tag essen, also tägliche Fastenperioden einzubauen.

    Auf kühle Umgebung zu achten, ist ein weiteres einfaches (und ökologisch sinnvolles) Mittel, weil es Hinweise gibt, diese könnte ähnlich wirken wie eine Nahrungsknappheit.

    Was verkürzt dann eigentlich wirklich unsere Lebenserwartung?

    Die Statistik stammt aus den USA und gibt die Verkürzung der Lebenserwartung an. Sie zeigt damit auch auf, wie relativ gewisse Risiken sind, die in der Presse häufig selbst auf Frontseiten falsch hochstilisiert werden.
    Es gibt zwei Arten von Zahlen: Jene für Alkoholismus, Rauchen und Ähnliches beziehen sich nur auf die direkt Betroffenen und sind mit einem Stern (*) gekennzeichnet. Die anderen Zahlen (zum Beispiel Selbstmord, Ersticken, Blitze) bezeichnen die mittlere Verkürzung der Lebenserwartung für einen amerikanischen Durchschnittsbürger. Lesebeispiele: Wer einen Kleinwagen fährt, hat eine 70 Tage tiefere Lebenserwartung. Wer so viel Velo fährt wie ein durchschnittlicher Amerikaner, senkt seine Lebenserwartung um sechs Tage. Blitze verringern die Lebenserwartung eines Durchschnitts-Amerikaners um 0,7 Tage. Die Zahlen dürfen nicht kumuliert werden.

    (Quelle: Bernhard Cohen/American Council on Science and Health/Health Physics Journal 1991)

    Nochmals und wenig überraschend: Wer auf seine Gesundheit achtet, beeinflusst massgeblich, wie lange und gut er lebt. Man sollte gesund und abwechslungsreich essen, ausreichend schlafen, nicht rauchen, schlank bleiben, keine Drogen nehmen und Alkohol in Massen geniessen. Regelmässige Bewegung und medizinische Vorsorge sind ebenfalls wichtig. Diese Massnahmen können das Leben um zehn Jahre oder mehr verlängern. 

    Zweitens, und das überrascht mich auch nicht so: Die gesündesten und glücklichsten Menschen pflegen gute, warme soziale Kontakte. Sie gestalten ihre Beziehungen so, dass sie ihrem Wohlbefinden dienen. Wer früh stirbt oder gesundheitlich abbaut, ist oft einsam und hat nicht die gewünschten Verbindungen.

    Alterung messen 

    Epigenetische Messungen erlauben es, das biologische Alter und die allgemeine Gesundheit eines Menschen gut einzuschätzen, sagt Schneider. Der Grim-Age-Test, den US-Wissenschaftlerinnen entwickelt haben, analysiert Stressproteine und die Folgen des Tabakrauchs. Er kann recht genau vorhersagen, wie lange jemand noch lebt und gesund bleibt. Der Pheno-Age-Test zeigt Entzündungsprozesse im Körper und dessen Fähigkeit, auf DNA-Schäden durch Sonnenstrahlen zu reagieren. Der Dunedin-Pace-Test entstand aus einer grossen neuseeländischen Studie, die über 20 Jahre Blutproben auf Methylierungen untersuchte. Er liefert einen Massstab für das durchschnittliche epigenetische Altern. 

    „Diese Indikatoren bestimmen das biologische Alter sehr zuverlässig“, sagt Björn Schumacher, Leiter des Instituts für Genomstabilität in Alterung und Erkrankung an der Universität Köln. „In den letzten Jahren hat sich viel getan. “ Alle drei Tests zeigen laut Schumacher und Schneider verlässlich, wie stark das biologische Alter vom chronologischen abweicht. 

    Mit der Zeit sammeln sich im Erbmolekül der Zellen nicht nur genetische Mutationen, sondern auch chemische Modifikationen, oft durch angeheftete Methylreste. Diese nennt man epigenetische Veränderungen. „Ihre Anhäufung gehört zum Altern und erhöht das Risiko für Krankheit und Tod“, sagt Alexandra Schneider vom Helmholtz-Zentrum München. Sie veröffentlichte die erste Studie zum Zusammenhang von Hitze und epigenetischem Altern. 

    Hitzewellen und Alterung

    Diese Abweichung ist nicht nur gross bei Rauchern oder Menschen, die an viel befahrenen Straßen wohnen, sondern auch bei Hitze. In einer US-Studie erhöhten längere Hitzeperioden das biologische Alter laut Pheno-Age-Test um 2,5 Jahre, nach dem Grim-Age-Test um 1,1 Jahre. Der Dunedin-Pace-Test zeigte, dass Hitze das Ticken der epigenetischen Uhr um 5 Prozent beschleunigte. Bei einer Lebensspanne von 100 Jahren bedeutet das einen Verlust von fünf Jahren. Auch kürzere und mittellange Hitzeperioden beschleunigten laut Pheno-Age-Test das Altern. Soviel zur Klimakrise und unserem Altern.

