Rückenschmerzen

Zuallererst

Rückenpatienten mit Depressionen leiden länger unter ihren Schmerzen als Menschen ohne psychische Probleme. Besonders Stress am Arbeitsplatz begünstige hartnäckige Rückenbeschwerden. Die häufigsten Auslöser für Schübe sind Schlafstörungen, Stress, Depressionen, Inaktivität oder ungewohnte Aktivitäten.
(Mehr über Dauerstress und daraus entstehende chronische Entzündungsneigung als mächtige und globale Krankheitsursache beim Menschen!)
Dann auch mangelnde Unterstützung: man/frau muss vieles alleine durchziehen!
(Mehr über die Selbstüberforderung als Ursache von Rückenschmerzen)

Rückenschmerzen allgemein

Laut dem Rückenreport 2020 der Rheumaliga Schweiz hat die Hälfte der Bevölkerung mindestens mehrmals pro Monat Rückenschmerzen. In 90 Prozent der Fälle handelt es sich um «gutartige» Schmerzen, bei denen man nicht genau feststellen kann, welche Muskeln, Knorpel, Wirbel, Gelenke und Bänder am Leiden beteiligt sind. Die unten angeführten Rückenmythen beziehen sich auf diese Schmerzen:

  • Führt das Wuchten des Kühlschranks beim Umzug zwangsläufig zu Rückenschmerzen – und muss man bei Rückenschmerzen unbedingt seine Rumpfmuskeln stärken? Nein! Schwache Rumpfmuskeln sind nur einer von mehreren Faktoren, die zu Rückenschmerzen führen können. Unkontrolliertes Rumpftraining kann sogar Steifheit und somit Rückenschmerzen verursachen.
  • Ein Schmerzschub bedeutet, dass ich mir einen Rückenschaden zugefügt habe? Nein! Auch sehr starke Rückenschmerzen sind sehr selten das Resultat einer ernsten Verletzung oder Erkrankung. Das gilt auch für anhaltende Rückenschmerzen. Der Rücken ist stark. Die häufigsten Auslöser für Schübe sind Schlafstörungen, Stress, Depressionen, Inaktivität oder ungewohnte Aktivitäten. Sie sorgen dafür, dass sich bestehende Symptome stark verschlimmern können. Die Schmerzen sollen deshalb nicht wie eine Verletzung behandelt werden. Was hilft, sind Bewegung und Entspannung.
  • Ist Bettruhe bei Beschwerden im Kreuz wirklich die beste Therapie? Nein! Das Schlimmste für einen Rücken ist es, zu lange im Bett zu liegen. Mit Rückenschmerzen sollte man sich immer und viel bewegen.
  • Und sind Röntgenaufnahmen und bildgebende Verfahren/Scan die Ultima ratio aller Diagnostik? Nein! Patienten sollten nur ein bildgebendes Verfahren durchführen, wenn beispielsweise Hinweise auf eine Fraktur oder einen Tumor bestehen (und auch dies scheint unsicher!). Scans sind kostspielig und fast immer unnötig. Auch bei völlig gesunden, schmerzfreien Menschen zeigen sich häufig Bandscheibenvorfälle, Degenerationen oder Arthritis. Diese Befunde sagen selten etwas darüber aus, woher der Schmerz stammt, und führen nur zu Verunsicherung, die den Schmerz noch verstärken kann.
  • Welche Prophylaxe?

Nur sehr wenige der herkömmlichen Therapieansätze halten wirklich, was sie versprechen. So konnte nachgewiesen werden, dass Bettruhe, Physiotherapie (Krankengymnastik) und Übungstherapie bei akuten Schmerzen wirkungslos bleiben. Dies gilt übrigens auch für Akupunktur. Bei chronischen Verläufen ist eine Intervention mit Antidepressiva und Akupunktur ebenfalls unwirksam (M.W. van Tulder, Schwerpunkt: Rückenschmerz: Die Behandlung von Rückenschmerzen Mythen und Fakten , Der Schmerz 6/2001).

Was also tun?

Also Schmerzen und kein Ende? Als gesichert gilt, dass die Behandlung akuter Rückenschmerzen ein paar Tage lang mit entzündungshemmenden und Entspannung fördernden Medikamenten den Krankheitsverlauf verkürzen und chronische Verläufe verhindern hilft. Trotz aller Beschwerden sollte auf Bewegung nie verzichtet werden – vor allem bei chronischen Schmerzen sollte der Behandlungsschwerpunkt auf aktiven Übungen liegen. Bei anhaltenden Schmerzen ist es üblich, dass die Wirbelsäule und die umgebenden Muskeln sehr empfindlich auf Berührungen und Bewegungen reagieren. Der Rücken wird dabei jedoch nicht beschädigt. Am Anfang sind Schmerzen deshalb normal. Je mehr man in Bewegung ist und trainiert, desto geringer wird der Schmerz.
Auch verhaltenstherapeutische Anwendungen und gemischte Behandlungsprogramme (Chiropraktor/manuelle Eingriffe, wie Rolfing oder Triggerpunkttherapien in Kombination mit Rückenschulung/Haltungs- und Bewegungsverbessernde Massnahmen (wie ich dies z.B. in meine Rolfingsitzungen integriere) erwiesen sich als zielführend.
Schlechte Körperhaltung verursacht Rückenschmerzen?
Rückenschmerzen haben wenig mit falscher Haltung zu tun. Es gibt Haltungen, die gewisse Muskelpartien mehr stressen: klar. Schmerzt der Rücken nach einer gewissen Zeit, bedeutet dies aber meist, dass man zu lange in einer Position ausgeharrt hat. Monotone Stellungen sind also Gift für den Rücken. Er braucht vor allem Bewegung und Entspannung. Es ist deshalb nicht unbedingt schlecht, wie eine Banane im Stuhl zu sitzen – aber nur kurz und immer wieder die Stellung wechselnd…

Richtlinien zur Behandlung (American College of Physicians)

