Burnout

Psychisch-Physischer Erschöpfungszustand

Ich habe in meiner Hausarztpraxis den Begriff “Burnout” wenig in den Mund genommen, da er meist für die betroffenen Menschen implizierte, dass sie alleine durch die Arbeit “ausgebrannt” sind und selbst wenig dagegen tun können. Natürlich existieren klar Burnout-fördernde Arbeitsstellen und ist das Burnout eine Folge von chronischer Arbeitsbelastung, resp. eines chronischen Stresszustands – jedoch sind die eigenen Voraussetzungen, Ressourcen und Reaktionen darauf genau so wichtig. Es existieren also auch klare Eigenschaften, die wir mitbringen, die dann zu diesem “Psychisch-Physischen Erschöpfungszustand” führen – und so habe ich dann das “Burnout” sinnvollerweise bezeichnet.
Die Erschöpfung ist das zentrale Symptom.

Menschen brennen nicht aus, weil eine Tätigkeit zu anstrengend oder eine Verantwortung zu gross ist. Sie brennen aus, wenn sie keinen persönlichen Einfluss auf ihr Tun nehmen können, ohnmächtig sind. Mit Achtsamkeitsübungen und Entspannungsstrategien ist da oft nicht geholfen.
Statt die eigene Erschöpfung zu individualisieren, ist es für die Betroffenen hilfreicher, das “Empörungspotential ihres Burnouts” (Ursula Nuber, Psychologie Heute, 01/2016) zu erkennen. Schliesslich wehrt sich unser Organismus gegen Überreglementierung, Ausbeutung und Allverfügbarkeit. Burnout ist daher eine Kompetenz. Wer ausbrennt, sollte sich das nicht als Schwäche oder Versagen auslegen, sollte nicht schamvoll den Kopf senken und schuldbewusst daran arbeiten, seine Akkus wieder aufzuladen. Schliesslich kann er stolz sein auf sein Engagement – “müdstolz“, wie es Peter Handke einmal nannte. Ein Müdstolzer weiss um seine Leistung und hat daher kein Problem damit, sich und anderen einzugestehen: “Ich kann unmöglich allem gerecht werden!”.

Die Arbeitswelt macht krank…

Es wäre entlastend, wenn man sagen könnte: Logisch bin ich gerade in einer Krise, denn die Welt ist es auch. Ich glaube, es wäre allgemein besser, wenn es bei psychischen Problemen nicht immer nur den Impuls gäbe, «nach innen zu schauen» und das Individuum in die Pflicht zu nehmen. Im letzten Jahrhundert (zu Beginn und vor allem in den Dreissigjahren) war es “in” – und man konnte es ruhig zeigen, dass man häufig einen “Nervenzusammenbruch” hatte. Die Welt war zu stressig für das Individuum und mit diesem Zusammenbruch schuf man sich, durch die Gesellschaft allgemein legitimiert, eine Auszeit, in der man wieder zu Kräften kam.
Wie wohltuend wäre auch heute wieder ein solches Narrativ. Eines, das psychische Probleme im Kontext der Zeit sieht und unterstreicht, wie schwierig es manchmal ist, nicht durchzudrehen. Eines, das Burnouts nicht nur kuriert, sondern auch fragt: Warum macht die Arbeitswelt krank? Eines, das Ängste nicht nur behandelt, sondern auch wissen will:
Wie machen wir dieses Welt weniger schrecklich?

Die Sinnlosigkeit der Arbeit

Der Ausdruck Burnout verschleiert, dass die Erschöpfung kein quantitatives Problem ist, sondern auch mit der Sinnlosigkeit der Arbeit zu tun haben könnte, damit, nicht selbst über die Ziele der Arbeit bestimmen zu können, damit, gegen die eigenen Interessen oder moralischen Über­zeugungen handeln zu müssen, oder mit dem Gefühl, nichts bewirken zu können. Er verschleiert auch, dass die Erschöpfung, die inzwischen ja selbst (oder gerade?) in Aktivistinnen­kreisen ein zunehmendes Problem darstellen soll, weniger eine Folge der Arbeits­menge als eine Folge der nagenden Furcht ist, letztlich könnte alles für die Füchse gewesen sein.