    Grim-Age-Test: https://www.aging-us.com/article/101684/text

    Pheno-Age: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5940111/

    Dunedin-Pace: https://elifesciences.org/articles/73420

    Ein paar Mythen zur „Langlebigkeit“

    • Mythos 1: Das heilsame Lachen
      Frohe Stimmung und Bekundung guter Gesundheit gehen oft Hand in Hand. Die Gefühlslage erweist sich als gewichtiger für die Einschätzung der eigenen Gesundheit als Hunger, Obdachlosigkeit und Sicherheit vor Kriminalität. Doch auch hier wird die gefühlte Gesundheit erfasst. Und dies heisst nicht, dass sie auch objektiv wirklich gesund sind! Also sorgt häufig eine robuste Gesundheit für eine gute Stimmung! Es ist sogar so, dass Frohnaturen Menschen sind, die sich wenig Gedanken über mögliche Missgeschicke machen. Dies wird vielen zum Verhängnis und sie rauchen eher, trinken mehr Alkohol und pflegen mit Vorliebe riskante Hobbies. Folgerichtig starben viele von ihnen bei Unfällen oder frühzeitig an den Suchtfolgen. No risk – no fun also!
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    • Mythos 2: Die kranken Neurotiker
      Umgekehrt kann es durchaus Vorteile haben, zu jenen Menschen zu gehören, die immer etwas befürchten oder beklagen (im Fachjargon “Neurotizismus” genannt). Er fühlt sich zwar unglücklicher und kränker, aber er lebt länger! Objektiv sind sie tatsächlich “gesünder” – doch will ich “objektiv gesünder”, aber unglücklich sein – oder lieber glücklich, aber etwas kurzlebiger??!. (Howard Friedmann, M.Kern: Personality, well-being and health. The Annual Review of Psychology, 65, 2014, 719-742)
    • Mythos 3: Religion verlängert das Leben
      Positives Denken verlängert das Leben also eher nicht. Aber viele Studien suggerieren, dass Gottgläubige gesünder sind. Wenn man dies aber näher betrachtet, findet man dabei als wichtigste Faktoren, dass dies Menschen auch disziplinierter und massvoller lebten – und dass dies die Gründe für mehr Gesundheit waren.
      Die einzige “Religion”, die gesünder macht, ist sicher der “Humanismus” und wohl auch die „buddhistischen Ideen“ >>> Weiterlesen >>>
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    • Mythos 4: Die Ehe hält jung
      Bei Männer stimmt dies zwar – wohl aber, weil ihre Frau mehr soziale Kontakte schafft, ihn auch mal ermahnt, weniger zu rauchen oder zu trinken und mal zum Arzt zu gehen… Frauen dagegen gewinnen durch das Ehedasein nichts! Es gilt sogar: Je jünger die Ehefrau, umso länger lebt der Mann. Umgekehrt stimmt dies aber auch nicht! (Sven Drefahl: How does the age gap between partners affect their survival? Demography, 47/2, 2010, 313-326)
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    • Mythos 5: Bloss keinen Stress!
      Stress an sich schadet nicht! Aber sehr ungesund ist, wenn jemand seiner Arbeit nicht gewachsen ist oder überhaupt zuviel von ihm verlangt wird. Übrigens, die erfolgreichen Arbeitstiere leben nicht zuletzt deshalb gut und lange, da sie besonders gewissenhaft sind. Also auch hier ist wieder die Disziplin und Selbstkontrolle der wichtigste Faktor zur Gesundheit.
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    • Mythos 6: Selbstkontrolle ist alles!
      Willenskraft? Selbstkontrolle? Nein: Gewohnheiten ändern!

      Wir überschätzen uns und unsere Willenskraft und unsere Selbstkontrolle. Wir glauben, wenn wir uns nur am Riemen reissen, könnten wir jederzeit unser Verhalten steuern und unsere Ziele erreichen. Das stimmt aber leider nicht.
      Gesund ist wohl, wenn man „Selbstkontrolle“ definieren würde, als „Empathie mit sich selbst“