  1. Immer in Bewegung bleiben – keine Bettruhe!
    Entspannt, moderat (Flanieren, Spazieren…) – Eigengewicht einsetzen.
    .
  2. Akute Schmerzen: Muskelentspannende Massagen/Massnahmen.
    Kein Paracetamol, da unwirksam!
    Nur maximal 2 bis 3 Tage lang NSAR (Nicht-Steroidale Anti-Rheumatika, wie Naproxen, Ibuprofen,…) da initiale Entzündung chronischen Verlauf vielleicht zu verhindern hilft!
    Keine Opioide!
    .
  3. Schmerzen von > 12 Wochen:
    Keine Schmerzmittel!
    Multidisziplinäre Rehabilitation (Manipulation, Massagen, Rolfing, Wärme usw.), Akupunktur, Meditation (!) und ev. Psychotherapie zur Stressverminderung!
    (Qaseem A, et. al. Ann Intern Med. 2017.doi: 10.7326/M16-2367)

Green Flags: Zeichen für  Gutartigkeit und kurzen Verlauf von Rückenschmerzen

  • gesunder Mensch mit viel Bewegung

  • durch gute Beziehungen eingebetteter und unterstützter, “runder” Mensch

  • gute Arbeitssituation ohne viel Stress

  • viel Entspannung und wenig Dauerstress im Leben

  • kurzdauernde Schmerzen wechselnder Lokalisation

  • keine Einnahme von Schmerzmittel

Red Flags:
WARNZEICHEN – Hinweise für eine spezifische Ursache, die vom Hausarzt abgeklärt und behoben werden müssen:

  • Alter über 75 Jahren??
    Achtung: Es herrscht hier auch ein Altersmythos, dass der Rücken sich mit der Zeit abnützt und man/frau deshalb im Alter öfters Rückenschmerzen hat… Dies stimmt nachweislich nicht!
    Genauso wie Gewichtheben die Muskulatur kräftigt, wird der Rücken durch tägliche Bewegung und Belastung gestärkt. Aktivitäten wie Laufen, Drehen, Biegen und Heben sind unbedenklich, wenn man diese Bewegungen allmählich steigert und regelmässig durchführt. Das Alter hat nichts mit den Rückenschmerzen zu tun. Das zeigt auch der Rückenreport 2020 der Rheumaliga Schweiz. Dort gaben mehr 16- bis 29-Jährige an, mehrmals pro Woche unter Schmerzen und Verspannungen zu leiden (21 Prozent), als die über 65-Jährigen (17 Prozent).

  • bösartiger Tumor in der Vorgeschichte

  • ungeklärter Gewichtsverlust

  • Unfall vor Schmerzbeginn

  • zunehmender Schmerz

  • keine Besserung mit Bettruhe

  • vorwiegend Nachtschmerz

  • Morgensteifigkeit über 1 Stunde

  • intravenöser Drogenkonsum

  • langdauernde Kortisontherapie in der Vorgeschichte

  • gleichzeitiger Infekt (Urin, Haut), Fieber

  • Blasen- und/oder Mastdarmstörungen

  • neurologische Ausfälle

„Red Flags“ für Suche nach Frakturen:
Relevant für Frakturen sind nur Alter (über 75), längere Einnahme von Steroiden, Trauma (Quetschungen und Schürfungen bei Patienten, die nach einem Trauma in die Notfallstation kommen) (systematic review über 138 Arbeiten zu Red Flags).
„Red Flags“ für Suche nach einem bösartigen Tumor:
Ein Malignom (Krebs) in der Vorgeschichte ist der einzige Parameter, der die Wahrscheinlichkeit eines Malignoms in relevantem Mass erhöht.

In einzelnen Guidelines über Rückenschmerzen wird empfohlen wenn ein „red flag“ positiv ist eine Abklärung mit Bildgebung zu machen. Die Relevanz eines „red flags“ – in Bezug auf die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Fraktur oder eines Malignoms – ist teilweise sehr gering und die Frage, ob diese Empfehlungen wirklich noch sinnvoll sind, ist durchaus berechtigt.

Also: Nach den Ergebnissen dieser Systematic Reviews sind die „red flags“ nicht ganz so relevant wie die Bezeichnung dies eigentlich impliziert. Das Vorhandensein eines „red flags“ erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Fraktur oder eines Malignoms – in der Regel – unwesentlich.

Kreuzschmerzen bei Kindern und Jugendlichen

dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Schon gar nicht, wenn sie ständig vorhanden sind, also auch nachts. Findet man dann noch einen lokale Druck- und Klopfschmerz kann eine gefährliche Bandscheibenentzündung, aber auch ein Tumor dahinter stecken!
Haltungsschwäche ist bei Jugendlichen recht häufig, macht aber lediglich in ca. 10% Kreuzschmerzen. Skolioseträger (s-förmige Deformation der Wirbelsäule) machen gerade mal 15% Schmerzen, Morbus Scheuermann (Wachstumsstörung im Wirbel) und Spondylolysen bzw. -listhesen (angeborene Missbildung eines Lendenwirbels mit Wirbelgleiten) ca. in 45%. Jugendliche mit einer Diszitis (Bandscheibenentzündung) hatten dagegen alle Beschwerden!
Der Arzt muss in diesem Fall immer gleich röntgen, um die Diagnose zu stellen. Falls mit der Therapie frühzeitig begonnen wird, stehen die Chancen gut, dass die Entzündung innerhalb von 4 bis 5 Monaten weitgehend ausheilt.

Chronische Rückenschmerzen vielleicht auch durch Schmerzmittel, die die Entzündung unterdrücken!

Vielleicht hilft eine vorübergehende Entzündung, dass akute Rückenschmerzen chronisch werden. NSAR & Kortison erhöhen also ev. die Chance, dass Rückenschmerzen chronisch werden!

