Shin Splint

Shin (englisch) = Schienbein (oder Tibia), Splint (engl.) = Spiess

Probleme an der inneren (medialen) Schienbeinkante, die beim Laufen nach kurzer Zeit einsetzen, sind vielen Läufern und v.a. Triathleten ein Begriff. Es handelt sich um das sog. mediale Schienbeinkantensyndrom. Im amerikanischen Fachschrifttum wird nunmehr auch vom “Medial Tibial Stress Syndrome” (MTSS) gesprochen. Dabei handelt es sich um krampfartige Schmerzen auf der Innenseite des Unterschenkels unweit des Innenknöchels bis hinauf zum Knie. Es sind nicht eigentliche “Knochenschmerzen” sondern in der Sehne, im Sehnenansatz und Muskel des M. Tibialis Posterior lokalisierte Beschwerden, die auf eine Overstress-Problematik hinweisen. Dieser Muskel ist wesentlich für die Aufrechterhaltung des Fussgewölbes verantwortlich: Ermüdung oder sogar Riss kann einen Plattfuss nach sich ziehen. Eine deutliche Überpronation im Rückfussbereich (z.B. bei einem Knickfuss) führt in besonderem Ausmass zu einem MTSS dieses Muskels.
Eine sehr häufige Haltungsproblematik beim MTSS ist auch ein Gehen/Laufen mit Schwerpunkt hinter dem Lot. Man wird von seinem eigenen Körpergewicht nach hinten gezogen und muss dies mit den vorderen Muskeln im ganzen Bein kompensieren.
Es entstehen in kleinen verhärteten Muskelzellen sog. myofasziale Triggerpunkte, die am Ort schmerzen, aber auch ausstrahlende Schmerzen provozieren können (z.B. auch in die Achillessehne oder auch in die Ferse. Der “Fersenschmerz” muss also nicht in der Ferse selbst entstehen und auch nicht immer dort behandelt werden!).

Seltener findet sich der mediale Schienbeinkantenschmerz bei einer übermässigen Supination im Vorfuss, also dann, wenn sich der Läufer über die kleinen Zehen abstösst. In diesem Falle wird der lange Zehenbeugemuskel (der Muskel flexor digitorum longus) überlastet und reizt die Knochenhaut des Schienbeines stark.

Ausschliessen wird der Arzt auch die seltene Stressfraktur der Tibia – und auch ein Kompartmentsyndrom.

Therapie

Ist das mediale Schienbeinkantensyndrom einmal da, sollte auf das Lauftraining in der akuten Entzündungsphase zunächst verzichtet werden. Eine antientzündliche Therapie mit Medikamenten wird in dieser Pause weniger nützlich sein als die Behandlung durch einen erfahrenen Therapeuten (siehe weiter unten zur Triggerpunktbehandlung).
Selber kann eine Eiswürfelmassage des entzündeten Bereichs durchgeführt werden. daneben sollte die tiefe Wadenmuskulatur mehrmals täglich aktiv gedehnt werden (Stretching). Zudem kräftigt regelmässiges Training auf dem Therapiekreisel oder auf Kippelbrettern ihre Unterschenkelmuskulatur und ist ein hervorragendes Koordinationsprogramm. Ergänzen sie diese prophylaktische Massnahmen unbedingt durch regelmässige Barfussläufe.
Bestehen die Beschwerden seit längerer Zeit, ist die Anwendung von feuchter Hitze sehr hilfreich. benutzen Sie beim chronischen MTSS eine heisse Wärmeflasche, die sie in ein feuchtes Handtuch gewickelt auf der Schienbeinkante platzieren.

Besteht eine zu starke Pronation beim Laufen (Bei der Pronation rollt der Fuss stark über die Innenkante ab.) kann zeitlich begrenzt der Fuss getapt werden. Durch die Pflasterzügel wird der Fussinnenrand wirksam unterstützt, die betreffende Sehne und der Muskel werden entlastet mit raschem Rückgang der Symptome (www.tapeverband.com). Der Aufbau der Schuhinnensohle muss einer Analyse unterzogen werden. Handelt es sich um alte, ausgelatschte Laufschuhe? Besteht das Problem des Plattfusses beidseitig? Logischerweise wird immer mit der Ursachenforschung begonnen, dessen Resultat eine gezielte Änderung einer Lauftechnik ebenso sein kann wie auch Korrekturen am Material.