Was tun? Vielleicht könnten wir damit anfangen, wenigstens den Begriff Burnout fallen zu lassen. Denn wer sich selbst ein Burnout diagnostiziert, versteht sich, ohne es zu merken, als Dampf­maschine. Er spielt dabei den Mächtigen in die Hände, für die es weniger ermüdend ist, über Quantitäten zu streiten als über Inhalte, über Arbeits­mengen als über politische und soziale Konflikte.
(der erschöpfte Daniel Strassberg in der Republik, 14.06.22)

Arbeit kann Dein Hirn vergiften!

Es hat sich in einer seriösen Studie gezeigt, dass sich im Laufe eines anstrengenden Bürotages etliche toxisch wirkende Abfallstoffe im Gehirn ansammeln, die dazu führen, dass am Ende des Tages das allseits bekannte Erschöpfungsgefühl einsetzt. Auch Entscheidungen, die am Ende des Arbeitstages getroffen werden, sind generell als schlechter zu bewerten als Entscheidungen, die in der ersten Tageshälfte getroffen werden. Hinzu kommt die immense Bedeutung der Ernährung im Laufe des Tages. So werden mit einem Gefühl der Sättigung bessere kognitive Entscheidungen getroffen, während ein Hungergefühl eher der Feinmotorik dient. Konterkariert wird die Qualität der Entscheidung aber wiederum durch die vorherige Arbeitsdauer. Am Ende des Arbeitstages werden eher Entscheidungen bevorzugt, die einen geringeren Aufwand nach sich zu ziehen scheinen.
Die StudienautorInnen empfehlen mehr Pausen während eines Arbeitstages und eine Umstrukturierung der Aufgaben im Laufe dieser Arbeitstage, um den Einfluss der externen Faktoren positiver für sich zu nutzen.
(Studie: Wiehler A, Branzoli F, Adanyeguh I, Mochel F, Pessiglione M. A neuro-metabolic account of why daylong cognitive work alters the control of economic decisions. Curr Biol. 2022 Aug 22;32(16):3564-3575.e5. doi: 10.1016/j.cub.2022.07.010. Epub 2022 Aug 11. PMID: 35961314. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35961314/)

Totalerschöpfung

Burnout umfasst eine tiefe Identitätskrise, die oftmals ihren Ursprung in zu hohen Erwartungen an eine Situation hatte. Die letztendliche Totalerschöpfung ist das sozial akzeptierte Zeichen nach aussen, dass etwas nicht stimmt. Burnout ist allerdings mehr als Erschöpfung, die auch entstehen kann wenn man wegen Termindruck drei Wochen durcharbeitet oder fünf Freunden am Stück beim Umzug hilft. Burnout entsteht früher und geht tiefer. Wer selbst noch in der Lage ist, die Reissleine zu ziehen und aktiv Dinge zu tun, die einem gut tun, ist zum Glück noch ein Stück vom Burnout entfernt.

Fabienne Riener hat in ihrem wunderbaren Text (hier) beschrieben, wie Burnout entsteht: Meistens eben nicht von drei Nachtschichten in einer Woche, sondern eher dann, wenn man lange auf ein Ziel hinarbeitet und regelmässig seine Grenzen überschreitet. Ein spannender Text, den alle lesen sollten, die öfter mal länger arbeiten.
Chronischer Stresszustand (Dauer-Dysstress), viele Reize, grosse Anforderungen wirkt auf den Sympathikus, auf unsere katabole Seite des Vegetativen Nervensystem (via Cortisol vor allem) und kann in Verlust von Neuroplastizität des Hirns münden (Atrophie des Hippocampus, Schrumpfung der Hirnzellen)! Dies ist zwar schon reversibel (durch Entspannung, Bewegung,…), aber dennoch alarmierend.

Vita activa vs. Vita contemplativa

Die Vita activa beschreibt eine Lebensform, bei der praktische Arbeit und soziale Betätigung im Vordergrund stehen. Die Vita contemplativa hingegen ist dem Betrachten und der Kontemplation gewidmet. Die Menschen definieren sich heutzutage oft über ihre Vita activa, indem sie viel arbeiten und danach noch für einen Triathlon trainieren.
Die Anerkennung für den Teil unseres Lebens, der der Vita contemplativa zugeordnet wird, fehlt oft, obwohl er genauso wichtig ist.
Es ist auch Teil der Sinnfrage, die sich die Menschen stellen. Sie fragen sich nicht nur, was der Sinn ihrer Arbeit ist, sondern auch, was der Sinn ihres Lebens ist.
Eine Möglichkeit, um mehr Vita contemplativa in den Alltag zu integrieren, ist pro Tag eine halbe Stunde in der Natur zu verbringen, zum Beispiel am See oder im Wald spazieren zu gehen. Der Wald ist zwar eine massive Reizüberflutung, aber er ist auch eine, die erdet. Ganz im Gegensatz zu einem iPad oder iPhone. Die Welt hier drin kann unser Gehirn nicht verstehen und mündet in einer Erschöpfung.