Die Einnahme von Entzündungshemmern (NSAR & Kortison) bei akuten Rückenschmerzen ist nach einer aktuellen (leider aber etwas kleinen & leider nur Mäuse-) Studie in Science Translational Medicine aber möglicherweise nicht so gut. Denn was das akute Leiden kurzfristig erträglicher macht, könnte auf längere Sicht ein Auslöser für chronische Schmerzen sein. Für die Studie wurden 98 Patienten mit akuten Schmerzen in der unteren Lendenwirbelsäule drei Monate lang untersucht. Die Forscher beobachteten vor allem die Genaktivität in speziellen Immunzellen, den neutrophilen Granulozyten. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass diese Granulozyten besonders bei den Patienten aktiv waren, die nach ein paar Tagen schmerzfrei waren. Bei Teilnehmern hingegen, die auch nach drei Monaten noch Beschwerden hatten, waren die Gene in den Immunzellen auffällig still. Offenbar verhindert eine vorübergehende Entzündung, dass akute Rückenschmerzen chronisch werden.
Wenn aber Entzündungen nützlich sind, müssten im Umkehrschluss entzündungshemmende Medikamente wie die NSAR oder Cortisonpräparate chronische Schmerzen begünstigen. Diese These testeten die Forscher und Forscherinnen an Mäusen. Tatsächlich entwickelten die Versuchstiere, denen NSAR gegeben worden war, andauernde Beschwerden. Und wurden die neutrophilen Granulozyten künstlich aus dem Mäuseblut entfernt, verstärkte dies die Symptome.
Nun sind Mäuse als Modellorganismus für den Menschen nur begrenzt tauglich und diese Studie etwas klein geraten. Man muss hier also noch vorsichtig sein mit Interpretationen am Menschen! Dass allerdings auch beim Menschen ein Zusammenhang zwischen längerer NSAR-Einnahme und chronischen Rückenschmerzen besteht, legen andere Daten nahe. Etwa jene der britischen UK Biobank, die diesen Zusammenhang statistisch plausibel macht. Oder jene, dass in Analysen der Daten von stationär behandelten Patienten mit chronischen Rückenschmerzen es praktisch keine gibt, die bisher ohne NSAR behandelt wurden (Jedoch existieren im Moment im Denken eines Arztes auch fast nur die NSAR zur symptomatischen Linderung von akuten Rückenschmerzen!).
Stellt sich die Frage, ob Schmerzpräparate, die nicht entzündungshemmend sind, wie das frei verkäufliche Paracetamol oder die verschreibungspflichtigen Opioide als Ersatz taugen. Die Opioide sind in der Therapie von Rückenschmerzen wegen möglicher Abhängigkeiten nur eingeschränkt zu empfehlen. Paracetamol hilft nachweislich kaum etwas und ist für unsere Leber eher problematisch.
Damit bleiben zwei Auswege bei akuten Rückenproblemen: Physiotherapie oder jede andere Form von Bewegung und muskelentspannende Methoden – und/zusammen mit NSAR, aber nur 2 bis 3 Tage lang!
Und die Zuversicht, dass Rückenschmerzen meist innerhalb kurzer Zeit von selbst verschwinden.

Chronischer Rückenschmerz

Die Frage nach der Entstehung von chronischen Rückenschmerzen hat zu einer unübersehbaren Flut an Teilwissen geführt. Um alle Erkenntnisse klinisch zum Tragen zu bringen, bedarf es einer interdisziplinären Verknüpfungsarbeit, die letztlich nur vom “Generalisten” Hausarzt geleistet werden kann.

Zuerst ein paar Fakten:
Zustand nicht Krankheit: Rücken- und Kreuzprobleme bzw. – schmerzen sind das Resultat des Zusammentreffens verschiedenartiger Probleme: Aufrechte Haltung, Funktion des Beckenrings, Kultur des (stundenlangen) Sitzens, biomechanische und vor allem psychische Belastungen durch das industrielle Leben, die Pflicht, Lasten und Sorgen zu tragen. Die häufigsten Auslöser für Schübe sind Schlafstörungen, Stress, Depressionen, Inaktivität oder ungewohnte Aktivitäten. Alle diese Probleme bestehen also auch unabhängig von der  Entwicklung einer schmerzhaften Erkrankung. Jeder kennt Kreuzschmerzen. Der Übergang zwischen normal und pathologisch ist sehr selten und dann fliessend.

Was haben Schmerzen mit Faszien zu tun?

Tatsächlich stehen die Faszien im Verdacht, chronische Schmerzen zu verursachen. Der Grund: Versteift sich das Bindegewebe, drückt es offenbar auf darin liegende Nerven und löst so mitunter qualvolle Pein aus. Kreuzschmerzen etwa sind vermutlich in vielen Fällen nicht auf abgenutzte Bandscheiben zurückzuführen, sondern auf eine versteifte Lendenfaszie.

Wie “trainiere” ich die Faszien am effektivsten?
Vor allem federnde und schwingende Bewegungen halten Faszien elastisch. Dazu braucht es keine eigentlichen “Übungen” – die Alltagsbewegung und -haltung sollte federnd und schwingend sein. Im Rolfing lernen Sie auch dies. Geduld ist dabei wichtig: Ein Effekt setzt erst nach mehreren Monaten ein.

Bandscheibe als anfällige Struktur?

Das wissenschaftliche und klinische Interesse muss der Bandscheibe und nicht der Diskushernie gelten. Im Mittelpunkt der primären Problematik des Bewegungssegmentes innerhalb der Konstruktion und Funktionsweise der Wirbelsäule steht die frühzeitig, d.h. bereits in der Adoleszenz mit Degenerationsprozessen beginnende Bandscheibe. Die Diskushernie  ist primär lediglich Ausdruck dieser Zustandsverschlechterung und nur selten die Ursache einer direkten Wurzelkompression. Das pathogenetische Denken muss sich stets um das Bewegungssegment und um die Haltung der Wirbelsäule als Ganzes drehen. Darüber hinaus ist auch die Kompression nicht nur im Sinne einer direkten mechanischen Belastung zu verstehen, sondern als ein Zusammentreffen eines relativ engen Raumes für die Nervenwurzel mit einer umgebenden entzündungsbedingten venösen Stauung und einer chemisch verursachten entzündlichen Schwellung der Wurzel selbst.
Nur ca. 3-5% der akuten Rückenschmerzen oder auch Ischiasschmerzen oder Hexenschuss werden durch einen Bandscheibenvorfall verursacht. Da ein Bandscheibenvorfall zu ca. 95% aus Wasser besteht und somit im Laufe der Zeit vom Körper resorbiert und abtransportiert wird, benötigen 95% aller Bandscheibenvorfälle keine Operation. Wenn nach ca. 4 – 6 Wochen keine deutliche Besserung eintritt, sollte eine weiterführende Diagnostik erfolgen, um die eingeleitete (physiotherapeutische) Therapie  eventuell zu ändern. Lähmungserscheinungen in Bein und Fuss oder Sensibilitätsstörungen gelten jedoch als Alarmsignale für einen Vorfall von schwererem Ausmass.  In vielen Fällen bietet hier nur die Operation – Bandscheiben OP – einen langfristigen Ausweg aus der Situation. Es wird aber eindeutig zu viel operiert!