Die manuelle Triggerpunkttherapie sucht die obenbeschriebenen Punkte in der Wadenmuskulatur auf und versucht sie durch Druck, Dehnung und Faszientechnik wieder besser zu durchbluten (mehr Infos lesen Sie hier>>>). Zudem können dabei Techniken gelernt werden, wie diese Triggerpunktareale selbst behandelt werden.

Veröffentlicht am 20. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
19. Mai 2020

Chronisches Beckenschmerzsyndrom

Chronisches Beckenschmerzsyndrom – beim Mann: Chronische Prostatitis

Betroffen sind meist Männer über 50. Es tritt dann als sog. “chronische Prostatitis” auf, ein Sammeltopf für Beschwerden, die aus der Prostata selber oder deren Umgebung, z.B. dem Beckenboden kommt. 90% aller symptomatischen, chronischen “Prostatitisfälle” gehören zu diesem etwas unklaren Umgebungsschmerz.
Man spricht dann von “Chronischem Beckenschmerzsyndrom” (“Chronic Pelvic Pain Syndrome” (CPPS)).
Bei Frauen tritt es sehr ähnlich mit teils starken Schmerzen im Unterbauch und unterem Rücken auf. Es wird dann häufig als rein gynäkologisches Problem angesehen (z.B. Schmerzen aus Eierstock, Gebärmutter oder Scheide). Die Schmerzen sind aber multifaktoriell, d.h. primär wohl aus Muskel-Bindegewebe und ausstrahlend dann auch aus den Beckenorganen.
Die typischen Symptome sind mindestens drei Monate dauernde Schmerzen im Damm (50%), allenfalls Hodensack und Hoden (40%), über Schambeinfuge/Blase (6%), Penis (6%), Lenden, Kreuzbein oder untere Wirbelsäule (2%). Die Schmerzen können beim Mann auch während oder nach der Ejakulation auftreten. Es kann eine Potenzstörung bestehen. Häufig ist alles kombiniert mit Blasenfunktionsstörungen (Häufiges Wasserlösen, Harndrang, schlechter Harnstrahl, initiales Warten, mehrzeitiges Wasserlösen). Bei der Frau auch mit Perioden-  und Beckenschmerzen, die auch die Sexualität beeinträchtigen können.
Therapeutisch gibt man beim Mann in der “Schulmedizin” meist mehrmonatig Antibiotika, eventuell auch nur stossweise, jedoch oft ohne Erfolg, da eben die bakterielle Ursache sehr selten, resp. sehr umstritten ist. Die Leidenswege der Patienten ist meist lang und frustrierend. Die Urologen oder Gynäkologen meist überfordert und tun aus Ohnmacht Dinge, die man hier nie tun sollte (zum Beispiel Operieren!).

Eindrücklich hat eine solche Leidensgeschichte Tim Parks geschildert (Tim Parks: “Die Kunst Stillzusitzen” – Ein Skeptiker auf der Suche nach Gesundheit und Heilung): Stillsitzen lautete die Lösung, und atmen…. Zu dieser “Heilsrichtung” siehe auch hier auf dieser Website: www.dr-walser.ch/entspannung/!

Pelvic Congestion Syndrome PCS der Frau

15 Prozent der Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren klagen über chronische Unterbauchbeschwerden. Das Pelvic Congestion Syndrom ist nach der Endometriose die zweithäufigste Ursache für Unterbauchschmerzen bei Frauen. Es gibt auch einen Overlap zwischen Endometriose und Beckenvenensyndrom, da einige Frauen mit Endometriose erst nach Behandlung der betroffenen Beckenvenen beschwerdefrei werden. Zudem wird die Erkrankung oft nicht oder sehr spät diagnostiziert. Ein neuartiger Screening-Score erleichtert die Diagnosestellung.
In den meisten Fällen kann das Beckenvenensyndrom minimal-invasiv mittels Kathetereingriff im ambulanten Setting behandelt werden. Die Erfolgsquote in der Angiologie des Unispitals Zürich USZ liegt bei über 90%, wobei die meisten Frauen beschwerdefrei werden.
PCS-Score nach Prof. Nils Kucher:
Symptome / Befunde
  • Unterbauchschmerz mehr als drei Monate (3 Punkte)
  • Krampfadern am Scheideneingang (2)
  • Krampfadern an den Beinen (behandelt/unbehandelt) (2)
  • Verstärkung des Schmerzes (z. B. durch aufrechte Körperposition, Geschlechtsverkehr oder Regelblutung) (1)
  • eine oder mehrere Geburten (1)
  • Erkrankungen der Gebärmutter, Eierstöcke, Blase und Darm unwahrscheinlich (1)
1 – 2 Punkte
PCS wenig wahrscheinlich
3 – 5 Punkte
PCS möglich
6 – 10 Punkte
PCS wahrscheinlich
(Dieser Score beruht auf Erfahrungswerten und wurde noch nicht wissenschaftlich validiert.)