Burnoutsymptome

Das Standard-Messinstrument bei Burnout ist der Maslach Burnout Inventory, der 3 Dimensionen untersucht: Emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierte persönliche Leistungsfähigkeit.

Typische Burnout Symptome sind:

  • Konzentrationsprobleme, permanente Müdigkeit, Mattigkeit, Kraftlosigkeit und Erschöpfung – und dies alles nicht nur an einem besonders schlechten Arbeitstag, sondern oft.
  • Lustlosigkeit, Übellaunigkeit, Gereiztheit
  • Gefühle des Versagens, der Sinnlosigkeit, der Ineffektivität
  • Gefühl von Überforderung und Angst, den Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein
  • mangelndes Interesse am Beruf, Kunden/Patienten oder Aufgabenbereich, Gleichgültigkeit gegenüber Projekten, die man normalerweise spannend finden würde.
    Daraus resultierender Zynismus (bis Depersonalisierung)

Körperliche Symptome können ähnlich wie bei der Depression sehr vielfältig auftreten:

  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Verspannungen
  • Rückenschmerzen
  • unspezifische Schmerzen
  • erhöhtes Schmerzempfinden
  • veränderter Blutdruck
  • Engegefühle in Brustkorb und Hals, Atemnot
  • Libidoverlust
  • Zyklusstörungen bei der Frau
  • Suchtverhalten (zur “Eigentherapie” der psychischen Symptome…)
  • Atypische Gewichtsveränderungen
  • Magen-Darm Beschwerden

Stadien der Entstehung und begleitende Schlafstörungen

  • Stadium 1) STRESS: Einschlafstörungen
  • Stad. 2) BURNOUT: Ein- und Durchschlafstörungen
  • Stad. 3) FOLGEKRANKHEITEN – als Beispiel die Depression: Früherwachen

Burnout und Depression

Es ist umstritten, wo die Definition eines “Burnout” beginnt und wo die einer “Depression” aufhört. Überschneidungen sind gross – Unterscheidung nur partiell möglich. Die Prophylaxe beider Zustände ist ähnlich – die Therapie zum Teil und betrifft beim Burnout häufiger in Arbeitssituations-Verbesserungen (siehe weiter unten).
Als Musterbeispiel soll die weltweite Situation der Landwirte stehen: In einer Umfrage von 2018 soll in Deutschland jeder vierte Bauer Burnout gefährdet sein. Studien zur psychischen Situation von Landwirten zeigen dabei, dass (in Kanada) jeder vierte Landwirt, sein Leben nicht lebenswert findet oder in den vergangenen 12 Monaten an Suizid gedacht hat. Eine amerikanische Pilotstudie fand unter Landwirten heraus, dass 75 Prozent der Landwirte an einer Angststörung leiden, mehr als die Hälfte litt an Depressionen. In Frankreich nahmen sich im Jahr 2017 650 Landwirte das Leben. Die Suizidrate lag damit 50 Prozent höher, verglichen mit dem Rest der Bevölkerung.
Mehr über die Depression hier >>>

Burnout als Ende des Sebstoptimierungszwangs

Hierzu Juli Zeh, die selbst ein Burnout erlebte, in einem Interview mit dem Tagesspiegel vom 5.11.18:
Ab den 60er Jahren hiess es doch: Sei anders! Finde dich selbst!
Die Grundidee war, den Menschen von Zwängen und übergeordneten Mustern zu befreien, in die er hinein gepresst wird. Sei es die Religion, die patriarchale Familie, der hierarchische Arbeitgeber. Erst mal ein schöner Gedanke. Nur, was tun mit dieser individuellen Freiheit? Aha, Selbstverwirklichung. Diesen Raum muss man dann auch füllen. Dass das mit enorm viel Druck verbunden ist, haben viele nicht bedacht.
Die Chance wird zum Imperativ: Du musst deine Freiheit nutzen, du musst gut sein, glücklich sein. Das führt dazu, dass schon Dreijährige im Kindergarten Chinesisch lernen sollen, damit sie mit 24 Jahren einen guten Job bekommen. Die Biografie muss bis ins Letzte durchgeplant sein, nur keinen Fehler machen. Wie soll man sich denn entspannen, wenn man zu dieser Optimierung gezwungen ist, egal worum es geht, Sport, Sex, Liebe, Familie?
Dies führt unweigerlich irgendwann ins Burnout, in die absolute Erschöpfung!