Eine grosse systematische Übersicht und Metaanalyse von insgesamt 24 randomisierten Studien hat 2023 Wirksamkeit und Sicherheit der Chirurgie denjenigen der nicht chirurgischen Optionen gegenübergestellt: Beinschmerzen und Einschränkung waren primäre Endpunkte, unerwünschte Ereignisse, Rückenschmerzen, Lebensqualität und Zufriedenheit mit den gewählten Therapieoptionen sekundäre Outcomes. Die Metaanalyse bestätigt: bei entsprechender Indikation (Klinik und radiologisches Korrelat!) führt der chirurgische Ansatz rascher zu Schmerzfreiheit und funktioneller Verbesserung als nicht chirurgische Massnahmen und Infiltrationen. Die Unterschiede nivellieren sich allerdings über die Zeit, nach einem Jahr bestehen sie nicht mehr. (BMJ. 2023, doi.org/10.1136/bmj-2022-070730.)

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Kreuz- und Beinschmerz

Ein sich meistens verzögert über Stunden bis Tage entwickelnder, von proximal nach distal sich ausbreitender Beinschmerz wird zu häufig auf eine Nervenwurzel zurückgeführt. Tiefe Strukturen, wie Bindegewebe, Muskeln, Knochen und Gelenk-Anteile der Wirbelsäule können auch kettenartig ins Bein ausstrahlen.

Das Röntgenbild (auch CT und MRI) bringt in den meisten Fällen nichts – schlimmer: Es verschlechtert den Zustand!

Es verwirrt nur und lenkt den Patienten auf falsche Zusammenhänge. Die üblichen und häufigen Befunde wie Protrusionen, Diskushernien, degenerative Knochenveränderungen, Bandscheibenverschmälerungen, knöcherne Engpässe sind häufig und weisen keine systematische Beziehungen zu bestimmten Schmerzzuständen auf!
Man/frau sollte gar nicht wissen, dass man je eine Diskushernie hatte!

Viel wichtiger ist die Befragung (Anamnese) und eine sorgfältige klinische Untersuchung!

Individuelle “Risikofaktoren” für die Chronifizierung von Rückenschmerzen

Eine Vielzahl an psychosozialen Faktoren ist bekannt, welche einen Einfluss auf den kurzfristigen Verlauf von Rückenschmerzen haben. Dänische Forscher/innen untersuchten nun den langfristigen Einfluss von Prädiktoren (Vorhersagewert) 22 Jahre nach dem Erstkontakt mit dem Gesundheitssystem. Ergebnis: Nach 22 Jahren hatten noch immer vier von fünf Patient/innen Rückenschmerzen. Die stärksten Prädiktoren für anhaltende Rückenschmerzen waren eine schlechte Arbeitssituation und die regelmässige Einnahme von Schmerzmitteln. (Family Practice 27(6):609-614, December 2010 ©, Early predictors of the long-term outcome of low back pain—results of a 22-year prospective cohort study. F Lønnberg, PA Pedersen and V Siersma.http://fampra.oxfordjournals.org/content/27/6/609.abstract)

Schmerzsymptomatik:

  • frühere Schmerzepisoden (1)
  • Schmerzausstrahlung ins Bein, v.a. unterhalb Knie (1)
  • Zeichen der Nervenwurzelreizung (1)

Andere Symptome:

  • schlechter allgemeiner Trainingszustand (2)
  • allgemein schlechte Gesundheit (2)
  • starker Nikotinkonsum (1) >>> siehe hier weiter unten!

Psychosoziale Faktoren:

  • Zeichen von Angst und Depressivität (2)
  • ungünstige Selbstprognose (2)
  • ungünstiges Coping: Katastrophisieren (1)
  • belastende Lebensprobleme (Familie, Beruf) (1 oder 2)

Arbeitssituation:

  • geringe Schulbildung, unqualifizierte Arbeit (1)
  • Unzufriedenheit mit der Arbeit (1)
  • fehlende Vertrauensperson am Arbeitsplatz (1)
  • unsicherer Arbeitsplatz (1 oder 2)
  • Verlust der Arbeitsstelle (3)
  • hängiges Rentenverfahren (3)
  • Doppelbelastung Beruf/Haushalt (niedrige Löhne) (1)

Medizinisches System:

  • Gefahr der Überbewertung harmloser Befunde durch Verbesserung der Angebote (Röntgen-, MRI-Untersuchungen, Wirbelsäulenchirurgie, Arzt- und Therapeutendichte) (1)
  • Mangel an qualifizierten Therapieangeboten für somatoforme Störungen (1)
  • sprachliche und kulturelle Hindernisse in der Behandlung (1)

Bewältigungsverhalten (Coping)