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    • Mythos 7: Geld bringt Gesundheit und ein langes Leben!
      In seiner Studie «Wellbeing and Policy» untersucht der britische Ökonom Richard Layard, wie stark das Glücksempfinden vom Gehalt abhängt. Das überraschende Ergebnis: Die Korrelation ist viel geringer als angenommen. Geistliche, die 2013 kaum mehr als 25 000 € verdienten, sind zufriedener als Chefs und hohe Kader, die es durchschnittlich auf fast 130 000 € brachten. Besonders zufrieden sind auch Bauern und Sekretärinnen. Beide verdienen etwa gleich viel wie Bauarbeiter, die aber besonders unglücklich sind. Als wegweisend für die Entwicklung des Forschungszweigs gilt eine Erkenntnis des amerikanischen Ökonomen Richard Easterlin aus dem Jahr 1974: Reiche sind innerhalb eines Landes zwar glücklicher als Arme, aber wenn der Wohlstand eines Landes insgesamt steigt, ändert dies nichts am Glücksempfinden. Layard erklärt das «Easterlin-Paradox» damit, dass sich Menschen intensiver mit ihrem Umfeld vergleichen, also das relative Gehalt in den Mittelpunkt rücken, statt ihr absolutes Gehaltsniveau wertzuschätzen.

    Die Glücksforschung, eine wachsende Teildisziplin der Ökonomie, kombiniert Empirie mit neurowissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie bringt Ergebnisse hervor, über die sich selbst der Dalai Lama freuen würde. Einkommen und Aufstiegschancen spielen bei der zentralen Frage, ob Menschen mit ihrem Leben zufrieden sind, eine viel geringere Rolle als jahrzehntelang angenommen. Körperliche und seelische Krankheiten sind in entwickelten Volkswirtschaften ein triftigerer Grund, unglücklich zu sein, als Armut.

    Milliardengeschäft mit Nahrungsergänzungsmitteln und Hormonen

    Anti-Aging ist eine Multimilliarden-Dollar-Industrie. Die US-amerikanische Öffentlichkeit wird, wie es Experten ausdrücken, „bombardiert“ mit Reklame für Produkte, die jugendliche Erscheinung und langes Leben garantieren sollen. Zu diesen Produkten, für die auch hierzulande immer stärker Nachfrage geweckt wird, gehören u.a. Antioxidanzien oder Wachstumshormone. Es gibt aber bis heute keine Belege dafür, dass irgendeine Substanz bei Menschen oder auch nur bei Versuchstieren wie Mäusen oder Ratten Alterungsprozesse verzögern kann. Die Mehrzahl der Anti-Aging-Produkte ist nicht einmal hinreichend auf Sicherheit geprüft. Die Experten bescheinigen der Anti-Aging-Bewegung Quacksalberei und Scharlatanerie. Am Beispiel von Wachstumshormon verdeutlichen sie, dass das Konzept der Lebensverlängerung durch Hormon-„Substitution“ hin zu Serumspiegeln wie bei jungen Erwachsenen in die Irre führen kann. Im Tierversuch leben gerade diejenigen Mäuse länger, die wenig Wachstumshormon produzieren oder eine gestörte Reaktion auf Wachstumshormon haben, während die lebenslange Überproduktion des Hormons das Leben der Tiere verkürzt (BUTLER, R.N. et al.: „Is There An ‚Anti-aging‘ Medicine?“, www.ilcusa.org/_lib/pdf/pr20011101.pdf). Sicherheitsbedenken gelten meines Erachtens besonders für Zubereitungen, die in den USA als Nahrungsergänzungen gehandelt werden und daher nicht der Qualitätskontrolle durch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde unterliegen, beispielsweise DHEA oder neuerdings angebliche Wachstumshormon-Releasinghormon-Produkte wie SYMBIOTROPIN. Hierzulande sind solche Produkte als „Nahrungsergänzung“ nicht verkehrsfähig.

    Einen gewissen Wert (und ohne grösseren Nebenwirkungen) kann eventuell nach neueren Studien das Resveratrol und das NMN haben (siehe mein Blog über „Better-Aging“). Doch auch hier Vorsicht vor PAINS!

    Hautalterung

    Das, was in einer Hautsalbe gegen die Hautalterung wirklich wirkt, ist der tägliche Sonnenschutz (Faktor 15 und mehr)! Alles andere sind falsche Versprechungen!

    Hormone?