Burnout, auch eine gestörte Fähigkeit zur Empfindung positiver Emotionen?

Die Realität eines Menschen wird durch seinen Fokus bestimmt. Ganz ähnlich ist es mit dem Gefühl, das seine Wahrnehmung beeinflusst. Ganz oft, wenn wir uns leer und ausgebrannt fühlen, vergessen wir, dass sich dadurch, was wir wahrnehmen, verändert und achten nicht mehr auf die übrige Welt um uns herum. So erinnern sich etwa Personen, die sich gestresst oder ausgebrannt fühlen, bei einer Reihe positiver, neutraler und negativer Bilder mit erstaunlicher Detailtreue an das, was auf den negativen Bildern zu sehen ist, wo hingegen sie keine Fakten von den positiven oder neutralen Bildern zu berichten wissen.
Aus evolutionsbiologischer Sicht möge das auch sinnvoll sein. Wenn Sie auf der Flucht vor einem Säbelzahntiger sind, achten Sie vielleicht darauf, wer Sie noch gerne zum Mittagessen hätte oder was Ihnen bei der Flucht im Weg ist, aber Sie werden wohl nicht innehalten und einen schönen Regenbogen bewundern. Für das Überleben unserer Art ist das auch gut so, doch für das individuelle Wohlbefinden und Glück ist das verheerend.
Burnout ist im Grunde die gestörte Fähigkeit zur Empfindung positiver Emotionen – und Interventionen, die bei Burnout erfolgreich sind, haben offenbar alle etwas gemeinsam: Sie alle steigern die Fähigkeit einer Person, positive Emotionen zu erleben: Weiterlesen.

Elternburnout

Manchmal geraten Eltern in eine Erschöpfung, die anders aussieht als das Jobburnout. Die Mütter und Väter entwickeln Fluchtfantasien, träumen davon, die Familie zu verlassen, vernachlässigen ihre Kinder, können keine emotionale Beziehung mehr zu ihnen aufbauen und neigen sogar zu Gewalt. Sie sind erschöpft davon, dass sie Eltern sind.
Zwei Studien erbrachten die Bestätigung, dass Elternburnout anders ist als Jobburnout. Fluchtgedanken etwa seien charakteristisch für Eltern – vielleicht weil sie sich nicht krankmelden und bei Erschöpfung nicht ohne weiteres erholen könnten. Die Wirkung auf die Kinder sei gravierend, schreiben die Autoren. Betroffene berichteten übereinstimmend von ihrem Scheitern, emotionale Bindungen zu den Kindern zu pflegen, und von ihrer Aggressivität.
Ob die Erscheinungsformen Ursache oder Folge des Elternburnouts sind, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Es könne auch sein, dass es eine gemeinsame Ursache für die erhöhte Neigung gebe, bei Stress in Fluchtgedanken zu verfallen und die Kinder aus den Augen zu verlieren, etwa ausgeprägter Neurotizismus. Es gibt Hinweise auf Anfälligkeiten: etwa mangelnde Unterstützung des sozialen Netzwerks, der Wunsch, eine perfekte Mutter oder ein perfekter Vater zu sein, fehlende Unterstützung durch den Partner oder fehlende Fähigkeiten, mit Stress und heftigen Emotionen umzugehen.
(Moïra Mikolajczak u. a.: Parental burnout: What is it, and why does it matter? Clinical Psychological Science, 7/6, 2019. DOI: 10.1177/2167702619858430)

Was hilft prophylaktisch und auch therapeutisch gegen das Burnout?