Hilflosigkeit, katastrophale Erwartungen und Angst vor Schmerzprovokation oder gefährliche Folgen von körperlicher Belastung führen zu einer passiven Erwartungshaltung, die die Chronifizierung begünstigt. Die verzerrte Wahrnehmung soll ähnlich wie in der Behandlung von Depressionen durch eine zuversichtlichere, realistischere Haltung ersetzt werden. Ungenügende Informationen oder negative Erfahrungen geben Anlass zu katastrophalen Befürchtungen, wie die Gefahr einer Lähmung (“im Rollstuhl landen”) oder das Vorliegen eines bedrohlichen Leidens, welches vom Arzt verheimlicht werde. Irrelevante Befunde wie degenerative Veränderungen oder harmlose Diskusprotrusionen werden oft als Erklärung von Kreuz- oder Nackenschmerzen herangezogen und begünstigen unrealistische Einschätzungen und übermässiges Schonverhalten. Die untenstehende Tabelle illustriert, wie ungünstige Gedankenabläufe (Kognitionen) und Verhalten korrigiert werden können (aus Geriatrie Praxis, 2007/1; 6-11):

Beispiel einer kognitiven Strategie
Ungünstige Reaktionen Günstige Reaktionen
Es sind schreckliche Schmerzen. Ich habe wieder diese Schmerzen, es spannt.
Ob ein Nerv eingeklemmt ist? Ich bin wohl verspannt, weil ich diese Reise vor mir habe und noch vieles vorbereiten muss; ich habe Angst, zu spät zu kommen.
Es wird immer schlimmer. Wenn es mir gelingt, mich zu entspannen, wird der Schmerz erträglicher werden.
Ich muss zum Arzt. Ein warmes Bad und ein paar Entspannungsübungen werden helfen.
Ich muss mich schonen. Ich sollte wieder regelmässig schwimmen gehen.

 

Die Übung zur Verkleinerung des “Schmerztores” zum Hirn kann auch sehr wirksam sein: siehe hier auf dieser Website>>>

Diagnostik chronischer Rückenschmerzen

Nochmals: Röntgenbilder (und auch MRT) machen meist krank!

Mehrere Studien belegen, dass es Patienten mit akuten Rückenschmerzen besser ging, wenn der Arzt KEINE Bilder machte. Nach einem Jahr waren die Erkrankten beweglicher und hatten mehr Lebensqualität als Patienten, die man geröntgt hatte. Dasselbe gilt, wenn der Arzt Computertomographie- oder MRI-Bilder machte. Der Grund: Die Bilder zeigen häufig Veränderungen, die gar nicht Ursache der Rückenschmerzen sind. Das führt dann zu unnötigen oder sogar falschen Behandlungen und vielen Ängsten (die wiederum zu Verspannungen führen).

Entzündlicher Rückenschmerz abgrenzen!

Achtung, wenn 4 der 5 folgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Alter bei Beginn < 40 Jahre
  • langsamer Beginn
  • Besserung bei Bewegung
  • keine Besserung in Ruhe
  • nächtliche Schmerzen (mit Besserung durch Aufstehen)
Anamnese Nervenwurzel
-schmerzen (radikulär, Diskushernie)
lokalisierter Muskel-Sehnen
-Knochenhaut
-Schmerz  (auch Facettelsyndrom)
Myofasziales Syndrom (ev. pseudoradikuläre Ausstrahlung) Überlastungs
-syndrom (durch Fehlhaltungen, Anomalien)
Dysfunktions
-syndrom (verkürzte Strukturen)
Instabilität der Wirbelsäule
Anlaufprobleme nach Ruhephasen, insbesondere am Morgen und nach längerem Sitzen
 Wechselnde Lokalisation der Beschwerden und Wetterabhängigkeit
Verhalten des Schmerzzustandes in Ruhe bzw. während der Nacht
Abnahme im Verlaufe der ersten Stunde
Relativ baldiges Auftreten neurogener Beinschmerzen nach Ruhebeginn
Schmerzbedingtes Aufwachen nach 2 bis 3 Stunden Schlaf und in der Folge weiteres Anschwellen
Frühmorgendliche, stetige Schmerzzunahme mit Bewegungsunruhe
Die zeitliche Beziehung einer Belastung zum Schmerzzustand
Schmerzen bei einer ganz bestimmten Wirbelsäulenstellung oder -bewegung


Sitzen/ Stehen
Liegen (konstant)

Seitenlage
Facettensyndrom:
Rotation, Reklination
beim Aufrichten, Treppensteigen und in Rückenlage
Zunahme des Schmerzzustandes während einer monotonen Belastung
Ermüdungsschmerz
Anschwellen der Schmerzen nach komb. Haltung und Bewegungsbelastung, nach einer gewissen Latenzzeit – oft erst mitten in der Nacht
Schmerzlindernd wirken:
Wärme ()
Kühle
Schmerzausstrahlung bei Beinschmerzen mit unterschiedlichen Ursachen:ISG: Iliosakralgelenke
Klinische Untersuchung
Fehlhaltung bzw. -form der Wirbelsäule (Hohlrund-, Hohlflachrücken, Beckenkippung, Haltungsinsuffizienz) Matthias-Test (Armvorhaltetest 30 – 60 Sekunden)
Funktionsschmerz am Ende der Lordosierung, Kyphosierung oder Rotation der Wirbelsäule
Schmerzhaft palpable Weichteile (lokaler Hartspann) mit und ohne Schmerzausstrahlung Druck- und Schiebeschmerz
Positiver Lasègue, positive Valleix’sche Druckpunkte, pos. Slump-Test
Positiver Klopf- und Rüttelschmerz
Schmerzprovokation durch akzessorische Segmentbewegungen
morphologisches Korrelat Nervenwurzel Myosen, Tendinosen, Ansatztendinosen

tiefer und oberflächlicher Bandaparat der Wirbelsäule

Wirbelsäule (Listhesis)
Physikalische Therapie
repetitive, kurzdauernde kühle Wickel; kleinamplitude Bewegungen des Beckens unterhalb der Schmerzschwlle und Mobilisation der Strukturen des Nervensystems. Dehnen und lockere rhythmische Bewegungen
Rolfing!
Übungen zur Segmentalen Stabilisierung
täglich mehrmaliges Intervalltraining unter der Schmerzschwelle manuelle Behandlung Stärkung der Rumpf-Stabilisatoren
(Pilates, Rolfing)
Übungen zur Segmentalen Stabilisierung

Körperlich oder psychisch?

