Von einer Hausärztin, einem Hausarzt wünsche ich mir...
Diese Frage stellten wir HausärztInnen in Zürich und bekamen von 110 anonymen PatientInnen folgende Antworten:
Genügend Zeit haben | 40 |
Nimmt mich ernst und geht auf meine Beschwerden ein. | 30 |
Zieht Spezialisten bei, wenn nötig. | 28 |
Fachwissen, Fachkompetenz. | 28 |
Fähigkeit und Bereitschaft zu erklären. | 23 |
Hausbesuche im Notfall. | 21 |
Kann ihm/ihr vertrauen. | 20 |
Alternativen anbieten, nennen, Naturheilmittel. | 19 |
Ehrlich und offen, sagt die Wahrheit. | 14 |
Einfühlungsvermögen, Empathie. | 13 |
Schnell aufsuchbar, kurzfristige Termine. | 12 |
Freundlich. | 11 |
Generika verschreiben. | 10 |
Verständnisvoll | 8 |
Kommerzielle Interessen nicht im Vordergrund | 8 |
Kurze Wartezeiten im Wartezimmer | 7 |
Geduldig | 6 |
Fähigkeit zum Zuhören | 6 |
Keine Medikamente aufschwatzen | 6 |
Soziales, familiäres Umfeld kennen | 6 |
Telefonisch konsultierbar | 6 |
24 Stunden erreichbar, im Notfall erreichbar | 6 |
Kann zugeben, nicht alles zu wissen, nicht den/die Allwissende(n) spielen | 6 |
Gute(r) Diagnostiker(in) | 5 |
Menschlichkeit, Wärme | 5 |
"Eminenzbasierte" Medizin
Was ist ein "Eminenter Doktor"? Er entspricht nicht mehr dem alten "Gott in Weiss", denn er ist grundsätzlich vertraut mit der "Evidenzbasierten Medizin".
Evidenzbasierte Medizin (EbM, von englisch evidence-based medicine (EBM) „auf empirische Belege gestützte Heilkunde“) ist eine jüngere Entwicklungsrichtung in der Medizin, die ausdrücklich die Forderung erhebt, dass bei einer medizinischen Behandlung patientenorientierte Entscheidungen nach Möglichkeit auf der Grundlage von empirisch nachgewiesener Wirksamkeit getroffen werden sollen.
Dieser Arzt ist aber auch nicht mehr ein Evidenzbasierter Mechaniker, sondern hat zu einer Eigenverantwortung zurückgefunden, die mit seiner Berufung zusammenhängt. Der "Eminente Doktor" darf sich wieder zu seinem Arztsein berufen fühlen, denn in einer Eminenzbasierten Medizin hat die Person des Arztes eine ebenso grosse Bedeutung wie das evidenzbasierte Wissen.
Dies beinhaltet eine ethische Reife des Arztes, die sich durch emotionale Präsenz, empathisches Bezogensein und sensible Antwortfähigkeit auszeichnet.
Dazu folgende wichtige Überlegung für Männer über ihren Arzt, resp. eben Ärztin:
Welches Menschenbild hat meine Ärzt*in?!
Literatur für Ärzt*innen, die besser werden wollen!
Was wir von Ärzten nie wieder hören wollen: "Das sieht aber gar nicht gut aus!" oder "Ich kann im Moment nichts mehr für sie tun." oder "Sie sind ein Risikopatient!"...Die meisten Patienten wähnen sich nach solchen Aussagen fast schon auf dem Totenbett - dabei meint der Arzt oft nur Harmloses. Der Autor Werner Bartens ("Das sieht aber gar nicht gut aus.", Pantheonverlag, 2013) ist selbst Arzt. Er klopft in seinem Buch 99 typische Arztsätze auf ihr Missverständnis-Potenzial ab. Viele Mediziner äussern sich zu gedankenlos und schnoddrig. In der Ausbildung kommt die Kommunikation mit den Patienten zu kurz. Und Ärzte nehmen sich häufig nur wenig Zeit für jeden Patienten. Dabei wäre Einfühlung gefragt. Das Wort ist das wichtigste therapeutische Hilfsmittel.
Die Patienten sollten sich einen sympathischen Arzt wählen, der gut zuhört und verständlich erklärt - und keine Angst macht, sondern eher auf das Positive und die guten Ressourcen der Patienten fokussiert ist!
Medizin im Glashaus
Gäbe es einen Papst der Medizin, würde er die 300seitige Anleitung «Examining your Doctor» des in Boston praktizierenden Dr. Timothy B. McCall auf den Index der verbotenen Bücher setzen und den Autor exkommunizieren. Damit wäre dem anregenden Werk, das allzu viele unangenehme Wahrheiten enthält, eine grosse Leserschaft gesichert.