  • Nein sagen lernen! Sie können nicht immer allen alles recht machen, ob im Beruf oder in Beziehungen! Wer keine Grenzen ziehen kann, wird unzufrieden und hat bald das Gefühl, dass andere mehr über die eigene Energie und Zeit verfügen als man selbst. Lernen Sie ihre eigenen Bedürfnisse kennen und leben Sie danach.
    Die Arbeitsstelle scannen auf Situationen, in denen wir ohnmächtig sind: Überreglementierung, Ausbeutung und Allverfügbarkeit. Burnout ist eine Kompetenz. Wer ausbrennt, sollte sich das nicht als Schwäche oder Versagen auslegen, er kann stolz sein auf sein Engagement – “müdstolz“. Ein Müdstolzer weiss um seine Leistung und hat daher kein Problem damit, sich und anderen einzugestehen: “Ich kann unmöglich allem gerecht werden!”
    Er empört und wehrt sich an der richtigen Stelle.
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  • Seine Resilienz vergrössern. Die “Resilienz” ist unsere Kraft zum “Gedeihen trotz widriger Umstände”.
    Dazu ausführlich hier: /krise/
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  • Dann ist in unserer Zeit des Dauerstress die Entspannung das A und O. Der Rhythmus von Spannung und Entspannung (Kontakt und Rückzug, etc.) sollte auch über die Arbeitswoche weg erhalten bleiben. Das optimale Modell für Dauerstressgeplagte und Leute mit Burnoutgefährdung ist eine 80%-Arbeit mit einem ganztägig freien Mittwoch!
    Ein tägliches Mittagsschläfchen von 30 bis 45 Minuten (nicht länger!) wäre natürlich optimal!
    Weiterlesen: /entspannung/
    Auch im Winter kann man saisongerechter Leben und sich bei kürzerem Tageslicht und grösserer Nachtlänge mehr zurückziehen, zur Ruhe kommen und länger Schlafen: also mehr erholen und entspannen (mehr dazu).
    Allgemein lässt sich sagen, dass ein Stärken des Parasympathikus (anabole Seite, regenerativ) hilft (für bessere Verdauung, gegen Schlafstörung und für optimale Reparation).
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  • In der «Müdigkeits­gesellschaft» gehen alle Mitglieder permanent an die Grenzen ihrer Mobilisierbarkeit, der Burnout wird zur Universal­pathologie, zum permanent drohenden Leistungs­infarkt. Dem setzt Byung-Chul Han in seinem neuen Buch „Vita contemplativa“ ein Ethos des Flanierens, des Schlenderns, des Verweilens entgegen.
    Denn alles, was der menschlichen Existenz nach Han einen wirklichen Sinn gibt – die Liebe, das Fest, die Kunst­erfahrung –, hat sein Geheimnis darin, nicht zweck­gerichtet zu sein, kein Ziel zu haben und Zeit zu beanspruchen für nichts als sich selbst. «Das Leben», schreibt Han, «erhält seinen Glanz erst von der Untätigkeit (…) Das wahre Leben beginnt in dem Moment, in dem die Sorge um das Überleben, die Not des schieren Überlebens aufhört. Der letzte Zweck menschlicher Anstrengungen ist die Untätigkeit.»
    Und das Zeremoniell der Untätigkeit – hier werden Hans Reflexionen unmittelbar politisch – ist auch ein Korrektiv für unser «instrumentales Natur­verständnis», das die Welt nur als Ressource betrachtet und unseren Zwecken unterwirft.
    Etwas überspitzt gesagt: Um die Natur zu schonen, die fossilen Brenn­stoffe im Boden zu lassen, müssen wir zuallererst unser Grund­ethos ändern. Um Ressourcen zu sparen, müssen wir wieder lernen, zu verschwenden: unsere Zeit. Wir müssen die Welt so annehmen, wie sie ist. Bei ihr verweilen. Um sie zu betrachten und zu feiern.
    (aus „Die Ökologie des Verschwendens“ von Daniel Binswanger, die Republik 01/23)

  • Distanz zur Arbeit erhöhen: Keine ständige Erreichbarkeit zu Hause, also keine Arbeitsmails, natürlich auch keine Telefons. Aber auch keine ununterbrochene Erreichbarkeit während der Arbeit! Um konzentriert zu arbeiten, müssen Perioden von 30 bis 40 Minuten völlig störungsfrei sein! Deshalb:
    – Zeitfenster festlegen, wann man erreichbar ist und wann nicht.
    – Antwortfristen festlegen (nicht sofort, sondern dann, wenn es passt).
    – Push-Nachrichten ausschalten.
    – Nein-Sagen, auch mal zum Chef, wenn es sein muss!
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  • Ein Internet, welches mich beherrscht – und nicht umgekehrt, macht krank und brennt aus: Weiterlesen>
  • Aufgaben delegieren: Man muss nicht immer alles selber machen – und auch nicht sofort – und auch nicht perfekt!
    Perfektionismus (höchste Ansprüche an sich selbst, strenge Selbstkritik und die ständige Sorge, Fehler zu begehen) kann krank machen, depressiv und ausgebrannt. Therapeutisch hilft, dem “Inneren Kritiker” mit Mitgefühl zu begegnen. Menschen, die trotz leistungsfordernder Gedanken in schwierigen Momenten achtsam und liebevoll zu sich waren oder eigene Misserfolge eher als Teil der menschlichen Entwicklung sahen, geht es darauf wesentlich besser.