Kann keine organische Ursache, welche die Symptome erklären könnte, gefunden werden, wird oft eine psychische Einzelursache vermutet. Dieses dichotome Denken (“wenn nicht somatisch bedingt, dann psychogen”) geht von veralteten Konzepten der Psychosomatik aus. Eine fassbare psychische Einzelursache (wie eine Depression oder eine Angststörung) liegt nämlich selten vor. Auch das Konversionsmodell, welches dem Konzept der somatoformen Störungen zugrunde liegt, versagt oft, weil selten fassbare, bewusste psychosoziale Konflikte vorliegen, sondern meist eine komplexe Interaktion von körperlichen, psychischen, sozialen und iatrogenen Faktoren. Die Gründe, weshalb psychische Faktoren von beiden Seiten nicht wahrgenommen werden sind vielfältig:

  • Chronischer Stress (Dauerspannung) wurde nicht wahrgenommen, da er als normal erlebt oder verleugnet wird (Armut und Mangelerfahrungen als Triebfeder).
  • Verdrängte Probleme, da unangenehm, bedrohlich (stark abgewehrte Traumen) oder (scheinbar) unlösbar.
  • Übermässige Wachsamkeit und Hilfsbereitschaft aus Zwang, allen alles Recht zu machen (sozial erwünschtes Verhalten), aus Angst vor Ablehnung (Prägung durch Kindheit).
  • Chronifizierung und zentrale Sensibilisierung (Hyperalgesie) auf Grund von Durchhalteparolen (auf die Zähne beissen, hart sein mit sich, Schmerz unterdrücken), oft unterstützt durch medizinische Massnahmen (Schmerzlinderung, forcierte Aktivierung).

Häufig beobachtete belastende Merkmale wurden mit verschiedenen Konzepten beschrieben z.B. mit “pain-proneness”, “counterdepeency” oder “Typ-A-Verhalten”, doch passen diese in kein diagnostisches Schema, da es sich im Grunde um sozial erwünschte Verhaltensweisen handelt Diese können aber – auf Grund der hohen Leistungsansprüche an sich selbst bei geringen Fähigkeit, Hilfe in Anspruch zu nehmen oder Forderungen anderer zurückzuweisen – zu einer Selbstüberforderung führen. Dabei spielen traumatische lebensgeschichtliche Erfahrungen (wenig Liebe und Zuwendung, körperlicher oder sexueller Missbrauch) eine ähnliche Rolle wie bei anderen psychischen Störungen.

Selbstüberforderung durch…

Leistungsorientierung: Perfektionismus, Verausgabung, Kritikangst, wenig Erholung
Selbstwertprobleme: Anerkennung von Leistung abhängig, Selbstentwertungstendenz
Konfliktleugnung: Harmonisierungsbedürfnis, vermeidendes Verhalten in Konfliktsituationen
Aggressionshemmung: geringes Durchsetzungsvermögen, Überanpassung, Überhilfsbereitschaft
Vermeiden von Abhängigkeit: Mühe, Hilfe in Anspruch zu nehmen oder Schwäche zu zeigen
Alexithymie: Unfähigkeit, v.a. unangenehme Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken

Erschwerend wirken sich fremde Sprache und Kultur sowie traumatisierende Migrationserfahrungen aus. Können solche psychische Zusammenhänge nicht erfasst werden, fällt der Patient “zwischen Stuhl und Bank” und gewinnt den Eindruck, dass niemand ihm glaubt, dass er wirklich Schmerzen habe. Der Arzt wehrt seine eigenen Hilflosigkeit vielleicht damit ab, dass er die Schuld dafür dem Patienten zuschiebt, indem er diesem mangelnde Kooperation (Motivation) oder Aggravation vorwirft. Diese Frustrationen und Missverständnisse führen zu einer rapiden Verschlechterung der Arzt-Patienten-Beziehung und begünstigen wiederum die Chronifizierung.

Mittels Interviews wurden bei knapp 100 Menschen mit chronischen Rückenschmerzen gezielt Emotionen wie Wut oder Trauer ausgelöst und dabei Muskelspannungen, Blutdruck und Herzfrequenz gemessen. In erster Linie ein hoher Grad an Negativität (Zynismus, Misstrauen) führte zu verstärkter Muskelverkrampfung und höherem Blutdruck; ganz besonders war dies der Fall, wenn die aufkommende Wut auch noch unterdrückt wurde. Offenbar entscheidet nicht die Emotion selbst, sondern wie man mit ihr umgeht, darüber, ob es zu Verkrampfungen und damit Schmerzen kommt. (Burns JW et al. (2006) Anger management style and hostility among patients with chronic pain, Psychosom Med, 68: 786-793).

Chronische Rückenschmerzen und alltägliche Ruhephasen

Dazu etwas Grundsätzliches: Wir müssen die alltäglichen Rhythmen wieder beachten:
Nur wenn wir im Tages-, Wochen- und Jahresverlauf jene Erholungspausen einhalten, die uns biologisch vorgeschrieben sind, kann unser Organismus seine Funktionen wie beim resetting eines Computers immer wieder synchronisieren und Abweichungen vom Sollzustand (Verspannungen und Verkürzungen in Muskeln und Bindegewebe… auch Blutdruckerhöhungen, etc… und bis zu krebsartigem Ausflippen von Organzellen mit Abwehrvorgängen des Immunsystems) ausgleichen. Ignorieren wir diese Bedürfnisse, werden die Abweichungen immer grösser, und damit verliert auch der Organismus immer mehr die Fähigkeit von selbst in seine Ordnung und Ruhe zurückzufinden.
Unsere vorgegebenen biologischen Rhythmen scheinen auch tagsüber 90 Minuten lang zu sein (wie die 90 Minuten Tiefschlafphasen nachts): 70 Minuten Aktivität, dann 20 Minuten Ruhe und Erholung.
Mein Vorschlag: Alle 60 Minuten tagsüber 10 Minuten Rückzug und Pause. So stellen Sie ihren inneren Rhythmus wieder von der Hamsterrad- zurück in die heilsame Ruhe-Frequenz und stärken so immens das Immunsystem.
(Literatur dazu: Verena Steiner, Energiekompetenz, Pendo-Verlag 2005)