Neuroinflammation

Typisch für eine Hypersensibilität oder Übererregbarkeit unseres Nervensystems sind chronische Schmerzzustände, die überall, aber mit Hauptgewicht im Becken/Unterleib auftreten können. Man findet mit der Zeit auch immer eine Entzündung unseres Nervensystems (peripher und im Gehirn), Neuroinflammation genannt. Diese ist meist eine Stresskrankheit (Dauerstress, d.h. chronischer Disstress) – und auch fast immer kombiniert mit Schlafstörungen und Schlafmangel.
Daraus leitet sich auch als Therapie für das Chronische Beckenschmerzsyndrom die mässige, aber regelmässige Bewegung und eine Entzündung senkende Ernährung (mediterrane Ernährung und Kurzfasten/16:8) ab.

Beckenbodenverspannung

Mitbeteiligt ist meist auch eine Beckenboden-Verspannung. Der Beckenboden ist eine etwa Handteller grosse, horizontal gelegene Muskelplatte unter unseren Beckenorganen und enthält schlingenförmig die Ringmuskeln des Afters und des Blasenausgangs. Spannung und Entspannung, Zurückhalten und Loslassen ist demnach für diesen Muskel immens wichtig; Verspannungen also ebenfalls ziemlich häufig. Besonders Männern ist dieser Teil unseres Körpers ziemlich fremd – Frauen hingegen haben spätestens in einer Schwangerschaft viel Kontakt damit. Und bei Männern liegt nun auch die Prostata direkt auf dem Beckenboden und wird durch Spannungen desselben arg gebeutelt.
Warme Sitzbäder entspannen das Becken mit seinem Inhalt. Ebenfalls körperliche Bewegung und Stuhlregulierung (meist liegt ja auch durch Verspannung “hinten” eine Verstopfung, ev. auch Hämorrhoiden vor.) oder Belladonna und Ichthyol enthaltende Zäpfchen (durch Hausarzt verschreiben lassen).

Entspannungsübungen für diesen Bereich sind auch sehr sinnvoll:
Sitzen Sie still einen Moment hin und beobachten Sie Ihren Atem – ohne etwas zu verbessern oder irgendwohin zu gelangen. Sitzen Sie so, dass der Beckenboden passiv zwischen den beiden Schambeinästen wie ein Trommelfell gespannt wird: Setzen Sie die Füsse etwas auseinander auf den Boden, parallel zueinander (d.h. Fussspitzen leicht gegen innen). So fallen die Knie nach innen – und so gehen die Sitzbeine und die Schambeinäste auseinander – das Becken bekommt unten und hinten mehr Platz, der Beckenboden wird passiv gespannt – das Becken ist eine entspannte Schüssel mit flachem Boden. Nehmen Sie das Gesäss nach hinten, so dass Sie vor Ihre Sitzbeinhöcker zum sitzen kommen. Man hat ein leichtes und lockeres Hohlkreuz (ev. kleines Kissen dort hinein), das Gewicht des ganzen Oberkörpers kann in das Becken abgegeben werden. Das Brustbein schwebt hoch und vorne (nicht hochziehen) und die Schultern hängen frei (und sind nicht nach hinten gezogen). Der Kopf sitzt locker und frei oben drauf. Diese Sitzhaltung können Sie so oft einnehmen, wie es geht. Sie sollte für jemand mit chronischen Beckenschmerzen zur Normalhaltung werden.
Spüren Sie nun nochmals, ob Sie den After-Schliessmuskel anspannen. Wenn ja, dann spannen Sie ihn noch ein wenig mehr an (ohne gleichzeitig die Bauchmuskeln zu spannen) und lassen ihn dann nach einer Sekunde wieder völlig los. Dies können Sie gleich als Übung fünfmal wiederholen: Kurz zusammenziehen und gleich wieder entspannt loslassen. Dann gleich anschliessend zusammenziehen und 5 Sekunden angespannt lassen und erst dann wieder loslassen. Und auch dies 5 mal wiederholen. Dies wiederholen Sie mehrmals am Tag, wann Sie gerade daran denken. Beim Wasserlösen unterbrechen Sie ebenfalls mehrmals den Strahl und ziehen die Peniswurzel (die Frau wie ein Tampon in der Vagina) etwas hinein – wieder ohne die Bauchmuskeln gleichzeitig zu spannen. Einen Schritt weiter können Sie gehen, indem Sie den Beckenboden im Bereich der Prostatagegend, resp. gegen den Damm selbst massieren: Streichen Sie etwas Vaseline an ihren Zeigefinger und führen Sie diesen ca. 3- 5 cm in den After ein. Dann massieren Sie kräftig in Richtung des Bauches. Natürlich sollte dies keinen Schmerzen verursachen, sondern im Gegenteil angenehm sein.