    Menopause der Frau >>> menopause/
    Andropause des Mannes >>> testosteron/

    Philosophie Magazin 02/2024

    Vergebliche Mühe
    Ein Mensch, der willens, lang zu leben,
    beschließt dem Tod zu widerstreben
    und a) durch strenges Selbstbelauern
    die Krisenzeit zu überdauern
    und b) zu hindern die Vermorschung
    durch wissenschaftlich ernste Forschung.
    Zu letzterm Zwecke wird bezogen
    Ein Horoskop beim Astrologen
    Um nicht bezüglich der Planeten
    in eine falsche Bahn zu treten.
    Ist so gebannt Saturnens Kraft,
    hilft weiterhin die Turnerschaft
    die Rümpfe rollend, Kniee beugend
    ganz zweifellos wirkt kräftezeugend.
    Die Rohkost birgt das Vitamin;
    Wein und Tabak – er gibt sie hin.
    Auch gilt’s den Vorrat an Hormonen
    in reifem Alter streng zu schonen.
    So braut er sich den Lebenssaft
    aus ausgekochter Wissenschaft.
    Ein Mensch, wie dieser, muss auf Erden
    unfehlbar hundertjährig werden.
    Das Schicksal aber, das nicht muss
    macht unversehens mit ihm Schluss.
    [Eugen Roth]

    und noch Roberto Benigni zum Thema:
    „Sterben? Tu ich nicht! Es ist wirklich das Letzte was ich in diesem Leben tun werde!“

    Literatur:
    – Nachhaltige (für Frauen?): Shane Watson: «Brauchen Sie schon Botox oder haben Sie noch Sex?» Wilhelm Goldmann Verlag
    – Margaret Heckel: «Die Midlife-Boomer: Warum es nie spannender war, älter zu werden»,  Edition Körber-Stiftung, 2012 (www.dr-walser.ch/midlife-boomer/)
    – „Die fünf Geheimnisse, die Sie entdecken sollten, bevor Sie sterben.“ von John Izzo
    – George E. Vaillant: Aging Well: Surprising Guideposts to a Happier Life from the Landmark Study of Adult Development
    Robert Waldinger, Marc Schulz: The Good Life … und wie es gelingen kann . 2023. Die beiden leiten die Harvard Study of Adult Development. Die Studie begann bereits 1938 und wird bis heute fortgesetzt. Seit 85 Jahren folgen Forscherinnen und Forscher denselben Menschen und stellen ihnen immer wieder Fragen über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in ihrem Leben. Es handelt sich daher um eine seltene prospektive Längsschnittstudie. Heute umfasst die Studie drei Generationen und mehr als 1300 Kinder der ursprünglichen 724 Mitwirkenden. 
    – Erik H. Erikson: Der vollständige Lebenszyklus (suhrkamp)
    – L. Carstensen: A long bright future. Happiness, health and financial security in an age of increased longevity. Public Affairs, New York 2009

    siehe auch: die Berliner Altersstudie: www.base-berlin.mpg.de/de/Introduction.html

    Film:
    Fünf Senioren wagen den Schritt ins Ungewisse. Während 18 Monaten nehmen sie an einem Training teil, das auf Achtsamkeit und Altruismus basiert und für eine Studie gemessen wird. Das Ziel ist, die Auswirkungen von Meditation aufs Altern zu evaluieren. Der Film erzählt ihre persönliche Reise und spiegelt diese mit der wissenschaftlichen Objektivität und den Herausforderungen eines guten Alterns in unserer Gesellschaft. Immer länger leben – ja, aber wie?
    Über das Abenteuer dieser Senioren hinaus, zeigt der Film Meditation als eine Möglichkeit, sich mit sich selbst und seiner Umgebung zu verbinden. Er erhellt die Gegebenheiten dieses Weges mit Stolpersteinen, Momenten des Zweifelns, der Dankbarkeit, der Freude und manchmal der Befreiung.
    (GOLDEN SENIORS von François Kohler)

    Mehr auf meiner Website:
    – Zur Grundhaltung mit Annehmen der Lust und des Körpers als Tempel der Seele – Im Gegensatz zur etwas rigid-streng-moralischen Grundhaltung in der westlichen Medizin: www.dr-walser.ch/genuss/
    – Zur Hingabe an den Moment (im Hier und Jetzt sein) oder raus aus dem Hamsterrad und rein in die Entspannung: www.dr-walser.ch/entspannung/
    – Zur Achtsamkeit im Alltag (in der alltäglichen Bewegung und Haltung): www.dr-walser.ch/rolfing/
    – Zum Wunsch, den Anderen so zu lieben wie er ist (bedingungslose Liebe): www.dr-walser.ch/sex/
    – und im Prinzip des Tantras:  walserblog.ch/2016/12/14/tantra/
    – und dass die Drogen eher etwas für Ältere als für Jugendliche sein sollten:  Paul Parin über die „Weisen Pharmagreise„! und auch Michael Pollan über den guten LSD-Trip!
    – und über die „Blue Zones“, Gegenden der Welt also, in denen die Menschen häufiger 100jährig werden.

    Veröffentlicht am 24. Juni 2017 durch Dr.med. Thomas Walser
    Letzte Aktualisierung:
    05. Mai 2025