Zu Rückenschmerzen und Entspannung >>> siehe auch hier: www.dr-walser.ch/schmerz/

Prophylaxe von Rückenschmerzen:

Segmentale Rumpfstabilisation

Für Ambitionierte empfiehlt es sich mindestens zwei bis drei Rumpfkrafttrainings pro Woche, für Einsteiger eines. Dabei geht es erst einmal darum, die Rücken- und Bauchmuskulatur generell zu stärken.
Angegangen werden sollten aber vor allem die kleinen Rücken- und die schrägen Bauchmuskeln, also das sogenannt lokale segmentale Muskelsystem (Übung 1), sowie die grösseren Rücken- und Bauchmuskeln (globales System, Übungen 2 und 3).
Da das segmentale Muskelsystem (Tiefenmuskulatur) die Wirbelsäule rundherum, also vom Rücken und vom Bauch her, wie eine Zuggurtung umfasst und stabilisiert, sollte es auch spezifisch trainiert werden.
Experten empfehlen, diese drei zentralen Übungen stets in ein Trainingsprogramm einzubauen:

1.) Segmentale Stabilisation (tiefe Rumpfmuskulatur)

Beine beugen, dann wechselseitig strecken und leicht angehoben halten.
Legen Sie sich auf den Rücken, eine Hand unter die Rumpfpartie, die andere auf die seitlich schräge Bauchmuskulatur. Mit den Händen können Sie kontrollieren, ob Sie diese beiden Muskelgruppen auch wirklich aktivieren. Dann beide Beine beugen, leicht anheben (bis knapp über dem Boden), nun im Wechsel linkes und rechtes Bein strecken. Wichtig: Die schrägen Bauchmuskeln und die kleinen Rückenmuskeln angespannt halten. Die Wirbelsäule bleibt stabilisiert.

2.) Globale Planks (Unterarmstütz)

Beine wechselseitig abheben, Bauch anspannen.
Begeben Sie sich in den Unterarmstütz, dann abwechslungsweise linkes und rechtes Bein abheben. Schulter, Hüfte und Knöchel bilden eine Linie (Po nicht in die Höhe strecken!). Das Kreuz bleibt stabilisiert.

3.) Seitliche Planks (Unterarmstütz)

Becken auf und ab bewegen.
Begeben Sie sich in den seitlichen Unterarmstütz, dann die Hüfte vom Boden abheben und in eine gerade Linie bringen. Jetzt das Becken auf und ab bewegen. Rechts und links (beide Seiten).
(Übungsdauer: jeweils 30 bis 45 Sekunden, je nach Fitnessstand allenfalls auch etwas länger und mehr als eine Serie).

Von klassischen Rumpfbeugen wird heute eher abgeraten

Nicht mehr empfohlen werden heute übrigens die klassischen Rumpfbeugen, die viele noch aus dem Schulturnen kennen. Diese Übung, auch Sit-ups oder Crunches genannt, hat gleich zwei Nachteile: Sie trainieren in erster Linie gar nicht die Bauchmuskeln, sondern den Hüftbeuger, und gravierender noch: Rumpfbeugen können bei unsauberer Ausführung durch ihren starken Zug am Hüftbeuger sogar Rückenschmerzen provozieren!

Speziell: Nackenschmerzen

  • Tablets (iPad) nicht flach auf Schoss/Oberschenkel liegend verwenden, sondern aufgerichtet auf dem Tisch!
  • Nachts nicht weniger als 16 Grad im Schlafzimmer und auch kein Durchzug. Ein Seidenhalstuch anziehen wirkt Wunder!
  • Bei Angststörungen können Nackenschmerzen als begleitendes Körpersymptom auftreten: siehe hier >>>
  • Für den Nacken und die Kopfhaltung ist das “Podest”, d.h. Becken und Oberkörper ausschlaggebend: siehe Haltungsschulung im Rolfing!

Rauchen und Rückenschmerzen

Ein Rauchstopp kann bei Menschen mit Rückenschmerzen ein wichtiger Beitrag zur Behandlung sein. Eine Studie im Journal of Bone and Joint Surgery (2012; 94: 2161-2166) dokumentiert eine signifikante Linderung der Schmerzen, wenn die Patienten auf das Rauchen verzichteten.
Es zeigte sich: Wer weiterraucht, hatte nach der Behandlung (Physiotherapie, Schmerzmittel oder beides) gleich viel Schmerzen wie vorher. Wer aufhört, dem tat der Rücken weniger weh.
Rauchen ist also nicht nur ein Risikofaktor für viele schmerzhafte Erkrankungen, zu denen neben den Folgen der Atherosklerose (Koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit) auch der chronische Rückenschmerzen gehören. Raucher sind generell schmerzempfindlicher als andere Menschen, berichtet Glenn Rechtine von der Universität Rochester.
Von den 5.333 Bandscheiben-Patienten, die sich an der Klinik mit axialer (Rückenschmerzen) oder radikulärer (Beinschmerzen) Symptomatik vorgestellt haben, gaben aktive Raucher in allen Schmerzskalen höhere Werte. Nichtraucher würden generell über weniger Schmerzen klagen, meint Rechtine. Der Orthopäde führt die vermehrte Schmerzempfindlichkeit auf die Wirkung von Nikotin zurück.
Der Ratschlag an alle Rückenschmerzpatienten lautet deshalb, das Rauchen aufzugeben. Patienten, die ihn befolgten, erlebten der Studie zufolge in den folgenden acht Monaten eine deutliche Linderung ihrer Beschwerden, während es bei den Patienten, die weiter rauchten, keine signifikanten Verbesserungen gegeben habe.