(Copyright bei Frau B. Bexte)

Analmassage

Eine Steigerung zur Entdeckung und Belebung dieses Beckeninnenlebens ist die Analmassage. Erforschen Sie selbst mit einem Ihrer Finger und etwas Vaseline oder Gleitgel. Legen Sie sich nackt und entspannt auf Ihre Seite oder auf den Rücken oder den Bauch – wie es Ihnen am leichtesten geht. Massieren Sie zuerst etwas Ihre Pobacken, das Kreuzbein, der untere Rücken und dann lange um den After. Erst wenn Sie bereit sind gleiten Sie langsam in den After hinein und dehnen etwas in allen Richtungen den äusseren und inneren Ringmuskel, den Sie ganz aussen als kräftiges Band rundherum spüren. Erst wenn diese weich sind und etwas nachgelassen haben, gleiten Sie langsam tiefer. Nehmen Sie eine imaginäre Uhr als Orientierung, die auf dem After liegen würde und nehmen wir an, dass bei 6 Uhr das Steissbein (der unterste Teil der Wirbelsäule) liegt und bei 12 Uhr der Damm und die Hinterseite des Hodensacks.
Erforschen Sie gleich mal sanft von Innen bei 6 Uhr das Steissbein. Ist es beweglich? Liegt es in der Mitte oder ist die Spitze gegen eine Seite etwas abgewinkelt?
Dann weiter bei etwa 5 Uhr finden Sie das linke Sitzbein. Befreien Sie die Umgebung etwas. Gegen 7 Uhr liegt das rechte Sitzbein. Ist es hier gleich anzufühlen wie auf der anderen Seite?
Wandern Sie gleich weiter nach 9 Uhr. Dehnen Sie Ihren Beckenbodenmuskel etwas mit runden Bewegungen nach aussen. Über 10 und 11 Uhr kommen Sie dann gegen vorne hinter das Schambein (besser wäre “Scharmbein”!). Wenn Sie dort etwas tiefer rein gleiten, werden die Männer auf einen festeren, prall-elastischen Hügel stossen, der normalerweise etwa die Grösse einer Zwetschge hat: Ihre Prostata! Ist die Oberfläche glatt und nicht schmerzhaft? Oder wie?
Dann wandern Sie langsam über 1  und 2 nach 3 Uhr, auf Ihre linke Seite und dehnen dabei wieder sanft aber kräftig Ihren Beckenbodenmuskel gegen aussen. Dann nach 4 und 5 Uhr (hier stossen Sie wieder auf Ihr linkes Sitzbein) und hinten bei 6 Uhr zum Steissbein.
Von dort wieder sehr langsam Abschied nehmen und den Finger sehr behutsam und langsam raus ziehen.

Wie fühlt sich jetzt Ihr Becken-Innenleben an?! Achten Sie auch beim nächsten Sex auf dieses Gefühl im Becken drin!

Muskuläre Triggerpunkte

Wiederkehrender Becken- und Prostataschmerz kann auch als begleitende Missempfindung aus sog. Triggerpunkten in anderen umliegenden Muskeln entstehen. Dabei wäre v.a. der M. Adduktor magnus abzuklären und zu therapieren (mittels myofaszialer Triggerpunkttherapie).

Ilio-Sacral-Gelenk-Blockade (ISG-Block)

Was Sie auch abklären müssten, falls Sie zusätzliche Rückenschmerzen ums Kreuzbein haben, ob nicht noch ursächlich eine sog. Ilio-Sacral-Gelenk-Block vorliegt, eine Blockade des Kreuzbein-Beckenschaufel-Gelenks rechts oder links, welche ebenfalls zu einer Verspannung des Beckenbodens führen kann. Dies diagnostizieren und gleichzeitig mit Manipulationen therapieren, könnte ein Chiropraktiker oder Arzt mit manueller Ausbildung. Die oben beschriebene Sitzhaltung gibt dem Kreuzbein viel mehr Raum zwischen den Beckenschaufeln und wirkt prophylaktisch enorm gegen ständig rezidivierende ISG-Blockaden.

Veröffentlicht am 12. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
07. Dezember 2023