Stellen Sie sich die dazu die Frage: “Wem gehört mein Leben?!” (Robert Betz)

Aber wie sagt man es nun dem Chef?

Es erleben heute deutlich mehr Menschen als noch vor zwanzig Jahren chronische Erschöpfung durch Arbeit. Das ist nicht nur schlecht für persönliche Schicksale, sondern auch für die Produktivität von Unternehmen. Weswegen viel dafür spricht, dass nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Chefs verstehen, was Burnout ist.
Erraten kann er oder sie es nicht, selbst wenn er oder sie schon sensibilisiert ist? Drei gute Argumentationshilfen dazu können Sie hier finden.

Warum Ärztinnen mehr Burnout entwickeln als Ärzte

Der grösste Unterschied zwischen Ärztinnen und Ärzten besteht in der Erwartung, die wir an sie haben. Und das hat Folgen: Ärztinnen sind gefährdeter für Burnouts.
Wir (Patientinnen und Patienten) wünschen uns eine einfühlsame Behandlung nach den aktuellen medizinischen Erkenntnissen. Ärztinnen sind eher in der Lage als ihre männlichen Kollegen, beide Erwartungen gleichermassen zu erfüllen: Sie zeigen mehr Empathie im zwischenmenschlichen Umgang. Das lässt sich zum Beispiel daran erkennen, dass sie mehr Fragen stellen und sich mehr Zeit für Gespräche nehmen. In Ärztin-Patienten-Gesprächen geht es häufiger um Gefühle verglichen mit Arzt-Patienten-Gesprächen. Deshalb bekommen Ärztinnen häufiger das Prädikat “gut” als ihre männlichen Kollegen.
Wenn sich aber ein Arzt als besonders einfühlsam zeigt, wird ihm im Gegensatz dazu eher das Prädikat “sehr gut” verliehen. Allein schon deshalb, weil wir seltener die Erfahrung machen, dass Männer über Gefühle reden, sind wir positiv überrascht und schätzen in der Folge auch die fachlichen Qualitäten des Arztes höher ein. Diese Verknüpfung passiert bei Ärztinnen seltener und weniger stark.
Wie seltsam: Wir wünschen uns einfühlsamere Medizin, bewerten sie aber unterschiedlich, je nachdem, ob wir sie von einer Frau oder einem Mann bekommen. Wir schimpfen auf die kalte, unpersönliche Apparatemedizin und verurteilen gleichzeitig den sanfteren Ansatz als weniger kompetent, womöglich weniger hilfreich – zumindest tendenziell.
Relevant ist dieses Phänomen allein schon deshalb, weil inzwischen die Hälfte der Mediziner weiblich sind und zwei Drittel der Medizinstudenten. Frauen prägen die Medizin der Zukunft. Aber auch wir Patienten. (Quelle: Silke Jäger, piqd, 5.5.18).
Daraus entsteht eine Dynamik, die zur Folge hat, dass Ärztinnen schneller und anders ausbrennen als Ärzte. Der weiterführende Text erklärt sehr anschaulich, wieso: burnout-bei-aerztinnen.pdf
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Millennials brennen speziell aus…

Das Gefühl permanenter psychischer Überlastung drängt vor allem die Generation der zwischen 1981 und 1996 Geborenen (Millennials) sowohl zum Dauerarbeiten, wie auch zum Dauerndwegwollen. Das Lesen dieses fundierten Essay lohnt sich natürlich auch für andere Geburtsjahrgänge:
www.buzzfeednews.com/article/annehelenpetersen/millennials-burnout-generation-debt-work

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Zur Lektüre: Byung-Chul Han: «Vita contemplativa oder von der Untätigkeit». Ullstein, Berlin 2022. 128 Seiten, ca. 37 Franken.

Veröffentlicht durch Dr.med. Thomas Walser am 07. Mai 2018
Letzte Aktualisierung:
06. Dezember 2023