Der als Do-it-yourself-Handbuch gestaltete Text richtet sich an das amerikanische Publikum und gibt ausführliche Hinweise und präzise Checklisten, die dazu dienen sollen, die Qualität der Ärzte und Ärztinnen zu beurteilen. Der Autor belegt durch eigene Erlebnisse und durch viele Literaturangaben, dass Staatsexamen und Facharztdiplome, moderne Geräte, luxuriöse Räume und freundliche Umgangsformen weder im Spital noch in der Praxis eine gute Medizin garantieren: Some of the most dangerous doctors I know are nice people. So wie man vor dem Kauf eines Toasters den Consumers Report studiere, solle man sich auch bei der Auswahl eines Arztes oder Spitals von Kriterien leiten lassen, die in «Examining your Doctor» bis in alle Details beschrieben sind:
Hat Sie der Arzt zu Beginn der Konsultation schon nach wenigen Sekunden unterbrochen und mit suggestiven Ja-Nein-Fragen bombardiert oder Ihnen zumindest einige Minute Zeit gelassen, um Ihr Anliegen ungestört vorzubringen? Interessiert er sich auch für Ihre familiäre und berufliche Situation? Umgeht er heikle Themen? Konnten Sie Ihre eigenen Vermutungen und Befürchtungen vorbringen?
Durften Sie sich für die körperliche Untersuchung ungestört ausziehen? Hat man Ihnen Blut abgenommen oder ein EKG angefertigt, bevor Sie der Arzt gesehen hat? Wäscht er sich vor der Untersuchung die Hände? Fragen Sie im Zweifelsfall oder achten Sie darauf, ob das Lavabo feucht und der Seifenspender nachgefüllt sind ...
Vielen anderen genauen Empfehlungen zur Beurteilung der Qualität von Anamnese und Status folgen Kapitel über Abklärungsverfahren, medikamentöse Therapien, invasive Kardiologie und einige Operationsindikationen, die auch bei uns umstritten sind. Als Insider zeichnet der Autor schonungslos ein Unsittenbild der Medizin, in der überflüssige Untersuchungen und falsche Behandlungen weit verbreitet sind, die zahlreiche und oft fatale Nebenwirkungen verursachen und zu immensen Kosten führen, welche durch rationelleres Vorgehen und präventive Beratung stark verringert werden könnten. McCall glaubt, dass auch medizinische Laien beurteilen können, welche Tests und Therapien bei ihnen vorzunehmen seien, und er rät ihnen, sich höflich, aber bestimmt zu wehren, wenn die Indikationen nicht stimmen. Sie sollen sich im Internet oder in der Fachliteratur so informieren, dass sie durch gezielte Fragen überprüfen können, ob ihr Arzt noch «up to date» sei. Ein Blick auf das Bücherregal im Sprechzimmer verrate, ob dort nur veraltete Ausgaben stehen. Es werden sogar einige verbreitete Periodika genannt, die als medizinische Schundliteratur in einer anständigen Praxis nichts zu suchen hätten.
Better informed patients force their doctors to stay on their toes ... und treiben sie wohl auch einmal die Wände hoch, wenn sie einige der von McCall empfohlenen bohrenden Fragen stellen. Immerhin ruft er auch die Patienten mehrmals dazu auf, ihren Teil zu einer guten therapeutischen Beziehung beizutragen, und nennt dafür praktische Beispiele:
Sie sollen sich vor den Konsultationen duschen, ihr Hauptanliegen nicht last minute erst bei der Verabschiedung vorbringen und ihre Beschwerden und Wünsche nicht überängstlich durch die letzte TV-Sendung beeinflussen lassen.
Informativ sind die Kapitel über die unterschiedlichen ärztlichen Temperamente, über Generalisten und Spezialisten und über die verschiedenen Organisationsformen in Klinik und Praxis. Es folgt der bekannte Ratschlag, Spitäler im Juli und an Wochenenden nach Möglichkeit zu meiden, um nicht unerfahrenen Teams in die Hände zu fallen. Die Vor- und Nachteile der Finanzierungsmodelle werden fair und gut verständlich dargestellt, wobei auch die unsauberen Praktiken der Versicherungen und das Abschieben der Bedürftigen aus Notfallstationen nicht unerwähnt bleiben. Im Anhang folgen Adressen zahlreicher Organisationen, die sich mit spezifischen Krankheiten und Problemen befassen. Wertvoll ist auch ein ausführliches Literaturverzeichnis, das viele provozierende Aussagen und fast unglaubliche Zahlenangaben des Textes abstützt.
Das Buch ermuntert zu mehr Eigenverantwortung der Patientinnen und Patienten und will sie durch mehr Wissen dazu ermächtigen. Der Autor, der nur zur Welt kam, weil seine Mutter eine empfohlene Hysterektomie verweigert hatte, geht aber in missionarischem Eifer etwas weit und breitet soviel schmutzige Wäsche aus, dass es ihm schwerfällt, Vertrauen in die noch verbleibenden kompetenten Ärztinnen und Ärzte aufzubauen. Es lohnt sich dennoch sehr, das gut strukturierte Buch zu lesen. Für die Älteren unter uns ist es ein Rückspiegel für eigenes Fehlverhalten, für die Jüngeren ein praktischer Leitfaden, wie man es nicht machen soll, brillant dargestellt im Kapitel Pharmakotherapie. Diese Kundenanleitung lässt erahnen, dass wir inskünftig bei allem, was wir tun oder unterlassen, immer mehr im Glashaus sitzen werden. Händewaschen nicht vergessen! (von Dr.med. B. Gurtner, Wetzikon)
McCall TB. Examining your doctor: a patient's guide to avoiding harmful medical care. New York: Birch Lane Press Book; 1995. ISBN 1-55972-282-7
(zu) schnelles, unkritisches, ja autistisches Denken der Mediziner*innen >>> mein Blog...
Veröffentlicht am 17. Juni 2017 von Dr. med. Thomas Walser
Letzte Aktualisierung:
17. September 2021