Neuer Therapieansatz bei Chronischen Schmerzen im Bewegungsapparats

Nicht-traumatische strukturelle Veränderungen, die bei Röntgenaufnahmen oder in MRT-Scans beobachtet werden – wie Knochensporne, Risse in den Rotatoren-Manschettensehnen der Schulter und Bandscheibendegeneration – kommen auch, ja in der Mehrheit bei Personen vor, die schmerzfrei sind. So können diese Veränderungen als Schmerzursachen fehlinterpretiert werden, was wiederum zu invasiven, riskanten und oft unnötigen (operativen) Behandlungen führen kann.
Dies erzeugt eine gewisse Angst und Sorge beim Patienten, weil er denkt, dass er seinen Körper geschädigt hat und dass es notwendig ist, ihn zu korrigieren, zum Beispiel durch einen chirurgischen Eingriff. Viele Menschen erhalten so chirurgische Eingriffe, die nicht-traumatische Auffälligkeiten an Knochen, Gelenken, Sehnen und Knorpeln haben. Sie sind aber nicht die Ursache ihrer Symptome, sondern lediglich Veränderungen, die als Teil des Alterungsprozesses ganz normal sein können.
Ich denke, dass wir alle ehrlicher zu unseren Patienten sein müssen, wenn es um die Unsicherheit geht, woher die Symptome kommen. Wir wissen, dass die Patienten bei vielen Beschwerden, wie zum Beispiel Schmerzen in Schultern und Rücken, viel grösseren Nutzen aus einfachen Haltungsveränderungen und einem gut durchdachten Trainingsprogramm ziehen wie aus einer Operation – und erst noch ohne die gefährlichen Nebenwirkungen der Eingriffe.
Die Autoren eines Editorial im British Journal of Sports Medicine (Lewis J, et al: Brit J Sports Med (online) 25. Juni 2018) fordern, dass nicht-traumatische, anhaltende und beeinträchtigende Muskel-Skelett-Schmerzen ähnlich behandelt werden wie andere chronische Erkrankungen (z.B. Diabetes Typ II, Asthma und Bluthochdruck):
Patienten werden ermutigt, sich zu bewegen und Sport zu treiben, auf einen besseren Schlafrhythmus zu achten, Stress abzubauen und mit dem Rauchen aufzuhören – das alles mit dem Ziel, Verantwortung für das eigene Wohlbefinden und für die eigene Gesundheit zu übernehmen.

Pflanzen um Schmerz- und Rheumamittel einzusparen:

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Keine Opioide beim Rückenschmerz!

Opiatabkömmlinge (Opioide) zeigen praktisch keinen schmerzstillenden Effekt bei Rückenschmerzen, besitzen aber sehr starke Nebenwirkungen:
Nausea, Obstipation, Hyperalgesie (mit Ausbreitung auf andere Körpergebiete!), Delir, Sucht (in 12-17%!).

Zum Einsatz von Opioidanalgetika bei Patientinnen und Patienten mit Lumbago und Nackenschmerzen fehlt bislang gute Evidenz. Die OPAL-Studie schliesst diese Lücke: Bei «Guideline-konform» behandelten Patientinnen und Patienten führte die zusätzliche Gabe von Opioidanalgetika im Vergleich zu Placebo zu keinem Unterschied der Schmerzintensität nach sechs Wochen. Umgekehrt wurden Übelkeit, Obstipation, Schwindel in der Opioidgruppe häufiger beobachtet, ebenso war das Risiko für einen missbräuchlichen Konsum im Langzeitverlauf höher. Auf Opioide sollte bei unspezifischen Rückenschmerzen deshalb grundsätzlich verzichtet werden. Mangels Alternativen unterstreichen diese Resultate aber auch die Wichtigkeit von nicht pharmakologischen Ansätzen.
(Lancet. 2023, doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00404-X.)

Auch keine Muskelrelaxans (muskelentspannende Medikamente)!

Sie haben auch nur Placebowirkung und starke Nebenwirkungen (Schwindel, Müdigkeit,…).

Reduziert ein Stimulator den Schmerzmittelgebrauch?

Die Rückenmarkstimulation (RMS) ist eine alternative Methode zur Behandlung chronischer Rücken- und Beinschmerzen. Sie wird dann angewandt, wenn die medikamentösen und chirurgischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Durch die Stimulation des Rückenmarks wird der Schmerzimpuls zum Gehirn überlagert oder verändert, sodass die Schmerzwahrnehmung zentral unterdrückt wird. Doch kann der Stimulator den Gebrauch von Opioiden oder den Einsatz von Injektionen oder chirurgischen Eingriffen reduzieren?
Ein retrospektiver Vergleich von 1260 Patientinnen und Patienten mit RMS mit 6300 vergleichbaren Patientinnen und Patienten ohne RMS (1:5 «propensity match») zeigte in den ersten 12 Monaten, dass die RMS-Gruppe höhere Opioiddosen einnahm, aber weniger Steroidinjektionen, Radiofrequenzablationen oder Wirbelsäulenoperationen hatte. In Bezug auf diese vier Parameter bestand in den folgenden 12 Monaten kein Unterschied mehr. 18% aus der RMS-Gruppe erfuhren Stimulator-assoziierte Komplikationen und bei 22% musste der Stimulator revidiert oder wieder entfernt werden. Die Kosten lagen bei den mit RMS Behandelten im ersten Jahr 39 000 US-Dollar höher.

Mit der Einschränkung des retrospektiven Vergleichs mit möglichen Bias mahnt uns diese Arbeit, bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Rückenschmerzen die Indikation zur Stimulator-Implantation zurückhaltend zu stellen. Insbesondere sollten die Betroffenen orientiert werden, dass die Schmerzmittel voraussichtlich nicht reduziert werden können und die Rate von Komplikationen durch den Stimulator selbst relativ hoch ist.
(JAMA Neurol. 2023, doi.org/10.1001/jamaneurol.2022.4166.)

Literatur

Ralph Geisenhanslüke: “Schieflage – mit einer verrückten Bandscheibe durch unser Gesundheitssystem”, Kösel, 2013

Superartikel in Vox über Chronische Kreuzschmerzen und ihre Therapie.

Veröffentlicht am 12. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
17. August 2023